Zum Weltmoskitotag macht das Bernhard-Nocht-
Institut für Tropenmedizin (BNITM) auf eine drängende Frage aufmerksam:
Welche Gefahren gehen in Zeiten des Klimawandels von Stechmücken in
Deutschland aus? Forschende des BNITM untersuchen, welche Arten sich
etablieren, welche Krankheitserreger sie übertragen können und wie
Künstliche Intelligenz hilft, ihre Ausbreitung zu überwachen.
Am 4. September 2025 lädt das BNITM die Öffentlichkeit ein, mehr über diese
Forschung zu erfahren und mit Expert:innen ins Gespräch zu kommen.
Steigende Temperaturen, mildere Winter und veränderte Niederschlagsmuster
lassen in Deutschland zunehmend Stechmückenarten heimisch werden, die
ursprünglich aus wärmeren Regionen stammen. Damit wächst auch das Risiko,
dass Krankheitserreger wie Dengue-, Chikungunya- oder West-Nil-Viren hier
Fuß fassen. „Der Klimawandel verändert die Spielregeln. Stechmückenarten
breiten sich aus, und mit ihnen auch Erreger, die hier bislang kaum
vorkamen“, sagt Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Abteilung
Arbovirologie und Entomologie am BNITM. „Frühwarnsysteme und Bekämpfung
sind deshalb entscheidend.“
Aktuelle Forschungsergebnisse des BNITM
In den letzten Monaten haben BNITM-Wissenschaftler:innen mehrere
richtungsweisende Studien veröffentlicht, die zeigen, wie sich der
Klimawandel auf Stechmücken und durch sie übertragene Krankheitserreger
auswirkt und wie neue Technologien helfen, ihre Ausbreitung zu überwachen
und zu beeinflussen.
Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), eine invasive Art, konnte
sich durch den Reiseverkehr und den Klimawandel bereits in Süddeutschland
etablieren. Dr. Anna Heitmann und ihr Team konnten in einer Studie zeigen,
dass sich das Chinkungunya-Virus sogar bei niedrigen Temperaturen in der
Tigermücke vermehren kann. Allerdings fliegt die Tigermücke bei dieser
Kälte kaum, was das tatsächliche Infektionsrisiko deutlich senkt.
Das Tahyna-Virus, ein in Europa vorkommendes Virus, das grippeähnliche
Erkrankungen verursachen kann, wird bei hohen Temperaturen durch Aedes
albopictus und die heimische Mücke Aedes rusticus übertragen.
Zudem konnten die BNITM-Forschenden zeigen, dass die invasive Art Aedes
japonicus, die sich bereits in Deutschland angesiedelt hat, Alphaviren wie
das Sindbis- oder das Westliche Pferdeenzephalitisvirus übertragen könnte.
Die Forschenden schauten in dieser Studie auch auf Ko-Infektionen mit
insektenspezifischen Viren, die Menschen nicht infizieren können. Denn
nicht nur die Temperatur hat einen Einfluss auf die Übertragung von Viren
auf den Menschen, auch Ko-Infektionen in der Stechmücke spielen eine
Rolle.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass Aedes albopictus das
Oropouche-Virus, bisher vor allem aus Südamerika bekannt, bei
höherenTemperaturen übertragen kann, wenn auch nur in geringem Maße. Im
Zuge globaler Handels- und Reisebewegungen bleibt ein Risiko, dass das
Oropouche-Virus eingeschleppt und unter bestimmten Bedingungen auch bei
uns zirkulieren könnte.
Ein wichtiger Baustein für weltweite Frühwarnsysteme ist der Einsatz von
Künstlicher Intelligenz (KI) in der Stechmückenbestimmung. BNITM-
Wissenschaftler:innen konzentrierten sich auf die Flügel der Stechmücken:
Sie erstellten eine Flügelbild-Datenbank und trainierten neuronale Netze,
die Stechmückenarten anhand ihrer einzigartigen Flügel schnell und
automatisch zu erkennen. „KI kann uns helfen, Stechmücken schneller und
zuverlässiger zu identifizieren – selbst dort, wo es bislang nur wenige
Expertinnen und Experten gibt oder klassische Methoden an ihre Grenzen
stoßen“, sagt Kristopher Nolte, Doktorand in der Gruppe Vektorkontrolle.
„Nur wenn wir wissen, welche Stechmücken wo vorkommen und was sie
übertragen können, können wir rechtzeitig reagieren.“
Einladung zur Infoveranstaltung am 04.09.2025 über Stechmückenforschung
Die Referierenden geben am Donnerstag, dem 4. September 2025, Einblicke in
die Geschichte der Stechmückenforschung am BNITM sowie in aktuelle
Projekte:
• Dr. Renke Lühken, Leiter der Gruppen Arbovirus-Ökologie und
Vektorkontrolle, schaut in die Vergangenheit der Stechmückenforschung am
BNITM — von der Gründung der Abteilung Entomologie im Jahr 1912 über das
Verschwinden der Malaria in Deutschland bis hin zur großräumigen
Verbreitung durch Stechmücken übertragener Viren im 21. Jahrhundert.
• Dr. Anna Heitmann, Leiterin einer Laborgruppe und der
Arthropodenzucht am BNITM, berichtet von ihrer Arbeit in einem
Hochsicherheits-Insektarium und wie sie testet, welche Viren heimische und
eingeschleppte Stechmücken übertragen können.
• Kristopher Nolte, Doktorand in der Gruppe Vektorkontrolle, stellt
eine KI-gestützte Methode vor, die Stechmückenarten automatisch erkennt.
Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten. Neben Vorträgen
gibt es Gelegenheit für Fragen und Diskussionen mit den Forschenden.
Termin: Donnerstag, 4. September 2025, 18–20 Uhr
Ort: Historischer Hörsaal des BNITM, Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359
Hamburg
Eintritt: frei
Weitere Informationen und Anmeldung:
https://www.bnitm.de/aktuelles/veranstaltungen/bnitm125-forschen-heilen-
lehren-2025
Publikationen
Lühken R. et al. „High vector competence for chikungunya virus but heavily
reduced locomotor activity of Aedes albopictus from Germany at low
temperatures.” Parasites & Vectors 2024
Höller P. et al. “Vector competence of mosquitoes from Europe for Tahyna
virus.” Scientific Reports 2025
Jansen S. et al. “The impact of temperature and insect-specific viruses on
the transmission of alphaviruses by Aedes japonicus japonicus.”
Microbiology Spectrum 2025
Jansen S.*, Lühken R.* et al. “Risk assessment of Oropouche virus
transmission by mosquitoes in Europe.” The Journal of Infectious Diseases
2025 (*geteilte Erstautorenschaft)
Nolte K. et al. “Robust mosquito species identification from diverse body
and wing images using deep learning.” Parasites and Vectors 2024
Sauer F. G. et al. “A convolutional neural network to identify mosquito
species (Diptera: Culicidae) of the genus Aedes by wing images.”
Scientific Reports 2024
Nolte K. et al. “Comprehensive Mosquito Wing Image Repository for
Advancing Research on Geometric Morphometric- and AI-Based
Identification.” Scientific Data 2025
Der Weltmoskitotag
Der Weltmoskitotag macht jedes Jahr am 20. August auf die Gefahr
aufmerksam, die von Stechmücken ausgeht. Weltweit gibt es mehr als 3.500
Stechmückenarten. Viele von ihnen können Infektionserreger auf den
Menschen übertragen, wie den Malariaparasiten, Dengue-, Zika-,
Chikungunya-Viren und weitere mehr. Der Weltmoskitotag will ein
Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig die Erforschung dieser Krankheiten
und der Übertragungsmechanismen ist. Und er mahnt, Maßnahmen zu ergreifen,
um die Ausbreitung von Stechmücken einzudämmen.
Der Tag erinnert an den 20. August 1897, als der britische Tropenmediziner
Sir Ronald Ross nachwies, dass der Malariaparasit von weiblichen
Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen wird. Damit revolutionierte
er nicht nur die Malariaforschung und -bekämpfung. Seine Erkenntnisse sind
noch heute grundlegend, um Epidemien zu verstehen, die von Insekten
ausgehen. 1902 erhielt Ross den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.