BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich
nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem
man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu
erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an.
Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun
an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei
Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher
Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen
Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline
Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.
Biobasierte Thermoplaste gelten als umweltfreundlich. Sie werden nicht aus
erdölbasierten Rohstoffen gewonnen, sondern aus nachwachsenden
pflanzlichen Materialien und lassen sich wie Standardthermoplaste
recyceln. Ein thermoplastisches Basismaterial ist Polymilchsäure (PLA),
die aus Zuckerrohr oder Mais hergestellt werden kann. Weltweit arbeiten
viele Forschungsgruppen daran, die Eigenschaften von PLA-basierten
Kunststoffen zu optimieren, indem sie sie beispielsweise mit anderen
thermoplastischen Basismaterialien mischen. Dies ist jedoch eine echte
Herausforderung.
Nun zeigt ein Team der TU Eindhoven um Prof. Ruth Cardinaels, wie sich PLA
erfolgreich mit einem anderen Thermoplast mischen lässt. Sie entwickelten
ein Verfahren, bei dem während der Herstellung bestimmte PLA-basierte Ko-
Polymere (z. B. SAD) gebildet werden. Diese erleichtern die die
Vermischung der beiden Grundstoffe, indem sie an den Grenzflächen zwischen
den verschiedenen Polymerphasen besonders stabile (stereo)-kristalline
Schichten bilden (ICIC-Strategie).
An BESSY II haben sie nun herausgefunden, welche Prozesse dafür sorgen,
dass die mechanischen Eigenschaften des gemischten Thermoplasten deutlich
besser sind. Dazu untersuchten sie an der IRIS-Beamline von BESSY II reine
50%-Mischungen der Thermoplaste PLA und Polyvinylidenfluorid (PVDF) sowie
Proben mit den PLA-basierten Copolymeren.
Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie an der IRIS-Beamline konnte der
Doktorand Hamid Ahmadi die Bildung des PLA-basierten Copolymers SAD
nachweisen. Weitere Röntgenmessungen zeigten, wie sich die Bildung von SAD
auf das Kristallisationsverhalten auswirkt. Die neuen Möglichkeiten der
Nano-Bildgebung und -Spektroskopie an der IRIS-Beamline ermöglichen eine
chemische Visualisierung und Identifizierung von Probenbereichen, die nur
30 nm groß sind. Diese Präzision war entscheidend für die Feststellung,
dass sich die Stereokomplexkristalle ausschließlich an der Grenzfläche
befinden. Infrarot-Nanoskopie-Bilder zeigten eine 200–300 nm dicke Schicht
aus Stereokomplexkristallen an den Grenzflächen.
Die Bildung von Stereokomplexkristallen an den Grenzflächen erhöht die
Stabilität und Kristallisationstemperatur. Die Keimbildung an der
Grenzfläche beschleunigt den gesamten Kristallisationsprozess innerhalb
der PLLA/PVDF-Mischung. Außerdem verbessert die kristalline Grenzschicht
die Übertragung mechanischer Spannungen zwischen den Phasen und somit die
Zugeigenschaften; die Bruchdehnung steigt sogar um bis zu 250 %.
„Durch die Aufklärung der Lage und Verteilung der kristallinen Schicht in
unseren Proben konnten wir das Mischverfahren viel besser verstehen“, sagt
Hamid Ahmadi. ‚Durch die Entwicklung einer neuen Strategie haben wir den
Weg für die Entwicklung von Hochleistungspolymermischungen geebnet‘, fügt
Ruth Cardinaels hinzu.
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