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Abgeflachter Hinterkopf bei Säuglingen: Eltern können gegensteuern Prävention von Schädelverformungen

Babys sollen vorwiegend auf dem Rücken liegen, das führt jedoch häufig zu
einer Verformung des Schädels. Um die natürliche Ausprägung des
Säuglingskopfs zu erhalten, empfehlen Orthopäden und Unfallchirurgen, auf
wechselnde Kopfhaltungen zu achten.

„Wenn Babys zu lange mit derselben Kopfstellung auf dem Rücken liegen,
passen sich die weichen Schädelknochen an und der Hinterkopf wird
abgeplattet. Auch wenn das medizinisch meist harmlos ist, sollten Eltern
dem Säugling Anreize schaffen, sein Köpfchen regelmäßig zu drehen, damit
sich der Hinterkopf gewölbt ausprägt“, sagt Prof. Dr. Dieter C. Wirtz,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
(DGOU) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und
Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn. Die DGOU gibt Tipps, wie man
einer Schädeldeformation entgegenwirken kann und erklärt, welche
natürlichen Behandlungsmethoden es gibt.

Viele Eltern beobachten bei ihren Neugeborenen in den Wochen nach der
Geburt eine starke Abflachung des Hinterkopfs oder einseitige,
asymmetrische Verformungen. Das Kind wirkt ansonsten kerngesund. „Häufig
machen sich Eltern Sorgen, wenn das Kopfwachstum ungleichmäßig erfolgt.
Sie befürchten Störungen der Kiefergelenke oder Probleme der Augenstellung
und des Hörens. Diese Befürchtungen sind jedoch in der Regel unbegründet“,
sagt Prof. Dr. Robert Rödl, Präsident der DGOU-Sektion Vereinigung für
Kinderorthopädie (VKO). So gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinen
direkten Zusammenhang zwischen Schädelform und Folgeschäden. „Meist
handelt es sich also nur um ein kosmetisches Problem, für das es
zahlreiche natürliche Behandlungsmethoden gibt“, sagt der Chefarzt der
Kinderorthopäde am Universitätsklinikum Münster. In der medizinischen
Fachsprache wird dieses Phänomen als sogenannter lagebedingter
Plagiocephalus bezeichnet. Eltern können von Anfang an Routinen beachten,
damit sich der Säuglingskopf oval ausbildet.

Orthopäden und Unfallchirurgen geben 5 Tipps, wie Eltern der Verformung
des Babyköpfchens entgegenwirken können:
•       Legen Sie das Kind tagsüber in wachem Zustand unter Aufsicht immer
wieder in Bauch- oder Seitenlage und nutzen Sie auch jedes Wickeln für
diese sogenannte „tummy time“.
•       Stellen Sie das Kinderbett so auf, dass Interessantes wie
beispielsweise ein Fenster oder ein Mobile die Blickrichtung von der
flachen Seite weglenkt.
•       Platzieren Sie das Kind im Elternbett so zur Mutter, dass es sich
von der flachen Seite abwendet, wenn es sich zur Mutter dreht.
•       Vermeiden Sie einseitiges Stillen bzw. einseitige Positionen,
sprechen Sie das Baby von beiden Seiten an und füttern Sie es
wechselseitig: mal von rechts und mal von links.
•       Falls der Säugling eine Lieblingsseite hat, zu der er das Köpfchen
immer wieder dreht, sodass es auf dieser Seite zu einer Abflachung kommt,
kann mittels Handtuchrollen das Köpfchen stabilisiert und behutsam
zeitweise in die andere Richtung gedreht werden.

Die Zahl der betroffenen Säuglinge hat zugenommen. In den 1990er Jahren
konnte durch die „Back to sleep“-Kampagne und die Empfehlung, Neugeborene
in Rückenlage schlafen zu lassen, die Gefahr des plötzlichen Kindstods um
50 Prozent reduziert werden. „Es war eine sehr erfolgreiche Kampagne, die
zeigte, dass die Rückenlage genau richtig für die Allerjüngsten ist“, sagt
Dr. Harry Klima, Mitglied des Beirats der VKO und Chefarzt für
Kinderorthopädie im Ostschweizer Kinderspital St. Gallen. Allerdings
führte die konsequente Rückenlage dazu, dass sich bei mehr Kindern als
früher der schwere, aber noch formbare Hinterkopf durch das lange
Aufliegen abflacht. Denn je jünger das Kind ist, desto schneller ist das
Wachstum und umso größer ist die Formbarkeit des Kopfes.

In den meisten Fällen wird ein abgeflachter Säuglingskopf bereits
festgestellt, wenn Kinderorthopäden bei Neugeborenen die vorgeschriebene
Hüftultraschalluntersuchung durchführen. „Hier fragen wir nach
Risikofaktoren und beraten die Eltern zu präventiven Maßnahmen.
Selbstverständlich prüfen wir auch, ob bei dem Neugeborenen
Auffälligkeiten vorhanden sind“, sagt Rödl. Besorgte Eltern können ihr
Kind in den ersten Monaten auch darüber hinaus von Kinderorthopäden und
-orthopädinnen untersuchen lassen. So kann geprüft werden, ob
therapiebedürftige Bewegungsstörungen der Halswirbelsäule vorhanden sind
oder ob es sich um unbedenkliche Bewegungseinschränkungen, zum Beispiel
durch eine Lieblingsseite handelt, die zum einseitigen Aufliegen des
Köpfchens führen. Nur in Ausnahmefällen stecken hinter einer Abflachung
des Hinterkopfes angeborene Fehlbildungen der Wirbelkörper, äußerst selten
ist ein sogenannter muskulärer Schiefhals. Auch gibt es bekannte
Risikofaktoren, die zu Schädeldeformitäten führen können. Dazu zählen etwa
erschwerte Geburten mit einer Saugglocke oder Zange aufgrund von
ungünstigem Größenverhältnis von Becken zu Kindeskopf.

Das können Eltern tun, wenn sie Auffälligkeiten am Säuglingskopf
beobachten:
•       Schon bei den frühen Routineuntersuchungen sollten Eltern die
Kopfform und die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ansprechen, um
eventuelle Sorgen ausräumen zu lassen.
•       Bei Auffälligkeiten in den ersten Monaten und Sorge der Eltern
kann eine Kinderorthopädin oder ein Kinderorthopäde aufgesucht werden.
•       Wenn nötig, werden Krankengymnastik oder Chirotherapie verordnet,
aber auch Eigenübungen können helfen.
•       Bei fehlender Besserung und nur in Fällen ausgeprägter Verformung
wird in seltenen Fällen eine Helmtherapie angewendet.
•       Wurde bei der ärztlichen Untersuchung der lagebedingte
Plagiocephalus festgestellt, kann die richtige Behandlung helfen. Ziel
jeder Behandlung ist, dass das Köpfchen nicht auf der ohnehin abgeflachten
Stelle liegt.

Bei sehr ausgeprägten Deformitäten oder wenn das Kind aufgrund einer
Entwicklungsstörung in einer Zwangshaltung liegt, kommt eventuell eine
Therapie mit einer sogenannten Helmorthese in Frage. Da die Schädelform
jedoch keinerlei Krankheitswert besitzt, besteht eine medizinische
Indikation nur bei hartnäckigen Ausnahmefällen.

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Die beliebteste Fernhochschule Deutschlands ist klimaneutral

Die SRH Fernhochschule – The Mobile University, welche 2021 zum dritten
Mal in Folge als beliebteste Fernhochschule Deutschlands ausgezeichnet
wurde, ist klimaneutral. Damit übernimmt sie im Rahmen ihrer
Nachhaltigkeitsstrategie Verantwortung und leistet einen
gesellschaftlichen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der
Vereinten Nationen sowie der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Die SRH
Fernhochschule zählt zu den wenigen klimaneutralen Hochschulen in
Deutschland.

Als Teil der SRH Stiftung ist sich die SRH Fernhochschule ihrer
Verantwortung gegenüber kommenden Generationen bewusst. Neben der
Vermittlung von Kompetenzen möchte die Hochschule ihren Studierenden ein
Vorbild sein und diese zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung
ermutigen.
Deshalb hat sie in einem ersten Schritt ihre Treibhausgasemissionen von
Focus Zukunft, einer branchenunabhängigen
Nachhaltigkeitsberatungsgesellschaft für mittelständische Unternehmen,
erfassen lassen und diese Emissionen durch 566 Klimaschutzzertifikate für
die Jahre 2019 und 2020 ausgeglichen – jedes Jahr werden weitere folgen.

Zusätzlich zur Klimaneutralstellung durch ein anerkanntes internationales
Klimaschutzprojekt in Brasilien unterstützt die Hochschule mit der
Pflanzung von weiteren 566 standortheimischen Bäumen im Schwarzwald
freiwillig die regionale Biodiversität.

Das Siegel „Klimaneutrales Unternehmen“ wird von spezialisierten
Dienstleistern wie Focus Zukunft vergeben und zeichnet Institutionen aus,
welche ihre Emissionen ausgleichen und selbst Maßnahmen ergreifen, um
ihren CO2-Fußabdruck zukünftig kontinuierlich zu senken. Zur Senkung ihres
CO2-Fußabdrucks hat die SRH Fernhochschule wichtige Schritte wie die
Verwendung von FSC-zertifiziertem Papier, Bereitstellung von gedruckten
Studienmaterialien nur auf expliziten Wunsch und gegen Gebühr sowie die
digitale Einreichung von Abschlussarbeiten realisiert. Aktuell in der
Umsetzung befinden sich unter anderem die Umstellung der Fahrzeugflotte
auf hybride Fahrzeuge sowie die Nutzung von Ökostrom an allen Standorten
der Hochschule. Weitere Maßnahmen sind in der Planung.

Prof. Dr. Christof Hettich, Vorstandsvorsitzender der SRH Holding,
unterstützt die Zertifizierung als Pate: „Ich freue mich, dass unsere SRH
Fernhochschule Energieeffizienz und Klimaschutz in den Vordergrund rückt.
Die Zertifizierung als Klimaneutrale Hochschule ist ein erster Meilenstein
auf dem Weg zur nachhaltigen Hochschule, auf den weitere Maßnahmen zur
Senkung der Treibhausgasemissionen folgen werden.“

Interessierte können den Weg zur nachhaltigen Hochschule unter https://www
.mobile-university.de/ueber-uns/news/mobile-blog/ begleiten.

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Ergebnisse des Weltklimarats – kurz, verständlich, direkt aus der Wissenschaft

Heute ist der neue Bericht des Weltklimarats IPCC erschienen. Drei der
beteiligten Expertinnen und Experten berichten auf der Website des
Deutschen Klima-Konsortiums kurz und verständlich über die Erkenntnisse
und ordnen die Klimasimulationen des IPCC-Berichts ein:
https://klimasimulationen.de/weltklimarat.html.

Die Fakten im heute veröffentlichten ersten Band des Sechsten IPCC-
Sachstandsberichts sprechen eine klare Sprache: Die Atmosphäre und der
Ozean haben sich im vergangenen Jahrzehnt weiter erwärmt, die Schnee- und
Eismengen sind weiter zurückgegangen, der globale Meeresspiegel ist weiter
angestiegen und die Konzentrationen der Treibhausgase haben weiter
zugenommen. Der neue Bericht legt wissenschaftlich fundiert dar, dass die
Weltgemeinschaft sehr schnell und mit vereinten Kräften die Emissionen von
Treibhausgasen in der Gesamtbilanz auf Null bringen muss, um noch die
Klimaziele von Paris zu erreichen.

Es ist eindeutig: Der Mensch hat das Klima erwärmt

„Der menschliche Einfluss ist nicht nur der wesentliche Treiber für die
Erwärmung des Klimasystems, sondern auch für die Zunahme von
Extremwetterereignissen. Die Häufigkeit und die Intensität etwa von
Starkregenereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an“,
sagt Professorin Veronika Eyring vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt und der Universität Bremen im neuen Artikel auf der Website des
Deutschen Klima-Konsortiums. Sie ist koordinierende Leitautorin des
Kapitels „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ im heute
veröffentlichten IPCC-Bericht.

Arktis im Sommer ohne Eis

Wie dringend ein entschlossenes Handeln ist, macht Professor Dirk Notz vom
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg
im Artikel am Beispiel der Arktis deutlich: „Wir haben bisher immer
gesagt, wir können den eisfreien Zustand der Arktis noch verhindern. Jetzt
haben wir zum ersten Mal den Fall, dass es dafür voraussichtlich zu spät
ist, und wir nur noch die Häufigkeit von eisfreien Sommern begrenzen
können. Für mich ist das ein Zeichen, wie weit der Klimawandel
fortgeschritten ist.“ Notz ist als Leitautor des Kapitels über Ozean,
Kryosphäre und Meeresspiegel am Bericht beteiligt und erklärt auch, dass
wir als Menschen mit unseren Entscheidungen den Klimawandel steuern: „Das
Verschwinden des Eises verläuft linear mit der Temperatur. Das heißt, der
Eisverlust würde weitestgehend direkt aufgehalten, sobald menschliche
Treibhausgasemissionen und die damit einhergehende Erwärmung gestoppt
werden.“

Jedes Zehntelgrad zählt

Wie steht es also um das 1,5-Grad-Ziel? In allen Szenarien wird die
globale Erwärmung in den nächsten 20 Jahren diese Marke mit einer
Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent überschreiten, durchschnittlich
passiert das in den frühen 2030ern. Mit entschlossenem Klimaschutz und
einer guten Portion Glück besteht jedoch noch eine Chance: „Wenn wir die
1,5 Grad einhalten wollen, müssen zwei Dinge zusammenkommen. Erstens, die
Emissionen müssen in den nächsten 30 Jahren netto auf Null gebracht
werden. Und zweitens, das Klima darf nicht so empfindlich sein“, erklärt
Professor Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie und
DKK-Vorstandsmitglied im Artikel. Er ist koordinierender Leitautor des
Kapitels über die Zukunft des globalen Klimas im aktuellen IPCC-Bericht.
Das Wichtigste aber bleibt: Jedes Zehntelgrad, um das die Erwärmung
begrenzt werden kann, zählt. Notz dazu: „Wir sind dem Klimawandel nicht
passiv ausgeliefert, wir steuern ihn. Wir haben nach wie vor die Wahl, in
welchem Szenario wir landen werden.“
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Ergebnisse des Weltklimarats

Drei Autorinnen und Autoren des aktuellen Weltklimaberichts sprechen auf
der Website des Deutschen Klima-Konsortiums kurz und verständlich über die
neuen Erkenntnisse und erklären die Klimasimulationen des IPCC-Berichts.
Dabei blicken sie auf den menschlichen Einfluss auf das Klimasystem,
mögliche zukünftige Entwicklungen des Klimas und diskutieren, was das für
Gesellschaft und Politik bedeutet.

https://klimasimulationen.de/weltklimarat.html

Korallen – Zeugen des Klimawandels

Bedrohtes Ökosystem: ein tropisches Korallenriff  Lisa Röpke, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
Bedrohtes Ökosystem: ein tropisches Korallenriff Lisa Röpke, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

Sie sind die Archive der Meere. An Korallen lässt sich feststellen, wie
stark sich menschliches Handeln auf unsere Ozeane auswirkt. Gefördert von
der deutschfranzösischen Forschungsinitiative „Make Our Planet Great
Again“ untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der U
Bremen Research Alliance das Ausmaß der Erderwärmung in tropischen
Gewässern.

--- 100.000 Jahre alt sind die ältesten Korallen, die Dr. Henry Wu am ZMT
untersucht. ---

Der unterarmdicke weißliche Bohrkern, den Dr. Henry W u vom Leibniz-
Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in der Hand hält, hat eine weite
Reise hinter sich. Er stammt von einer Steinkoralle aus der Küstenregion
vor Rotuma, einer Insel der Republik Fidschi, mehr als 15.000 Kilometer
von Bremen entfernt. Die ältesten Korallen, die der Paläoklimatologe
untersucht, sind mehr als 100.000 Jahre alt. In ihnen haben sich im Laufe
ihres Lebens viele Informationen angesammelt.

Korallen wachsen im Durchschnitt wenige Millimeter pro Jahr. Sie fühlen
sich am wohlsten in sauberem Wasser und leben bis zu 50 Meter unter der
Meeresoberfläche, wo die Sonnenstrahlen sie noch erreichen. Wie die
Jahresringe von Bäumen erzählen die Mikroproben aus ihrem Kalkskelett von
den sich wandelnden Umgebungsbedingungen: von Temperaturschwankungen,
Niederschlägen, der Versauerung des Wassers und dem Salzgehalt – und das
auf Monate genau.

--- „Wenn wir die Vergangenheit kennen, können wir bessere Vorhersagen
über die Zukunft machen.“ ---

Diese Archive des Meeres nutzt Wu im Rahmen seines auf fünf Jahre
angelegten Forschungsprojekts. „Das Klima hat sich auf natürlichem Weg
immer wieder verändert. Wir wollen wissen: Wie tiefgreifend waren diese
Veränderungen? Welchen Einfluss hat die Industrialisierung seit Beginn des
19. Jahrhunderts?“, erzählt der Wissenschaftler. „Wenn wir die
Vergangenheit kennen, können wir bessere Vorhersagen über die Zukunft
machen.“

OASIS hat der 40-Jährige das Projekt genannt. Das Kürzel steht für
„Witnesses to the Climate Emergency: Ocean acidification crisis and global
warming observations from tropical corals”. Der Titel hat zudem eine
wörtliche Bedeutung: „Für mich sind Korallenriffe wie Oasen in der Wüste:
Sie sind Orte voller Leben.“ Nirgendwo in den Ozeanen existieren so viele
verschiedene Arten wie in den tropischen Korallenriffen, schätzungsweise
sind es eine Million. Sie sind nicht nur ein bedeutsames Ökosystem,
sondern zählen zu den schönsten und spektakulärsten Lebensräumen der Erde.

Dass Wu mit seinem Team diese bedrohten Oasen erforschen kann, hat auch
mit Donald Trump zu tun. Der amerikanische Präsident schuf ungewollt die
politischen Voraussetzungen für OASIS. Als eine Reaktion auf den Ausstieg
der USA aus dem Pariser Klimaabkommen gründete der französische Präsident
Emmanuel Macron im Jahr 2017 die Forschungsinitiative „Make Our Planet
Great Again“. Ihr schlossen sich das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) an.
Rund 300 Forschende bewarben sich um die Förderung, eine Experten-Jury des
DAAD wählte in Deutschland 13 Projekte aus – darunter für den Bereich
„Erdsystemforschung“ das Vorhaben Wus am ZMT, das mit einer Million Euro
gefördert wird.

--- „Wir ergänzen uns sehr gut und profitieren etwa von der gemeinsamen
Nutzung der Forschungsinfrastrukturen und dem Fachwissen hier am
Standort.“ ---

Bei dem Projekt arbeitet Wu mit Kolleginnen und Kollegen vom Zentrum für
Marine Umweltwissenschaften (MARUM) der Universität Bremen und dem Alfred-
Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven zusammen. Beide Institutionen
gehören wie das ZMT der 2016 gegründeten U Bremen Research Alliance an,
welche die Universität Bremen und die elf außeruniversitären
Forschungsinstitute im Land Bremen miteinander verbindet. „Wir ergänzen
uns sehr gut und profitieren etwa von der gemeinsamen Nutzung der
Forschungsinfrastrukturen und dem Fachwissen hier am Standort“, erzählt
der Wissenschaftler.

Die Ozeane absorbieren etwa 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die bei
der Erwärmung der Erde durch den Klimawandel entsteht. Sie nehmen zudem
rund ein Drittel des Klimagases Kohlendioxid (CO›) auf. Überschüssiges CO›
reagiert mit Wasser zu Kohlensäure, der pH-Wert des Meerwassers sinkt. Das
saurere Milieu erschwert es kalkbildenden Organismen wie einigen
Planktonarten, Muscheln und Korallen, ihr Kalkskelett zu bilden. Diese
Zusammenhänge sind bekannt. Aber das Wissen über die praktischen
Auswirkungen der Ozeanversauerung in den Tropen ist begrenzt; es fehlt an
Langzeitmessungen.

Wie sehr sich der pH-Wert des Meerwassers verändert hat, lässt sich an der
Analyse von Bor-Isotopen in den Bohrkernen der Korallen feststellen. Bor
ist ein natürlicher Bestandteil von Meerwasser, die Korallen nehmen es
auf, während sie ihr Kalkskelett bilden. Der pH-Wert bestimmt hierbei, in
welchem Verhältnis die Bor-Isotope in das Skelett eingebaut werden. Die
Forschenden wollen aber nicht nur die Veränderungen des pH-Wertes vor und
seit der Industriellen Revolution bestimmen, sondern auch die damit
einhergehende Veränderung der Meeresoberflächentemperatur und der
Wasserchemie. Dies geschieht weltweit in Regionen des Atlantiks, Pazifiks
und des Indischen Ozeans. Zu den Forschungsstandorten gehören unter
anderem Indonesien, die Andamanen in Indien, Fidschi, Kuba und Costa Rica.

Die Isotopenanalyse des Kalkskeletts wird im Labor von Prof. Dr. Simone
Kasemann vom MARUM durchgeführt, ein aufwendiges Verfahren, das einen
Reinraum benötigt. In den Laboren des AWI untersucht Henry Wu gemeinsam
mit Prof. Dr. Jelle Bijma die Korallenbohrkerne auf Spurenelemente wie
Lithium, Bor, Magnesium und Barium. „Unsere Expertise am ZMT liegt in der
Ökologie“, erklärt der Klimaforscher.

Der in Taiwan geborene Henry Wu kennt das MARUM sehr gut: Es war sein
erster Arbeitgeber in Deutschland nach Studium und Promotion in den USA.
Warum er dieses für so viele Wissenschaftler innen und Wissenschaftler
gelobte Land verlassen hat? „Als ich die Möglichkeit hatte, als Postdoc
nach Bremen zu kommen, habe ich nicht gezögert. Die Einrichtungen der
Meeres-, Polar- und Klimaforschung in Bremen haben weltweit einen
ausgezeichneten Ruf.“ Nach einer Zwischenstation am French National Centre
for Scientific Research (Centre national de la recherche scientifique,
CNRS) in Paris kehrte er 2017 zurück nach Bremen, diesmal ans ZMT. Dort
leitet er die Nachwuchsarbeitsgruppe Korallen-Klimatologie.

--- 1,5 Grad Celsius im Durchschnitt: So sehr haben sich die Ozeane seit
dem 19. Jahrhundert erwärmt. ---

Neben den Einrichtungen der Forschungsallianz sind an OASIS auch
internationale Partner verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen aus den
USA, Puerto Rico und Neukaledonien beteiligt, die teilweise eigene
Bohrkerne in das Projekt einbringen. „Für eine nachhaltige Forschung
greifen wir wie bei den Kernen aus Rotuma auf vorhandene Proben zurück“,
erzählt Wu. Werden neue Bohrkerne gewonnen, werden die Löcher in den
Korallen zum Schutz gegen Mikroorganismen und Tiere mit Beton verfüllt.
Die Korallen wachsen unbeeinträchtigt weiter.

Bereits in früheren Projekten hat sich Henry Wu mit Korallen und den
Auswirkungen des Klimawandels auf Riffe beschäftigt. Seine bisherigen
Erkenntnisse zeichnen ein wenig ermutigendes Bild. Die Ozeane haben sich
seit dem 19. Jahrhundert erheblich erwärmt, im Durchschnitt um 1,5 Grad
Celsius. Zugleich sind die Meere saurer geworden, der pH-Wert ist um 0,2
gesunken. „Das sind Unmengen an CO₂, die diesen Effekt verursacht haben“,
so Wu.

--- „Ich habe Gigabytes an Daten, welche die von Menschen verursachte
Erwärmung der Ozeane belegen.“ ---

In jüngster Zeit waren die Korallen noch nie ähnlichen Belastungen
ausgesetzt. Die heutigen erhöhten Wassertemperaturen führen zur
Korallenbleiche und zum Absterben der Korallen. „Das Ausmaß und die
Geschwindigkeit, mit der sie eingehen, sind beispiellos“, betont Henry Wu.
„Das ist deprimierend zu sehen.“ Sterben die Korallen, hat dies
weitreichende negative Folgen für das gesamte Ökosystem mit seiner Flora
und Fauna. Dennoch wird es bei einer fortschreitenden Ozeanversauerung
auch einzelne Gewinner geben. Bestimmte Steinkorallen sind robuster, sie
passen sich eher an. „Die Diversität nimmt allerdings ab, daran besteht
kein Zweifel.“

Am Klimawandel an sich könne es daher keine Zweifel geben, obwohl sie von
manchen immer noch geäußert werden. Diese Leute könnten sich bei ihm vom
Gegenteil überzeugen, betont Henry Wu: „Ich habe Gigabytes an Daten,
welche die von Menschen verursachte Erwärmung der Ozeane belegen.“

Originalpublikation:
Impact – Das Wissenschaftsmagazin der U Bremen Research Alliance

In der U Bremen Research Alliance kooperieren die Universität Bremen und
zwölf Forschungsinstitute der vier deutschen Wissenschaftsorganisationen
sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz - alle mit
Sitz im Bundesland.

Das seit 2019 erscheinende Forschungsmagazin Impact dokumentiert die
kooperative Forschungsstärke der Allianz und ihre gesellschaftliche
Relevanz. „Korallen – Zeugen des Klimawandels“ wurde in Ausgabe 2
(07.2020) veröffentlicht.

https://www.uni-bremen.de/fileadmin/user_upload/sites/research_alliance
/Impact___2__Juli_2020_Das_Wissenschafts-
Magazin_der_U_Bremen_Research_Alliance.pdf

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