Höchste Versorgungsstufe bei Blutungsneigung: Bei Patient:innen mit
hämophilen Gerinnungsstörungen, wie der Hämophilie oder dem Von-
Willebrand-Syndrom, führt ein Mangel an Gerinnungsfaktoren zu einer
Blutungsneigung. Für die Diagnose und Behandlung der häufig komplexen
chronischen Erkrankungen haben sich in den letzten Jahren spezialisierte
Hämophilie-Zentren etabliert. Die Universitätsmedizin der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz führt das einzige Hämophilie-Zentrum in
Rheinland-Pfalz. Die Mainzer Einrichtung wurde jetzt von der Gesellschaft
für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH) als Zentrum der höchsten
Kategorie (Hemophilia-Comprehensive Care Center – HCCC) anerkannt.
Das Hämophilie-Zentrum der Universitätsmedizin Mainz erfüllt die von der
Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) und dem
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten umfangreichen
Anforderungen für die höchste Versorgungsstufe bei der Behandlung von
Patient:innen mit Blutungsneigung. Das hat die GTH jetzt mit der
Zertifizierung des Mainzer Zentrums als Hemophilia-Comprehensive Care
Center (HCCC) bestätigt. Die von der III. Medizinischen Klinik und
Poliklinik, dem Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) und der Klinik
und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin gemeinsam geführte
Einrichtung unter der Leitung von Dr. Charis von Auer, Oberärztin und
Leiterin Hämostaseologie an der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik
der Universitätsmedizin Mainz, gehört damit zu den aktuell insgesamt zwölf
Behandlungszentren dieser Kategorie in Deutschland.
Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender und Medizinischer
Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, zeigt sich hocherfreut: „Die
Zertifizierung für unser Hämophilie-Zentrum bestätigt einmal mehr, dass
wir an der Universitätsmedizin Mainz Spitzenmedizin bieten. Ich gratuliere
dem gesamten disziplinübergreifenden Team zu dieser Auszeichnung. Mein
großer Dank für diese hervorragende Leistung geht an alle Beteiligten.“
Bereits im Dezember 2020 wurde das einzige rheinland-pfälzische
Hämophilie-Zentrum von der europäischen Fachgesellschaft European
Association for Haemophilie and Allied Disdorders (EAHAD) als European
Haemophilia Comprehensive Care Center ausgezeichnet.
Das Mainzer HCCC ist Anlaufstelle und Referenzzentrum für die Diagnostik
sowie die ambulante und stationäre Behandlung von Patient:innen mit
hämophilen Gerinnungsstörungen. Zu diesen chronischen Erkrankungen zählen
beispielsweise die auch als Bluterkrankheit bekannte Hämophilie und das
Von-Willebrand-Syndrom.
Hämophile Gerinnungsstörungen werden durch einen Mangel an so genannten
Gerinnungsfaktoren verursacht. Dabei handelt es sich um Eiweiße, die der
Körper zwingend benötigt, um Blutungen zu stillen. Im Blut eines gesunden
Menschen befinden sich rund ein Dutzend verschiedene Gerinnungsfaktoren.
Jeder Faktor hat im Rahmen der Blutgerinnung eine spezifische Aufgabe.
Fehlt ein Gerinnungsfaktor oder ist er nur unzureichend vorhanden, kann
die Blutstillung nicht reibungslos ablaufen, die Wundheilung ist gestört
und es kommt zu einer erhöhten Blutungsneigung. Ein Mangel an
Gerinnungsfaktoren wird deshalb abgeleitet von den altgriechischen
Begriffen für Blut (haima) und Neigung (philia) als hämophile
Gerinnungsstörung bezeichnet. Der Faktormangel kann angeboren sein oder im
Lebensverlauf – beispielsweise in Folge einer anderen Erkrankung – neu
hervorgerufen werden. Für die Betroffenen kann die verstärkte Neigung zu
Blutungen enorm belastend und unter Umständen sogar lebensbedrohlich sein.
Um die bestmögliche Diagnose und Betreuung der Betroffenen zu
gewährleisten, erfolgt die Versorgung im Hämophilie-Zentrum der
Universitätsmedizin Mainz durch ein multidisziplinäres und spezialisiertes
Team fachärztlicher und nichtärztlicher Expert:innen. Im Mainzer HCCC
arbeiten Mitarbeitende der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik, des
CTH, des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, des Zentrums für
Orthopädie und Unfallchirurgie (ZOU), des Instituts für Klinische Chemie
und Laboratoriumsmedizin (Zentrallabor), des Instituts für Physikalische
Therapie, Prävention und Rehabilitation, der Klinik und Polikliniken für
Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten sowie je nach Bedarf verschiedener
weiterer Fachgebiete der Universitätsmedizin Mainz zusammen.
Im Mittelpunkt steht dabei eine langfristige Versorgung und die
individuelle Betreuung der Patient:innen bei der Fortführung der ärztlich
verordneten Therapie zu Hause. Eine in dieser Weise optimierte Behandlung
kann nachweislich sowohl die Lebenserwartung als auch die Lebensqualität
der Betroffenen erhöhen.
Entsprechend der Leitlinie der Gesellschaft für Thrombose- und
Hämostaseforschung e.V. (GTH) sollen Patient:innen mit hämophilen
Gerinnungsstörungen in hierfür speziell qualifizierten Hämophilie-Zentren
versorgt werden und jederzeit Zugang zu einem Behandlungsprogramm der
höchsten Versorgungsstufe haben.
Zum Nachweis der Prozess- und Strukturqualität von Hämophilie-Zentren in
Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die GTH 2019 einen
umfangreichen Kriterienkatalog beschlossen und 2020 das erste Zertifikat
an ein Hämophilie-Zentrum erteilt. Bei dem entsprechenden durch das
unabhängige Institut ClarCert durchgeführten Zertifizierungsverfahren
unterscheidet die Fachgesellschaft zwei Versorgungsstufen: In Hämophilie-
Zentren der Kategorie Hemophilia-Comprehensive Care Center (HCCC) wird die
höchste Versorgungsstufe vorgehalten. Alternativ kann die Behandlung auch
in einem Hämophilie-Zentrum der Kategorie Hämophilie-Behandlungszentrum
(Hemophilia Treatment Center, HTC) erfolgen, sofern das HTC mit einem HCCC
zusammenarbeitet.