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Bamberger Symphoniker | Jakub Hrůša | Juliane Banse | Ilya Gringolts. KKL Luzern, 6.9.2021, besucht von Léonard Wüst

Bamberger Symphoniker
Bamberger Symphoniker

Besetzung und Programm:
Bamberger Symphoniker
Jakub Hrůša  Dirigent
Juliane Banse  Sopran
Ilya Gringolts  Violine

 
Iris Szeghy (*1956)
Offertorium für Sopran und Orchester nach einem Gedicht von Emily Dickinson
Uraufführung
Beat Furrer (*1954)
Konzert für Violine und Orchester
Schweizer Erstaufführung
Miroslav Srnka (*1975)
move 01-04 für Orchester
Erste Gesamtaufführung aller bestehenden Teile (move 01-03 in revidierten Fassungen, Erstaufführungen)

Die Orchestermitglieder hatten sich auf der Bühne eingerichtet und stimmten ihre Instrumente, bevor sich Juliane Banse, die in Zürich aufgewachsene Sopranistin und der 1981 im tschechischen Brno geborene Dirigent Jakub Hrůša dazugesellten, beide mit «Coronamaske» dekoriert., wie sie auch die ca. 900 Besucher tragen mussten. Im Konzertsaal anwesend waren auch, nebst Festivalintendant Michael Häfliger, Komponist*innen zeitgenössischer Musik, u.a. Wolfgang Riehm und die drei Schöpfer*innen der an diesem Abend aufzuführenden Werke.

Offertorium für Sopran und Orchester nach einem Gedicht von Emily Dickinson Uraufführung

Juliane Banse Sopran Foto Elsa Okazaki
Juliane Banse Sopran Foto Elsa Okazaki

Unter Offertorium versteht man den liturgischen Gesang zur Gabenbereitung bei der heiligen Messe. Musikalisch charakterisiert Iris Szeghy ihr Werk als «eine ruhig fliessende, aber dennoch expressive Meditation mit ein paar kleinen Steigerungen». Dynamisch sehr zurückgenommen, das Stück beginnt im dreifachen Piano und endet ebenso leise sind es auch hier die verhaltenen Töne, die vorherrschen. Der Orchestersatz erscheint konzentriert, äusserst dicht gearbeitet mit einem stark polyphonen Liniengeflecht, das den Fluss der melodischen Linie nie überdeckt, sondern meist zart und einfühlsam kontrapunktiert.

Bewegende Uraufführung

Ursprünglich sollte bei Lucerne Festival ihr 2018 vollendetes Requiem für Solisten, gemischten Chor und Orchester zur Uraufführung kommen, ihre bislang umfangreichste Komposition. Doch da pandemiebedingt auf den Einsatz von Chören verzichtet werden muss, hat Szeghy den vierten Satz, das Offertorium, zu einem selbständigen Werk ausgearbeitet. Das Stück basiert auf einem Gedicht von Emily Dickinson, das die Botschaft des herkömmlichen Offertoriums aus der lateinischen Totenmesse gewissermassen auf den Kopf stellt. Wird dort um den Schutz der Seele eines Verstorbenen gebeten, so beschreibt die amerikanische Dichterin dagegen eine Situation von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit: den erfolglosen Versuch, bei Jesus Aufnahme zu finden.

Fast schon eine sakrale Darbietung

Die Sopranistin intonierte das feierliche Werk äusserst einfühlsam, streichelte die Noten sanft mit ihrem weichen Timbre, ohne dabei energielos zu wirken. Das relativ gross besetzte Orchester unterstützte sie dabei sehr zurückhaltend und behutsam, unter dem diskreten Dirigat ihres tschechischen Leiters. Das Auditorium belohnt dieses fast sakrale Tongemälde mit ausgiebigem Applaus und Bravorufen, den auch die auf die Bühne geholte Komponistin geniessen durfte.

Beat Furrer Konzert für Violine und Orchester Schweizer Erstaufführung

Beat Furrer, der Erfinder der Eruption
Beat Furrer, der Erfinder der Eruption

Der gebürtige Schaffhauser Furrer nennt sein komponieren: ‹Musik denken›. Klang ist natürlich ein physisches Ereignis, es gibt eine konkrete Vorstellung von Klang. Aber es gibt eben auch ein Denken darüber, den Versuch, das zu fassen. Und Denken geschieht ja mittels der Sprache. Das ist ein Grenzbereich. Furrer weiter:  ‹Musik denken› ist vielleicht etwas zwischen formal logischem Denken und Klang erleben. Ich glaube, das ausgetüfteltste formale Konzept wäre ohne das physische Erfahren von Klang völlig wertlos.» Doch auch Stille hat bei Furrer ihren Platz: «Jedes Verklingen eines Tones ist bereits ein Drama für sich», erklärt er. Dieses Erfahren von Klang ist für Furrer allerdings keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Innehalten, Nachhorchen, Neuansetzen, Verharren — das sind typische Verfahrensweisen in seinem Umgang mit musikalischem Material.

 

 

Komposition für den Geiger Ilya Gringolts

Ilya Gringolts war Solist in Beat Furrers Violinkonzert
Ilya Gringolts war Solist in Beat Furrers Violinkonzert

Dieses Werk schuf  Furrer für den Solisten Ilya Gringolts, der es zusammen mit dem Münchener Kammerorchester am 15. Oktober 2020 im Prinzregententheater unter der Leitung von Clemens Schuldt in der bayerischen Hauptstadt uraufführte. Der erste, zehnminütige Satz besitzt eine Bogenform, die vom Nahezu-Stillstand und einem harmonischen Schweben mit einer faszinierenden, oftmals geräuschhaften Struktur in die Getragenheit zurückkehrt, während der Mittelteil der Geige bewegte, fast “klassische” Figurationen erlaubt, die beinahe erzählerischen Charakter besitzen. Der siebenminütige zweite Satz ist eine vielfältig schillernde, ungemein spannende Eruption, und die letzten drei Minuten haben die Funktion einer Coda.

Jeder Ton, jede Harmonie, alles Mikrotonale und jedes Glissando haben in diesem Werk seinen exakten Platz. Die Präzision und Intensität, mit der die Bamberger und der technisch wie musikalisch absolut souveräne Ilya Gringolts die Partitur durch-leuchten und zum Ereignis machen, lässt dem Hörer keinen Augenblick des Abschweifens. So unmittelbar und zwingend muss zeitgenössische Musik sein.

Die ungewohnten Töne irritierten zwar etwas das harmoniesüchtige Musikgehirn der meisten Zuhörer, denen Mozart doch näher ist als etwa Schönberg oder Stockhausen, aber der furiose Applaus und viele Bravorufe bezeugten, dass das Auditorium sehr wohl auch «neue» Musik zu schätzen und würdigen weiss. Auch Komponist Beat Furrer betrat die Bühne und wurde klatschend gefeiert.

Miroslav Srnka move 01-04 für Orchester. Erste Gesamtaufführung aller bestehenden Teile (move 01-03 in revidierten Fassungen, Erstaufführungen)

«In moves», so Srnka, «verfolge ich das Konzept eines organischen Klangstroms in einem raffiniert kontrollierten Strukturnetz, das auf einer Kurve aus der Vektorbeschreibung basiert, die von den französischen Mathematikern Pierre Bézier und Paul de Casteljau für das Design französischer Autokarosserien entwickelt wurde.

Näheres zum Komponisten

Miroslav Srnka
Miroslav Srnka

Seine Oper South Pole, uraufgeführt 2016 an der Bayerischen Staatsoper München unter Kirill Petrenko, inszeniert von Hans Neuenfels und mit Rolando Villazón und Thomas Hampson in den Titelrollen, brachte Miroslav Srnka den internationalen Durchbruch. Bereits zuvor wurde er mit bedeutenden Kompositionsaufträgen und Preisen, u.a. dem Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung 2009, ausgezeichnet Bewegung deutet der Prager Komponist  in seinem vierteiligen Werk nicht nur musikalisch, sondern auch physisch – als Spielbewegung der Musiker. Die Struktur für ein Werk müsse sich ein Komponist heute selbst vorgeben, sagt Srnka.

 

 

Jakub Hrůša dirigiert die Bamberger Symphoniker  Foto Patrick Hürlimann
Jakub Hrůša dirigiert die Bamberger Symphoniker Foto Patrick Hürlimann

Die Doppeldeutigkeit von «move», also Bewegung, erläutert er so: «Die erste Deutung liegt in der Bewegung als Struktur: Mit musikalischen Mitteln, beispielsweise mit der Gestalt eines polyphonen Schwarms, wird eine bewegte, changierende dreidimensionale Struktur suggeriert, die etwa an Vogelschwärme erinnert. Die zweite Deutung bezieht sich auf die Bewegungen der Musiker*innen, mit denen sie physisch den Klang erzeugen.»Die Partitur lässt das Orchester  akustische  Vogelschwärme unorthodox durch den Saal schwirren, vielschichtig und ungeordnet, aber nicht disziplinlos. Eine äusserst eigenwillige, spannende Komposition, fernab ausgetrampelter, konventioneller und traditioneller Vorgaben. Jakub Hrůša dirigierte das Werk ganz im Sinne des Komponisten, mit vollem Körpereinsatz und totaler Emotionalität, was besonders beim Finale durchschlug.Ich kenne kein anderes zeitgenössisches Werk, das auch nur annähernd ein solch dramatisches, aufwühlendes Finale hat. Das war ein ununterbrochenes tonales Petting, das in einem akustischen Orgasmus explodierte.  Dirigent Jakub Hrůša liess sich ungehemmt mitreissen, juckte und sprang auf seinem Podium auf und ab.

Dass zeitgenössische Musik, so souverän vorgetragen, begeistert, bezeugten, nebst dem stürmischen Applaus jeweils am Ende der Werke, auch die Bravorufe, die ebendiese garnierten.

Live Stream: «räsonanz» – Donor Concert
Lucerne Festival – Summer Festival 2021
 

https://www.facebook.com/lucernefestival/videos/4050762635051289

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch  Peter Fischli und Priska Ketterer

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Luzerner Theater: Staatstheater, Schweizer Erstaufführung Koproduktion mit Lucerne Festival, Première 5. September 2021, besucht von Léonard Wüst

Staatstheater Szenenfoto von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenfoto von Ingo Hoehn

Produktion:
Musikalische Leitung: Stefan Schreiber Regie: Lydia Steier Mitarbeit Regie: Matthias Piro Bühne: Barbara Lenartz , Sophia Schneider Kostüme: Jennifer Mosen Choreografie: Luca Signoretti Dramaturgie: Lars Gebhardt , Johanna Mangold Choreinstudierung: Mark Daver

Besetzung:
Eyrún Unnarsdóttir Solenn’ Lavanant Linke Marcela Rahal Ziad Nehme Sebastià Peris Rainer Zaun Christian Baumbach Hugo Tiedje Raphael Schmitz TanzLuzern: Carlos Kerr Jr. , Dario Dinuzzi , Valeria Marangelli , Lisa Gareis , Phoebe Jewitt , Igli Mezini , Flavio Quisisana , Mathilde Gilhet , Mathew Prichard , Gabriele Rolle , Marija Burceva , Marta Llopis Mollá Chor des LT Ensemble des Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO; Chloë Abbott, Jack Adler-McKean, Alice Belugou, Carlota Cáceres, Lucia Carro Veiga, Antoi Luzerner Sinfonieorchester (Einspielung)

Allgemeiner Prolog zum «Staatstheater»

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Regisseur Jürgen R. Weber über Mauricio Kagels provokative szenische Komposition „Staatstheater“. Bombendrohung vor der Uraufführung 1971 in Hamburg:  Die anonyme „Aktionsgemeinschaft junger Freunde deutscher Opernkunst“ zeigte sich im Jahr 1971 nicht erfreut über die in Hamburg angekündigte Uraufführung von Mauricio Kagels „Staatstheater“ und artikulierte dies wenig zimperlich in einer Bombendrohung. Von dem angekündigten Attentat sollte die eilig unter Polizeischutz gestellte Hamburgische Staatsoper zwar verschont bleiben, aber das Stück selbst sorgte dann doch für erhebliche Erschütterungen in der Opernwelt. Denn es stellte in seinem anarchischen Furor die Gattung selbst radikal in Frage. Doch wenn Intendant Rolf Liebermann später gefragt wurde, was denn das wichtigste Werk unter all den vielen Neuheiten an seinem Haus gewesen sei, fiel seine Antwort immer gleich aus: „Staatstheater“ von Mauricio Kagel.

Rezension:

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Die erste Produktion unter der neuen Intendantin des Luzerner Theaters Ina Knarr, mit dem Stück «Staatstheater» (deklariert als: Oper, Tanz, Schauspiel) von Mauricio Kagel, macht die Essenz des Theaters, das Theaterspielen selbst, zum Thema und spielt gleich an drei Orten. Es beginnt auf der Theaterbühne, das Ensemble disloziert gemeinsam mit dem Publikum zur Franziskanerkirche in Form einer Prozession und dort findet das Ganze auch seinen Abschluss.

 

 

 

Wenn man Regeln aufstellt, sich aber selbst nicht daran hält

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Die Luzerner Theatermacher gehen auf Nummer sicher, ganz nach dem Motto: doppelt genäht, hält besser! So gilt da nicht das übliche 3G, sondern G und M  ist doch, neben dem Vorweisen eines Corona Zertifikats, auch das Maskentragen im ganzen Haus obligatorisch. Umso erstaunlicher, gar ärgerlich, wenn dann praktisch während der ganzen Dauer der Einführung von ca. 45 Minuten die im Foyer wohl am meisten beobachteten Personen, Stadtpräsident Beat Züsli, wie auch Stiftungsratspräsidentin Birgit Aufterbeck-Sieber und die neue Intendantin Ina Karr nach ihren Ansprachen die Masken nicht mehr trugen, im Gegensatz zu dem ebenfalls anwesenden Altbundesrat Moritz Leuenberger, der den Luzernern die Ehre seines Besuches erwies und für einmal nicht rebellisch, sondern folgsam war.

Einführung und Begrüssungsapéro

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Die Stiftungspräsidentin hiess im sanft aufgefrischten Foyer die Premierenbesucherinnen willkommen, stellte die neue Intendantin kurz vor, erwähnend, dass die Verpflichtung der renommierten, vielbeschäftigten Theaterfrau nicht ein ganz einfaches Unterfangen gewesen sei und man jetzt sehr optimistisch sei, mit Ina Karr die richtige Person für eine erfolgreiche Zukunft ins Boot, respektive ins Theater, geholt zu haben. Stadtpräsident Züsli war in seinem kurzen Statement zuversichtlich, dass die kommenden politischen Hürden für einen ev. Neubau, respektive eine Totalsanierung des nicht mehr zeitgemäßen Luzerner Theater überwunden werden und mit dem dann geplanten Architekturwettbewerb ein weiterer großer Schritt in die richtige Richtung getan werden könne. Dann begab man sich gespannt in den Theatersaal um das von Operndirektorin Lydia Steier aufbereitete Werk zu geniessen.

Kann man ein Theaterstück machen, wenn es dafür gar keine Geschichte gibt?

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Das Werk negiert alles, was Oper ausmacht: Es gibt kein klassisches Libretto, keine Handlung, weder große Arien noch ein begleitendes Orchester.

In Corona-Zeiten wichtig: In Kagels „Staatstheater“ bleibt der Orchestergraben leer. Die Musiker agieren wie alle anderen Beteiligten auf der Bühne. Und die Chorepisoden kommen — wie bei der Uraufführung — von Band.

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Genau das machen die Luzerner Theaterschaffenden. Nach der ausführlichen Einführung und Begrüßung im neugestalteten Theaterfoyer startet das Staatstheater im Theatersaal mit den Zuspielungen von 13 verschiedenen Videoclips aus drei, mobil in der Stadt platzierten Containern, auf die auf der Bühne aufgestellte Leinwand. Diese, teils Slapstick artigen Short Stories bringen zum Schmunzeln, erzeugen teils auch Gelächter. Da domptiert eine Cleopatra ähnliche Dame, auf dem Thron sitzend, nicht nur Geparde, sondern auch zwei, in Ketten gelegte Sklaven, mit passend unterlegtem Soundtrack von Kettengerassel. Mal imitiert eine Dragqueen am Mundstück einer Tuba eine Fellatio. Ein anderer Clip zeigt eine überdimensionierte Vulva, aus der nach etlichen Wehen, ein knallrotes Baby flutscht.

Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn
Staatstheater Szenenbild von Ingo Hoehn

Anschliessend bevölkern bekannte Figuren aus Schauspielen und Opern die Bühne, die sich gegenseitig den Platz streitig machen. So versucht z.B. Hamlet schon fast verzweifelt, endlich seinen Monolog vom „Sein oder Nichtsein anzubringen, wobei ihm gar ein Stück der Rüstung nach dem andern scheppernd zu Boden fällt. Zudem verhindern die andern, etwa Mozarts Papageno und Wagners Siegfried böswillig all seine weiteren Versuche. Jede probiert sich irgendwie in Szene zu setzen und sich so Beachtung beim Publikum zu sichern. Da entert auch noch Lohengrin die Bühne, nicht ohne seine Schwäne, die aber nicht aus dem Luzerner Seebecken stammen (Erleichterung bei Tierschützern), sondern wahrscheinlich aus einem Spielzeugladen, da aus Kunststoff mit zeitgemäßem Elektroantrieb und ferngesteuert. Figuren aus der griechischen Mythologie fanden auf der Bühne ebenso ihren Platz wie Geschöpfe aus der Commedia dell`Arte. Ein besonders eifriger Clown schlägt das Rad, macht Kapriolen, so um Anerkennung und Beachtung werbend. Die beiden Mariachi, die ihr «La Cucaracha» einfach nie anstimmen konnten usw.

Lohengrins Schwäne rollen durch bLohengrins Schwäne rollen durch barocken Kulissenzauberarocken Kulissenzauber
Lohengrins Schwäne rollen durch barocken Kulissenzauber

Ein „Erklärer“ versuchte dann, dem Auditorium die Fassung von Regisseurin Lydia Steier näher zu erläutern, dies im Ringen um des Publikums Gunst mit einem Tanzpaar, das gleichzeitig einen „Pas de deux“ aufs Parkett zauberte. Anyway, eigentlich wollte man ja auch nichts erklärt haben, da es möglicherweise gar nichts zu erklären gibt.

Kurz darauf wurden wir des Saales verwiesen! Nicht etwa, weil wir uns nicht Coronaconform verhalten hätten, sondern weil das Stück in der Franziskanerkirche fortgesetzt werden würde.

 

 

Nein, es war kein Demonstrationszug des KKK vom Luzerner Theater zur Franziskanerkirche

Auf dem Weg zur Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn
Auf dem Weg zur Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn

So versammelten sich alle auf dem Theaterplatz, wo die Chormitglieder aufgereiht waren zur nun folgenden Prozession. Auf einer Trage, ähnlich der biblischen Bundeslade, wie sie in südlichen katholischen Ländern wie Italien und Spanien in Karwochen Prozessionen, also während der „seemana santa“, üblich sind wurde ein Modell des Luzerner Theaters zur Franziskanerkkirche getragen.

Wenn die Roben und Kapuzen weiss gewesen wären, hätte man es, bei oberflächlichem Hinsehen, tatsächlich für einen Umzug des berüchtigten Ku-Klux-Klans halten können, diese Dislokation der Akteurinnen und Besucherinnen  vom Luzerner Theater zur Franziskanerkirche, anlässlich der schweizerischen Erstaufführung der Produktion «Staatstheater». Alsbald setzte sich der Zug, an dessen Spitze ein Bischof das Tempo diktierte, Richtung Kirche in Bewegung, die Akteure voraus, das Fussvolk, also wir, folgsam hinterher.

Höllenspektakel ausgerechnet in einer Kirche

Auf dem Weg zur Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn
Auf dem Weg zur Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn

Die Mitglieder des Chors des Luzerner Theaters intonierten in der Franziskanerkirche, immer noch in die Roben des Umzugs der «Semana Santa» gehüllt, nun aber mit Halbmasken, statt Kapuzen, die überaus anspruchsvollen, aber eigentlich sinnfreien Vokalisen Kagels, wofür sie sich einzeln in der ganzen Kirche verteilt aufstellten, in deren Zentrum eine Art Laufsteg, wie für einen Catwalk aufgestellt war. Auf diesem präsentierten sich dann in lockerer Folge die vorher schon im Theatersaal agierenden Opern- und Schauspielfiguren von Hamlet über Lohengrin und Papageno bis zu Wagners Siegfried usw., wobei diese Rollen nicht spezifisch einem Geschlecht zuzuordnen sind, also genderkonform. Einige durften sich gar auf der Kanzel produzieren. Die alles zu den seltsamen Kunstklängen des argentinischen Komponisten, ergänzt durch Schlagwerk und Bläser Klänge. Kakophonisch, wie von Luzerner Guugen an der Fasnacht gewohnt.

Güdismontagtrubel in der Franziskanerkirche

Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn
Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn

In der Kirche herrschte tatsächlich eine Atmosphäre wie an der Lozärner Fasnacht vor Corona. Die Ereignisse überschlugen sich, die Figuren wie vorher auf der Theaterbühne, wollten sich auch hier mit ihren Darbietungen wieder den Rang ablaufen. Dies sogar im wörtlichen Sinn, huschten sie doch durch die Kirchengänge und über den Laufsteg, gehetzt von Mephisto und gelockt von einer sexy Madonna mit gut sichtbaren Strumpfbändern.

 

 

 

Es ging zu wie im «hölzige Himmel» wie wir Lozärner zu sagen pflegen

Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn
Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn

Obs der Faust`sche oder Mann’sche Mephisto ist und obs die biblische oder die Popmadonna ist, bleibt auch ungeklärt wie so vieles in diesem Spiel, das, obwohl so völlig schräg und vor allem ungewohnt, die Zuschauerinnen voll begeisterte, was sich im nicht enden wollenden Schlussapplaus klar definierte. Die Akteurinnen boten ein aussergewöhnliches Spektakel, ein Feuerwerk an Spielfreude und Ausgelassenheit.

 

 

Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn
Szenenfoto aus der Franziskanerkirche Foto Ingo Hoehn

Die neue Intendanz startete fulminant stürmisch, gewagt, aber auch gekonnt in eine neue Ära, die Aussergewöhnliches verspricht und, so meine Überzeugung, auch halten wird. Der Start jedenfalls war vielversprechend und macht «Gluscht» auf mehr. Wenn sich solch Grandioses in einigermassen absehbarer Zukunft.auch noch in einem würdigen Gebäude darbieten liesse, ist dem Luzerner Theater ein Platz auf dem nationalen Podium sicher, vielleicht gar zuoberst, wer weiss.

Kleine Fotodiashow von Ingo Hoehn:

fotodiashows.wordpress.com/2021/09/05/luzerner-theater-staatstheater-schweizer-erstauffuhrung-koproduktion-mit-lucerne-festival-premiere-5-september-2021-besucht-von-leonard-wust/

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.luzernertheater.ch     Ingo Hoehn

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„Forschung Frankfurt“ erstmals in Englisch gedruckt

Das Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum
Thema „Pandemie: Was bleibt?“ liegt jetzt in englischer Übersetzung vor.

Schon seit 2019 sind ausgewählte Beiträge des beliebten
Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität ins Englische übersetzt
worden; nun liegt erstmals ein gesamtes Heft in englischer Sprache
gedruckt vor. Das Schwerpunktthema lautet in der Übersetzung: „The
Pandemic: What’s Here to Stay?“. Sämtliche Beiträge sind nun auch für
Leser ohne deutsche Sprachkenntnisse zugänglich.

Hier ein kleiner Einblick in den Inhalt:

RISKS FROM THE LABORATORY?
Controlling security-relevant biological research

INOCULATION 400 YEARS AGO
How its smallpox policy kept the Qing Dynasty in power

LONG COVID
The heart after COVID-19

AFFLICTED DEMOCRACY
The coronavirus pandemic has further weakened our political system

FINANCIAL CRISIS AS BLUEPRINT?
Politics has done some things better in the coronavirus pandemic

LESSONS LEARNT
What ails the healthcare system

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) in englischer
Sprache kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
frankfurt.de

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.uni-
frankfurt.de.

Moderne Biotechnologie in einer sich verändernden Welt

Symposium des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Zwei Tage lang haben Expertinnen und Experten aus dem Bereich der modernen
Biotechnologie auf dem diesjährigen BVL-Symposium ihre neuesten
Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert. Im Mittelpunkt der
Veranstaltung standen die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen
Herausforderungen der nachhaltigen Lebens- und Futtermittelproduktion, der
Gesundheitsvorsorge sowie des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen.
Die moderne Biotechnologie kann und sollte hierzu einen Beitrag leisten.

Vor sieben Jahren hatte das BVL-Symposium zum letzten Mal das Thema
"Moderne Biotechnolo-gie" im Fokus. Vor diesem zeitlichen Hintergrund
erinnerte BVL-Präsident Friedel Cramer in sei-ner Rede auf dem Symposium
daran, wie dynamisch die Entwicklung in diesem Wissenschaftsbe-reich in
jüngster Vergangenheit verlaufen ist und nannte dafür als Beispiele den
Vitamin D-haltigen "Goldenen Reis" und gentechnisch veränderten Lachs.
Auch der Nobelpreis 2020 für Chemie für die Entwicklung einer Methode zur
Genom-Editierung (CRISPR/Cas9) drücke die wissenschaftliche und
gesellschaftliche Anerkennung der Biotechnologie aus, so Cramer. „Rund 30
GVO-haltige Arznei-mittel wurden seit Anfang 2015 zugelassen und zuletzt
erleichterte der Erfolg von mRNA-Impfstoffen den Kampf gegen das SARS-CoV
2-Virus. Für mich zeigt dies die enorme Bedeutung biotech-nischer
Entwicklungen für die Menschheit.“ Der BVL-Präsident verwies zudem darauf,
dass in Anbetracht dieses Fortschritts in vielen Ländern die rechtlichen
Rahmenbedingungen geändert wur-den oder derzeit überarbeitet werden, um
die Entwicklung der modernen Biotechnologie zu erleichtern.

Hintergrund

Vom 6. bis 7. Oktober hatten nationale und internationale Experten
(digital und auf Englisch) zusammengeführt durch das BVL über die
Fortschritte in den biotechnologischen Wissenschaften beraten. Das BVL
veranstaltet seit 2008 jährlich eine solche Fachtagung, die sich zu einer
wichtigen Institution für den Informations- und Gedankenaustausch zwischen
anerkannten Fachleuten und der interessierten Öffentlichkeit aus den
verschiedenen Kompetenzbereichen des BVL entwickelt hat.

https://www.bvl.bund.de/EN/Events/Symposium2021/01_overview/overview_node.html