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„Nächste Bewässerung in 36 Stunden!“

Geoinformatiker der Universität Rostock entwickeln ein Vorhersagesystem,
mit dem Landwirte ihre Äcker künftig gezielter bearbeiten, bewässern und
düngen können. Außerdem hilft es, Ernteerträge besser abzuschätzen. Kern
des Vorhersagesystems ist eine Software, die Messwerte von verschiedenen
Satellitensensoren in Rekordzeit auswerten kann.

Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer sichtbarer. In Deutschland
folgte in den vergangenen Jahren ein trockener Sommer auf den anderen. In
diesem Jahr herrschte in Frankreich, Italien und Spanien zunächst Dürre.
Dann fiel Starkregen, der in vielen Regionen die Flüsse über die Ufer
treten ließ. Diese Wetterkapriolen dürften in den nächsten Jahrzehnten vor
allem auch für Landwirte zur Herausforderung werden, die über das Jahr
stets zur richtigen Zeit säen, düngen und bewässern müssen, um eine gute
Ernte einfahren zu können. Mit dem Klimawandel aber wird das Wetter auch
für sie zunehmend unberechenbar.

Satelliten vermessen Pflanzen und Böden

Um Landwirten mehr Planungssicherheit zu geben, entwickelt ein Team der
Universität Rostock um Professor Philip Marzahn derzeit ein neues
Vorhersagesystem, das helfen soll, die Ernteerträge besser einzuschätzen.
Zudem soll das System den Bauern punktgenaue Hinweise geben, wann sie ihre
Felder düngen oder bewässern sollten. Grundlage ist eine Software, die die
Daten von Erdbeobachtungssatelliten auswertet. Diese Satelliten umkreisen
die Erde und scannen die Oberfläche mit Kameras, Mikrowellensensoren und
anderen Geräten ab. Aus diesen Sensordaten lässt sich auf den Zustand der
Pflanzen, auf die Feuchte und Körnigkeit des Ackerbodens schließen.
Gemessen wird dabei letztlich, wie viel Lichtstrahlung vom feuchten Boden
oder den grünen Blättern absorbiert oder ins All zurückgeworfen wird.
Diese Satellitentechnik ist inzwischen etabliert und wird in der
Landwirtschaft schon länger verwendet. Doch gibt es nach wie vor
Beschränkungen. „Damit Landwirte schnell auf Veränderungen der Feuchte
oder den Ernährungszustand der Pflanzen reagieren können, benötigen wir
permanent aktuelle Daten“, sagt Philip Marzahn. „Die sind bislang aber
nicht so leicht verfügbar.“

Herausfordernder Daten-Mix

Das Problem: In der Regel überfliegen einzelne Satelliten ein- und
denselben Landstrich nur einmal am Tag oder noch seltener. Manchen
Satelliten versperren Wolken die Sicht. Um trotzdem mehrmals täglich
Informationen über den Zustand einer Ackerfläche und der Pflanzen zu
erhalten, muss man die Daten von mehreren Satelliten kombinieren.
Allerdings messen verschiedene Satelliten mit verschiedenen Sensoren.
Manche nutzen optische Kameras, andere Mikrowellensensoren. Das, sagt
Philip Marzahn, sei eine technische Herausforderung: „Wir erhalten ganz
verschiedene Werte aus unterschiedlichen Messsystemen, die physikalisch
ganz anders arbeiten – wollen daraus am Ende aber stets dieselbe
Information gewinnen, etwa, ob der Boden die richtige Feuchte hat oder ob
meine Pflanzen gut ernährt sind.“ Bisher sei das kaum möglich.

Zusammen mit seinem Projektleiter Thomas Weiß hat Philip Marzahn daher ein
Softwaresystem entwickelt, das die verschiedenen Datenformate und
physikalischen Parameter lesen, auswerten und verschmelzen –
„assimilieren“ – kann; um daraus die gewünschte Information zu
extrahieren. Bis zu vierzehn Tage im Voraus soll das System künftig den
Zustand des Bodens und der Pflanzen abschätzen können. Den Landwirten wird
es dann beispielsweise sagen können, wie viel Dünger zu welcher Zeit und
an welchem Punkt aufgetragen werden sollte, um den gewünschten Ertrag zu
erzielen.

Zwei mathematische Modelle für die perfekte Vorhersage

Für ihr Vorhersagesystem mussten Philip Marzahn und Thomas Weiß tief in
die informatische Trickkiste greifen. Zum einen haben sie ein sogenanntes
„Strahlungstransfermodell“ entwickelt, das die verschiedenen
physikalischen Messwerte der Satelliten in mehreren Schritten in
einheitliche Ausgangsdaten wandelt. Hinzu kommt ein mathematisches
Pflanzenwachstumsmodell, das berechnet, wie gut eine Pflanze unter
bestimmten Bedingungen wächst. Es wird mit den Satellitendaten täglich
oder gar mehrmals täglich aktualisiert. Letztlich, sagt Philip Marzahn,
ginge es darum, „Big Data“, riesige Datenmengen, mithilfe von Software und
Künstlicher Intelligenz in Hochgeschwindigkeit zu bearbeiten, um den
Landwirten die relevante Information schnell zur Verfügung zu stellen.

Einsatz in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus

Das Vorhersagesystem ist nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern interessant,
sondern für alle Regionen, in denen es große Äcker gibt. In solchen
Gegenden sind schon seit einiger Zeit Traktoren und andere Fahrzeuge im
Einsatz, die per GPS-Signal gesteuert werden, um in der Spur zu bleiben.
Die Daten aus Philip Marzahns Vorhersagesystem könnten künftig direkt in
das Navigationssystem eingespielt werden und die Fahrzeuge auf den Punkt
genau steuern. Die Auflösung der Satelliteninformation, der Bodenfeuchte-
und Nährstoffdaten, ist mit zehn mal zehn Metern sehr hoch. „Der Landwirt
kann damit verschiedene Stellen des Ackers gezielt bearbeiten, düngen oder
bewässern. Schließlich ist ein Acker ja keine homogene Fläche.“

Philip Marzahn kooperiert mit dem Rostocker-Fraunhofer-Institut für
Graphische Datenverarbeitung IGD, das über gute Kontakte zu großen
landwirtschaftlichen Betrieben und Dienstleistern verfügt. Die
Entwicklungsarbeit aber findet an der Universität Rostock statt, die
Berechnung der Daten auf den Servern des IT- und Medienzentrums der
Universität. Derzeit testen die Forscher ihr System an zehn mal zehn Meter
großen Parzellen. Künftig soll es den Landwirten Informationen für ganz
Mecklenburg-Vorpommern liefern.

Pionierarbeit für die Mikroelektronik von morgen: Herausforderungen beim High-End Performance Packaging

Die Zukunft der Mikroelektronik steht vor spannenden Entwicklungen und
wichtigen Trends. Doch wie wird sich diese technologische Branche in den
kommenden Jahren weiterentwickeln? Welche Anwendungsbereiche treiben die
2,5D-/3D-Hetero-Integration und das High-End Performance Packaging
maßgeblich voran und wo liegen die Grenzen des physikalisch Möglichen?
Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Fraunhofer IZM traf sich RealIZM,
der Wissenschaftsblog für Mikroelektronik des Instituts, mit Prof.
Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow. Der Institutsleiter gibt einen
umfassenden Einblick in die Zukunft der Mikroelektronik sowie in aktuelle
und geplante Forschungsaktivitäten.

RealIZM: Wie stellen Sie sich die Zukunft der Mikroelektronik vor? Welche
wichtigen Trends werden Ihrer Meinung nach die kommenden Jahre prägen?

Tatsache ist, dass wir in Europa nicht die Logik- und die Memory-Bausteine
mit den
feinsten Strukturbreiten innerhalb der Halbleiter (Nodes) produzieren
werden, selbst
wenn große Hersteller wie Intel oder TSMC sich hier ansiedeln wollen. Auf
diesem Gebiet sind bekanntlich nur einige wenige große internationale
Hersteller tätig, die den
Maschinenpark und Aufwand betreiben können, um Nodes kleiner als 5 nm
herzustellen. Aber es wird immer wichtiger, diese Bauelemente mit anderen
Bausteinen, die andere innere Strukturen aufweisen, mit Sensorik,
Leistungselektronik, Spannungsversorgung usw. zusammenzubringen.

Am Fraunhofer IZM forschen und arbeiten wir bereits seit vielen Jahren an
der 2,5D-/
3D-Hetero-Integration. Die Ausstattung und die Möglichkeiten, die unser
Institut zur
Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet hat, sind einzigartig in
Europa. Das hat
mich bestärkt, dem Haus solange verbunden zu bleiben und den Ruf als
Institutsleiter
anzunehmen.

Einige Firmen sprechen bereits von der 5,5D-Hetero-Integration. Gemeint
ist die
Kombination aus 2,5D und 3D. Das heißt, Chips werden übereinandergestapelt
und
elektrisch miteinander verbunden und zusätzlich auf einem Interposer oder
organischen Substrat miteinander verbunden, auf dem sich weitere
Bauelemente sowie Halbleiter oder Chiplets befinden. Beim Packaging
zeichnet sich der Trend ab, immer weiter in die Breite und Höhe zu gehen.
Unser Institut für Mikrointegration ist in diesem Bereich sehr gut
aufgestellt. Unser Ziel ist, hierbei auch weiterhin eine Vorreiterrolle
einzunehmen.

RealIZM: Welche Anwendungsbereiche treiben die 2,5D-/ 3D-Hetero-
Integration maßgeblich voran?

Es sind genau die Schlagwörter, die seit 3 bis 5 Jahren in der Fachwelt zu
hören sind.
Die Nachfrage nach Hochleistungsanwendungen im Zusammenhang mit
Rechenzentren, High Performance Computing (HPC), Quantencomputing und
neuromorphem Rechnen, Smart Sensing, Optoelektronik, 5G- und 6G-
Kommunikation, Künstlicher Intelligenz (KI) und auch dem Autonomen Fahren
steigt stetig an.

Zum einen treibt das Training und die Inferenz der KI die Nachfrage nach
Servern für
Rechenzentren an. Zum anderen werden zunehmend mehr Supercomputer
eingesetzt, um komplexe Aufgaben wie z.B. die Darstellung digitaler
Zwillinge und Berechnungen für die Klimaforschungen und Quantenmechanik
auszuführen. Nicht zuletzt erfreuen sich Cloud-Computing und Video-
Streaming zunehmender Beliebtheit. Bei all diesen Anwendungen entstehen
extrem viele Daten. Deren Verarbeitung und Übertragung erfordert ein viel
besseres Computing. Mit der 3D-Hetero-Integration leistet das Fraunhofer
IZM einen wichtigen Beitrag dazu.

RealIZM: Wenn die Leiterbahnen zukünftig noch enger, die Via-Durchmesser
noch kleiner und die Wafer-Dicken noch dünner werden – wann erreichen wir
die Grenze des physikalisch Möglichen?

Im Zusammenhang mit dem Mooreschen Gesetz hieß es vor einigen Jahren, dass
mit
den feinen inneren Strukturen langsam Schluss sein wird. Einige führende
Hersteller
haben angekündigt, in Zukunft auf Nodes von kleiner 5 nm zu setzen. Vor
einigen
Jahren konnte sich das noch niemand vorstellen.

Auch bei den feineren Strukturen auf der Leiterplatte also den organischen
Substraten
zeichnet sich ein neuer Trend bei den feineren Strukturen ab, der den
unteren
einstelligen Mikrometer-Bereich anstrebt. Noch ist das nicht State-of-the-
Art. Ich bin
überzeugt, dass die Kolleg*innen an unserem Institut diese Thematik
maßgeblich
weiter vorantreiben werden. Der Grundstein, in noch kleinere Bereiche
vorzudringen,
ist bereits gelegt. Zum einen wenden wir neue Technologien wie das Hybrid-
Bonding
an. Zum anderen stehen uns dank großer Forschungs- und Fördermaßnahmen
zahlreiche neue Geräte zur Verfügung, mit denen sich noch kleinere
Strukturen
umsetzen lassen.

Seit 2022 ist das Fraunhofer IZM mit dem QuantumPackagingLab eine der
führenden
Anlaufstellen für die Entwicklung zuverlässiger Packaging-Ansätze rund um
die
Quantenphotonik. Unsere Expert*innen für optische Verbindungstechnik
verfügen
beispielsweise über einen speziellen 3D-Drucker zur Laserbearbeitung von
Glas mit
einer Genauigkeit von etwa 1 μm bei 200 x 200 mm. Nach unserer Kenntnis
sind
bisher nur 10 Maschinen weltweit in diesem Forschungskontext im Einsatz.
Das Gerät
ist für vier Verfahren ausgelegt: selektives laserinduziertes Ätzen von
Glas, Schweißen von Glas, Schreiben von 3D-Wellenleitern und 2-Photonen-
Polymerisation. Normalerweise ist für jeden dieser Prozesse eine einzelne
Maschine notwendig.

Quantentechnologien und Highspeed-Rechner mit Supraleitern gehören zu den
aktuellen Elektronik-Trends. Doch sind die Strukturen, mit denen etwa
Qubits auf Chips angesteuert und in Echtzeit ausgelesen werden können,
bislang noch größer als die Qubits selbst. Eine Forschungsgruppe unseres
Instituts hat jüngst einen Prozess entwickelt, mit dem sie die
Anschlussdichte mit Indiumbumps im Vergleich zu
bisherigen Lösungen verdoppeln. Mit dieser Technologie wollen sie nun die
Ansteuerelektronik optimieren. Zusätzlich haben wir an unserem Berliner
Standort ein
Kryomesslabor eingerichtet, mit dem die Leistungsfähigkeit der
Elektronikaufbauten bei Temperaturen von wenigen Kelvin getestet werden
kann.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, wir werden irgendwann tatsächlich
nicht
mehr kleiner werden können. Letztendlich wird die bereits von Rack zu Rack
genutzte
photonische Datenübertragung auch direkt in die Leiterplatten gehen sowie
von Chip-to-Chip erfolgen. Daran arbeiten wir bereits seit einigen Jahren.

RealIZM: Vor einigen Wochen haben die Forschungsfabrik Mikroelektronik
Deutschland (FMD) und Intel gemeinsam mit Schlüsselakteuren der deutschen
Industrie eine Roadmap 2030+ für die Forschung im Bereich der 3D-
Integration
vorgestellt. Welchen Beitrag wird das Fraunhofer IZM dafür leisten?

Einerseits hat unser Institut eine wichtige Rolle bei der
Gesprächsanbahnung mit Intel
gespielt. Wir arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Der jetzt
vorgestellte
Forschungsfahrplan wurde in einer Reihe von Workshops erarbeitet, die von
der FMD
und Intel Europe Research organisiert wurden. Der erste Workshop fand bei
uns in
Berlin am Fraunhofer IZM statt.

Andererseits haben wir aktiv an der Entwicklung der Roadmap mitgewirkt und
bereiten
gemeinsam mit den beteiligten Akteuren die Grundlagen der zukünftigen
Mikroelektronik vor. Es ist von großer strategischer Bedeutung, dass der
Standort
Europa nicht den Anschluss verliert und zukünftige Entwicklungen im
Schulterschluss
mit Industriepartnern gefördert und vorangetrieben werden. Über Chiplets
wird seit
vielen Jahren geredet. In der Produktion sind aber weltweit erst kleine
Mengen. Wir
sind noch weit davon entfernt fertige Chipletlösungen zu liefern, aber der
Fahrplan für
die Umsetzung in den kommenden Jahren steht.

Für den Einsatz im Automotive-Bereich müssen zukünftig Nodes mit feinsten
Strukturen mit Sensorik, MEMs, photonischen Elementen, LiDAR sowie Radar
und
vielem mehr kombiniert werden. Die dabei entstehenden Datenmengen müssen
verarbeitet werden. Wir am Fraunhofer IZM sind davon überzeugt, dass dies
zukünftig
nur mit Chiplets möglich sein wird. Die Halbleiter und Komponenten aus den
verschiedenen Fabs, von den Fraunhofer-Instituten oder anderen
europäischen Forschungs- und Technologieorganisationen (RTOs) müssen ganz
eng auf kleinstem
Raum miteinander verbunden werden. Technologien wie unser Panel Level
Packaging
spielen dabei eine wichtige Rolle. Fakt ist, am Ende muss alles auf ein
Substrat
integriert werden, um die Chiplets mit den anderen Komponenten zu
verbinden. Bevor
eine Massenfertigung starten kann, sind zentrale Fragen zu klären: Wer
sind die
möglichen Abnehmer für diese Bausteine? Welche Kooperationsmöglichkeiten
mit der
Industrie gibt es in Deutschland und in Europa?

RealIZM: Auf der aktuellen Institutsbroschüre ist eine Visualisierung
eines
High-End Performance Packages (HEPP) abgebildet. Was hat es mit dieser
Abbildung auf sich und was genau macht ein HEPP aus?

Die Grafik visualisiert, wie verrückt die Systeme werden, wenn sie
hochfunktional sein
sollen und welche Technologien dafür notwendig sind. Wir zeigen fiktiv
auf, was heute
bereits alles beim High-End Performance Packaging gemacht wird und wo
unser
Institut auf dem Gebiet der Hetero-Integration aktiv ist. Wir bringen
Chips auf und in
die Leiterplatte. Wir bauen Interposer, stapeln Chips und verarbeiten MEMS
in
Systemen. Wir kümmern uns um das Cooling, Antennen und die
Datenübertragung.
Das Fraunhofer IZM ist das Packaging-Institut in Deutschland, Europa und
weltweit.

Die derzeitige Herausforderung besteht darin, dass die Industrie neue
Maßstäbe setzt,
was die feineren Strukturen, Mikro-Bumps, Fine Lines und Spaces angeht. Um
hierbei
mitzuhalten und selbst Innovationen zu liefern, benötigen wir die neuesten
Maschinen
und Messtechniken. Unser Beitrag ist es, Systeme zu entwickeln und
aufzubauen, die
die Industrie dann produzieren kann. Während wir das Gesamtkonzept
betrachten,
konzentrieren sich die Firmen auf bestimmte Entwicklungsbereiche z.B. auf
das
Packaging, die Entwicklung des Chip-Designs oder die Herstellung von
Chips, MEMS
oder Sensoriken. Aus diesen einzelnen Bausteinen muss am Ende jedoch ein
funktionsfähiges System entstehen.

Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen den Herstellern der Materialen,
Maschinen, Komponenten und den Spezialisten der Aufbau- und Verbindungs-
Technik. Als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut ist unser Ansatz,
zu verstehen, was die jeweilige Anwendung für Bedarfe und Anforderungen an
Technologien, Komponenten und Materialien sowie Zuverlässigkeit hat. Bei
den Vorbereitungen für den Europäischen Chips Act (ECA) stehen wir im
Zentrum aller Aktivitäten.

RealIZM: Im Zusammenhang mit Advanced Packaging ist immer häufiger vom
Hybrid-Bonding und der Chiplet-Integration zu lesen. Auf der anderen Seite
müssen beim Packaging von modernen Leistungshalbleitern wie Siliziumkarbid
(SiC) oder Galliumnitrid (GaN) neue Wege beschritten werden. Wie ist das
Fraunhofer IZM hierzu aufgestellt?

Wie bereits erläutert, fokussiert sich die Mikroelektronikindustrie seit
einigen Jahren
verstärkt auf die heterogene Integration, um mehr Rechen-, Speicher- und
andere
Funktionen auf einer bestimmten Fläche zu integrieren. Um die 3D-
Verbindungsdichte
zu erhöhen, werden mehrere fortschrittliche und/oder ausgereifte Chips in
einem
einzigen Gehäuse untergebracht. Bei Hochleistungsanwendungen schrumpft die
Anforderung an den IO-Abstand jedoch unter das Maß, das mit Flip-Chip-
Verbindungen erreicht werden kann. Um Chiplets mit einem Abstand von 10 μm
miteinander zuverlässig zu verbinden, ist die Hybrid-Bonding-Technologie
derzeit die
einzige Option.

Seit mehreren Jahren arbeiten wir an unserem Standort in Sachsen in
Industrie-
Projekten an dem Thema Hybrid-Bonding. Bisher arbeiten wir mit
Verbindungsbreiten
von 4, 5 - 6 Mikrometern. Um in einen Bereich auf die Hälfte
herunterzukommen sind
derzeit Kooperationen notwendig, da wir noch nicht über den dafür
notwendigen
Maschinenpark verfügen. Aber wir planen über Förderprogramme (u.a. den
ECA) die
dafür notwendigen Geräte anzuschaffen. Wir wissen, wie und unter welchen
Bedingungen das im Reinraum funktioniert. Für die erwarteten Strukturen im
Sub-
Mikrometerbereich zum Ende dieses Jahrzehnts sind noch umfangreiche
Entwicklungen zu leisten.

Auch bei dem Thema Chiplets haben wir eine Vorreiterrolle inne. Wir
arbeiten sowohl
auf Silizium- und Glas-Interposern und eruieren zudem, die Möglichkeit auf
organischen Substraten zu arbeiten. Es ist zu erwarten, dass in den
nächsten Jahren die inneren Chip-Strukturen bei einigen Halbleitertypen
auf einen Bereich von unter 2 nm runtergehen. Was die Ankontaktierung
dieser Chips auf Substraten betrifft, sind bei den Substraten in Asien
bereits erste IC-Substrate mit zwei Mikrometern Lines und
Spaces (L/S) in der Anwendung. Jedoch sind hier noch eine Reihe
technischer
Fragestellungen zu beantworten, z.B. ob die Hochfrequenz-Tauglichkeit und
die Signal-Integrität gegeben sind und wie findet die Entwärmung des
Systems statt? Das sind genau die Herausforderungen, die mich auch
persönlich motivieren.

Wichtig zu verstehen ist, dass das Fraunhofer IZM keine Halbleiter
fertigt, d.h. wir sind
kein CMOS-Institut, welches Chips designt und fertigt. Wir fangen beim
Wafer an.
Wenn aber zukünftig auch die Außenanschlüsse der Chips und andere
Bauelemente
immer kleiner werden und als System auf ein organisches, glasbasiertes
oder
keramisches Substrat gebracht oder gar in die Leiterplatte eingebettet
werden sollen,
ist noch einige Entwicklungsarbeit notwendig. An dieser Stelle kommt das
Fraunhofer
IZM wieder ins Spiel. Unsere zwei Haupttechnologien sind zum einen das
Wafer Level Packaging und zum anderen die (Large Area)-Substrat-
Systemintegration, die beide
stringent weiterentwickelt werden.

Mit Hilfe der Leiterplatten-Technologie haben wir Leistungs-Halbleiter
teilweise mit
keramischen Interposern eingebettet, um hoch performante
Leistungselektronik zu
realisieren. Dafür bauen wir Subsysteme, Module und Systeme und kümmern
uns auch um das Gehäuse und die Kühlung. Unser Institut ist seit vielen
Jahren bei der ECPE, dem europäischen Kompetenzzentrum für
Leistungselektronik, in der Vorentwicklung mit unseren Zukunftsthemen
engagiert. Ich bin mir sehr sicher, dass wir zukünftig wesentliche
Beiträge für die Mikroelektronik leisten werden. Fest steht, in den
kommenden 30 Jahren gehen uns die Forschungsthemen nicht aus.

RealIZM: Welche Ideen und Pläne gibt es für die zukünftige Gestaltung der
drei
Standorte des Fraunhofer IZM in Berlin, Dresden und Cottbus?

Seit 2019 wird der Innovationscampus für Elektronik und Mikrosensorik
Cottbus –
iCampμs Cottbus - unter Beteiligung von sechs außeruniversitären
Forschungseinrichtungen sowie Professoren der BTU Cottbus-Senftenberg
etabliert.
Unser Institut ist an verschiedenen Projekten im Bereich Hochfrequenz- und
Highspeed-Systeme und Antennenkonfigurationen beteiligt. Ein
Beispielprojekt ist die Entwicklung eines mobilen Ultra-Low Power
Radarsystems für Medizinanwendungen. Ich freue mich sehr, dass wir seit
Anfang 2023 auch mit einer Professur im Bereich der
Hochfrequenztechnik am iCampμs Cottbus vertreten sind.

Im kommenden Jahr findet die iCampμs Cottbus Conference (iCCC2024) statt,
zu der
ich alle aus Forschung und Wirtschaft herzlich einlade. Die
Transferkonferenz für
Innovationen in Wissenschaft und Industrie zeigt Potenziale und neue
Anwendungen
auf, die sich durch leistungsstarke Sensorik, den Einsatz innovativer
Mikroelektronik
und KI für die Industrie 4.0, Energiewirtschaft und (Tele-)Medizin
ergeben.

Ich habe große Hoffnung das Fraunhofer IZM-ASSID an unserem Standort in
Dresden
langfristig auszubauen. Anders als in Berlin, ist das Gelände in
Moritzburg im Besitz der Fraunhofer Gesellschaft. D.h. wir haben dort die
Möglichkeit – vorausgesetzt das Geld in einem unteren dreistelligen
Millionen-Euro-Bereich ist verfügbar – die vorhandene Reinraumfläche zu
verdoppeln und mit einem entsprechenden Maschinenpark auszustatten.

Es wäre toll, wenn das Fraunhofer IZM-ASSID im Sinne der Souveränität für
Deutschland über eigene Fertigungskapazitäten verfügen würde. Ich glaube,
wir
könnten zukünftig anspruchsvolle Module, Submodule, kleine Systeme und
Vorprodukte liefern. Diesen Weg einzuschlagen, unterstütze ich gern.
Voraussetzung
dafür sind die finanziellen Mittel und auch der Nachfragebedarf vonseiten
der Industrie. Das ist jedoch noch alles Zukunftsmusik.

Eine andere Option ist, sich in bestehende bzw. geplante Reinräume
einzumieten.
Gemeinsam mit dem Fraunhofer IPMS haben wir am Centers Nanoelectronic
Technologies (CNT) in Dresden dazu eine Lösung gefunden. Im Sommer 2022
wurden gemeinsam mit dem IPMS die neuen Reinräume des CNT und das 300mm
Center for Advanced CMOS & Heterointegration in Dresden-Moritzburg
eröffnet. Wir planen in den kommenden fünf Jahren zusätzliche
Reinraumkapazitäten mit bis zu 900 m2 zu schaffen und mit einem Gerätepark
auszustatten, um gemeinsam mit dem Fraunhofer IPMS und CNT
zusammenzuarbeiten.

Wir müssen hierbei auf die neuesten Maschinen zurückgreifen und
Reinraumkapazitäten planen, um mit den Entwicklungen beim High-End
Performance
Packaging mithalten zu können. Wir kooperieren daher mit zahlreichen
Partnern –
Maschinen-, Material-, Anwender- und Packaging-Spezialisten. Dank diverser
Fördermaßnahmen und unserer Reinräume ist uns dies bisher sehr gut
gelungen. Unser Standort in Berlin profitiert aktuell vor allem von der
Förderung durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für das Projekt
„Forschungsfabrik für Quanten- und neuromorphes Computing“ (FMD-QNC). Die
bestehenden Räumlichkeiten werden laufend optimiert und modernisiert sowie
Technologien weiterentwickelt.

RealIZM: Das Fraunhofer IZM trägt neben dem Begriff der Mikrointegration
den Begriff Zuverlässigkeit im Namen. An welcher Stelle sollten
Zuverlässigkeitsbewertungen idealerweise ansetzen?

Die Zuverlässigkeit von Elektronik ist die Basis für funktionierende
Systeme. Am Fraunhofer IZM betrachten wir das High-End Performance
Packaging also die
Heterosystemintegration von den Materialien, Komponenten und Maschinen
über die
Aufbau- und Verbindungstechnologien sowie Test, Charakterisierung und
Zuverlässigkeit bis zur Anwendung als Ganzes. Wir sind daher besonders
stark in der
Physics-of-Failure-Analysis. D.h. wenn wir neue Systeme mit neuen
Materialien und
feineren Strukturen bauen, dann wissen wir je nachdem in welches
Anwendungsgebiet diese fließt, welche Beanspruchungen zu erwarten sind. So
können wir gezielt elektronische Systeme zuverlässig ausrichten und
simulieren. Für uns interessant ist, wenn wir die Simulation auf die von
uns neu entwickelten Technologien und neu eingesetzt Materialien anwenden.
Wir machen nicht nur die Zuverlässigkeitstests und -analysen, sondern
beschreiben darauf basierend den Fehler- und Versagensmechanismus. Was
nutzt es, ein System aufzubauen, dass in der Anwendung nach zwei Tagen
defekt ist.

Die Bewertung der Zuverlässigkeit muss auf abgestimmten Technologieebenen
erfolgen und setzt zwingend das Verständnis für das jeweilige System
voraus. Wo, wie und wann wird das Bauteil verbaut und welchen
Stressfaktoren (Temperaturhöhe und -wechsel, Feuchtebeanspruchung,
Belastungsdauer, etc.) ist es dabei ausgesetzt? Messungen zur
Zuverlässigkeit sollten so frühzeitig wie möglich im Prozess erfolgen.

Die Notwendigkeit einer technologiebegleitenden Zuverlässigkeitsanalyse
wird bei dem Thema Chiplets eine immer größere Rolle spielen. Werden Chips
von unterschiedlichen Herstellern und Technologie in einem Multi-Package
verbaut, reicht im schlimmsten Fall ein „schlechter“ Chip oder ein
unzureichender Interconnect aus, um zum Ausfall des Gesamtsystems zu
führen.

RealIZM: Nach all den Einblicken hat man das Gefühl, es herrschen goldene
Zeit
für die Mikroelektronik. Ist dem tatsächlich so oder gibt es auch
Herausforderungen?

Die Notwendigkeit, die Maschinenparks stetig zu erneuern, und die
Reinrauminfrastruktur vorzuhalten und zu betreiben, sind kostenintensiv.
Hinzu kommt
der Fachkräftemangel. Am Berliner Standort haben wir aktuell über 100
Labore auf
einer Gesamtfläche von 8.000 m2. Um dies alles zu bespielen, brauchen wir
aufstrebende Wissenschaftler*innen und Techniker*innen. Wir bilden seit
über 20
Jahren angehende Mikrotechnolog*innen aus. Unser Forschungsinstitut bietet
spannende Aufgaben und Perspektiven, sich weiterzuentwickeln, bereits für
Studierende und nach dem Studienabschluss erst recht.

Ein aktuelles Schlagwort in der Branche lautet Souveränität. Um
wesentliche
Vorentwicklungen für die Industrie leisten zu können, benötigen
Forschungsinstitute
die finanziellen Mittel für den Aufbau und den Betrieb einer
entsprechenden
technischen Infrastruktur. Mein Appell an unsere Zentrale in München und
auch an die
Entscheidungsträger*innen in der Politik lautet: Die kontinuierliche
Investition in die
Aus- und Fortbildung von Fachkräften für die Mikroelektronik und die
Ausstattung der
Forschungsinstitute lohnt sich und wird auch weiterhin notwendig sein. Wir
haben
bereits sehr viel erreicht. Dank dem Europäischen Chips Act (ECA) und
zahlreichen
Initiativen wie der FMD-Förderung durch das BMBF und dem o.g. „FMD-QNC“
beobachte ich eine zunehmende Vernetzung auch mit europäischen
Forschungsorganisationen wie imec und CEA-Leti. Nur gemeinsam können wir
Lösungen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der
Elektronikforschung erarbeiten.

Bei aller Technikeuphorie gilt es auch, die Auswirkungen der neu
entwickelten
Technologien auf die Umwelt und deren Energieeffizienz zu berücksichtigen.
Fakt ist,
es wird immer mehr Elektronik verbaut. Wenn zukünftig medizinische
Operationen mit
Unterstützung eines digitalen Zwillings ausgeführt werden oder Fahrzeuge
autonom
fahren, bedeutet das auch einen höheren Energiebedarf. Die Themenfelder,
neue
elektronische Produkte auf einem möglichst niedrigen Energieniveau zu
betreiben, über deren Wiederverwertung bis hin zur Reparierbarkeit
nachzudenken, gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Elektronik und der
Aufbau- und Verbindungstechnik.

Mit den Auswirkungen des technischen Fortschritts auf den ökologischen
Fußabdruck
befasst sich das Fraunhofer IZM seit seiner Gründung. Wir sind seit 30
Jahren auch international Vorreiter auf diesem Gebiet. In der Anfangszeit
unseres Instituts haben
wir das Thema „bleifreie Elektronik“ intensiv bearbeitet und seitdem die
elektronikspezifischen Nachhaltigkeitsthemen immer weiterentwickelt.
Unsere Arbeit
auf diesem Gebiet mündet gerade in dem Projekt „Green ICT @ FMD“. Hier
wird
geschaut, wie nachhaltig Elektronik sein kann. Wir schauen uns z.B. die
Stoffkreisläufe und den CO2-Fußabdruck von Elektronik in all den Bereichen
an, in denen High-End Performance Packaging zum Einsatz kommt. Unsere
Aufgabe ist das, was wir im High-End Performance Packaging entwickeln und
aufbauen, holistisch zu betrachten. Es reicht nicht aus, die innovativsten
Packaging-Verfahren zu haben. Wir müssen zugleich sicherstellen, dass die
von uns eingesetzten Technologien zuverlässig funktionieren und zugleich
auch nachhaltig sind.

Hintergrundinformation zu Prof. Dr.-Ing. Martin Schneider-Ramelow
Professor Martin Schneider-Ramelow hat sich als einer der führenden
Mikroelektronik-
Forscher und -Lehrer in Deutschland etabliert. Seit 2014 hat er eine
Honorarprofessur
an der TU Berlin und seit Januar 2017 die Professur für “Werkstoffe der
Hetero-Systemintegration“ am Institut für Hochfrequenz- und Halbleiter-
Systemtechnologien
der Fakultät IV Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin inne und
leitet den
Forschungsschwerpunkt Technologien der Mikroperipherik.

Seit 2023 ist Martin Schneider-Ramelow Institutsleiter am Fraunhofer IZM
und befasst
sich mit der thematisch-strategischen Ausrichtung der
Institutsaktivitäten, der Weiterentwicklung des Instituts im Rahmen der
European Chips Act Initiative und der
Vertiefung der Kooperation mit Universitäten und Instituten. Darüber
hinaus sind ihm
die über 400 Mitarbeitenden und deren Weiterentwicklung sehr wichtig. Als
Professor
betreut er zudem zahlreiche Promovenden und Graduierte und entwickelt
Mentoring-
Programme und Personalcoachings.

Martin Schneider-Ramelow ist Autor und Co-Autor von über 250 Fachartikeln.
Er gilt
als Spezialist auf dem Gebiet der Qualität und Zuverlässigkeit
metallischer Interconnects
und ist weltweit anerkannt als Experte für Drahtbondverbindungen. So war
er als
Obmann der Arbeitsgemeinschaft 2.4 „Bonden“ im Deutschen Verband für
Schweißen
und verwandte Verfahren (DVS) maßgeblich an der Neuverfassung des über 20
Jahre
alten DVS-Standards 2811 beteiligt, der nun seit 2017 als Grundlage für
die Bewertung
von hochqualitativen Drahtbondverbindungen gilt.

Ferner ist er Mitglied von 6 nationalen und internationalen
Konferenzprogrammkommissionen auf dem Gebiet des Electronic Packagings,
Senior
Member IEEE, Fellow IMAPS USA und seit 14 Jahren 1. Vorsitzender der
International
Microelectronics and Packaging Society (IMAPS) Deutschland.

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„Tacheles mit Simson“: Roadshow vermittelt jüdische Kultur in der Altmark

Die Bildungstour "Tacheles mit Simson" führt vom 9. bis 12. Oktober zu
Spuren jüdischen Lebens durch die Altmark. Organisiert wird das Angebot
federführend an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Zum
Auftakt macht ein zu einem mobilen Wohnzimmer umfunktionierter Bauwagen am
Montag, 9. Oktober, ab 15 Uhr in Diesdorf auf dem Marktplatz Halt. Auf dem
Programm stehen Filme über das jüdische Sachsen-Anhalt, Live-Musik und
weitere Informationen rund um jüdische Kultur. Weitere Stationen sind in
Salzwedel, Seehausen und Tangermünde.

Seit mehr als einem Jahrtausend gehört die jüdische Tradition auch zu dem
Teil Deutschlands, der heute Sachsen-Anhalt heißt. Jüdische Gemeinden gibt
es heute zwar nur in den drei großen Städten Halle, Magdeburg und Dessau-
Roßlau, aber auch andernorts sind die Spuren der Tradition sichtbar,
gerade in der Altmark, wo es noch viele Zeugnisse einstiger Synagogen
gibt. "Unsere Sprache ist voller jiddischer Wörter, die Straßen sind
voller jüdischer Geschichte, wann immer Simsons vorbeifahren", sagt der
Projektkoordinator Dr. Anton Hieke von der MLU. Bewusst spiele der Titel
des Projektes auf das bekannteste Produkt der jüdischen Unternehmerfamilie
Simson an, deren Mopeds im Straßenbild in Ostdeutschland auch heute
allgegenwärtig sind.

Manchmal ist es Hieke zufolge schwer, die jüdische Tradition und jüdisches
Leben im ländlicheren Sachsen-Anhalt kennenzulernen. Darum reist der
"Tacheles mit Simson"-Bauwagen in diesem Jahr quer durch die Altmark. Mit
Live-Musik vom Trio "Kholem tsvey!", Gesprächen, mobilen Synagogen und
mehr zum Entdecken geht das Projekt los und bietet viele interessante
Anknüpfungspunkte, um Wissen über jüdisches Leben und jüdische Kultur zu
vermitteln.

"Tacheles mit Simson" hält in der Altmark vormittags jeweils an Schulen
der Region und nachmittags auf öffentlichen Plätzen. Stationen sind am:

Montag, 9. Oktober, in Diesdorf auf dem Marktplatz von 15 bis 17 Uhr.
Dienstag, 10. Oktober, in Salzwedel auf dem Rathausturmplatz von 15 bis 17
Uhr
Mittwoch, 11. Oktober, in Seehausen auf dem Postplatz von 15 bis 17 Uhr
Donnerstag, 12. Oktober, in Tangermünde auf dem Marktplatz von 15 bis 17
Uhr

"Tacheles mit Simson" in der Altmark ist ein Gemeinschaftsprojekt des
Seminars Judaistik / Jüdische Studien an der MLU, der Landeszentrale für
politische Bildung Sachsen-Anhalt, des Vereins Miteinander e. V. in
Salzwedel, der Geschichtswerkstatt in Stendal sowie vom Verein
KinderStärken e. V..

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Die diesjährigen Medienpreise der Deutschen Mathematiker-Vereinigung gehen an...

Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV), die
Walter de Gruyter Stiftung und vormalige Preisträger*innen haben über die
Vergabe der diesjährigen Journalisten- und Medienpreise in Mathematik
entschieden.

Der mit 5.000 € dotierte Medienpreis der DMV würdigt herausragende
Leistungen bei der Vermittlung und Popularisierung von Mathematik. Er kann
auch an Forschende gehen, die erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Den diesjährigen Medienpreis bekommt Carla Cederbaum für ihre originellen
Projekte der Wissenschaftskommunikation für verschiedene Zielgruppen. Sie
ist seit März 2019 Professorin für Differentialgeometrie und Mathematische
Relativitätstheorie an der Universität Tübingen. „Während ihrer gesamten
Laufbahn hat sich Carla Cederbaum immer auch bei der Vermittlung von
Mathematik in die breite Öffentlichkeit engagiert“, sagt Günter M.
Ziegler, Mathematik-Professor und Präsident der Freien Universität Berlin
und Vorsitzender der Jury. Zu ihren Projekten zählen z. B. das Mathematik-
Spiel GANITA für Schüler*innen der Unterstufe, die „Schnappschüsse
Moderner Mathematik“ zu aktueller Forschung am Mathematischen
Forschungsinstitut Oberwolfach für Lehrende und Lernende der Oberstufe,
sowie Workshops und Kurse für die interessierte Öffentlichkeit,
Lehramtsstudierende und geflüchtete Menschen, wie auch mehrere
populärwissenschaftliche Bücher, z.B. „Wie man einen Schokoladendieb
entlarvt…“.

Der DMV-Journalistenpreis des Jahres 2023 geht für das Video „Kann die
Natur Mathe?“ an das Team der WDR-Wissenschaftsredaktion um Ralph Caspers,
Jens Hahne und Ingo Knopf. „Das Video hat mich spontan begeistert und
gefesselt“, sagt DMV-Präsident Joachim Escher, Mitglied der Jury. „Das
Team erklärt in seinem Video sehr anschaulich, wo sich in der Natur und in
kulturellen Kontexten Mathematik verbirgt. Der Kurzfilm ist gleichermaßen
unterhaltsam, kritisch und professionell umgesetzt“, ergänzt Escher. Der
Beitrag über Fibonacci-Zahlen und den goldenen Schnitt wurde am 23. Mai
2023 auf dem YouTube-Kanal „Quarks Dimension Ralph“ der WDR-
Wissenschaftsredaktion veröffentlicht und bereits 86000-mal aufgerufen
(Stand Anfang Oktober 2023). Das Preisgeld für den Journalistenpreis (1000
€) stiftet, wie auch für die anderen DMV-Medienpreise, die Walter de
Gruyter Stiftung.

Ein Sonderpreis der Jury geht dieses Jahr an Jessica Wynne für ihre
photographische Dokumentation der Tafelbilder von exzellenten
Mathematiker*innen. Sie erschien 2021 unter dem Titel „Do Not Erase:
Mathematicians and their Chalkboards“ als Buch bei Princeton University
Press und 2023 auf Deutsch im Verlag Antje Kunstmann als „Bitte nicht
wegwischen! ¬– Die Schönheit mathematischer Tafelbilder“. Bilder auf
Anfrage.

Die feierliche Preisverleihung findet am Abend des 21. November 2023 in
Berlin statt. Personen, die teilnehmen möchten, schreiben bitte per Mail
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