Menschen drücken ihre Gefühle über verschiedene Kanäle aus: über das Gesicht, die Stimme und den Körper. Dennoch konzentriert sich die Forschung zur Emotionswahrnehmung nach wie vor weitgehend auf das Erkennen von Emotionen im Gesicht. Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main (MPIEA) hat nun eine Videobibliothek mit emotional ausdrucksstarken Ganzkörperbewegungen veröffentlicht. Die zugehörige Studie ist soeben im Fachmagazin Scientific Reports erschienen. Die Bibliothek enthält insgesamt 150 Videoclips. Eine professionelle Tänzerin tanzte 30 verschiedene Bewegungssequenzen ein, wobei sie ein und dieselbe Sequenz je fünfmal tanzte. Dabei brachte sie jedes Mal ein anderes Gefühl zum Ausdruck: Freude, Wut, Angst und Traurigkeit, zudem tanzte sie eine Sequenz neutral. Auf emotionale Handlungen wie Freudensprünge oder das Zurückweichen vor Angst verzichtete das Forschungsteam dabei bewusst. Die Videos sind jeweils sechs Sekunden lang und zeigen die Tänzerin als weiße Silhouette vor schwarzem Hintergrund. „Bisherige Videobibliotheken zeigen einfache Geh- oder Wurfbewegungen, bei denen eine Person zum Beispiel fröhlich oder traurig geht“, erklärt die Erstautorin der Studie, Julia F. Christensen vom MPIEA. „Unsere Tanzbewegungen sind im Vergleich zu solchen alltäglichen Bewegungen komplexer, was Forscher:innen zukünftig erweiterte Möglichkeiten in der Nutzung eröffnet.“ Das Team testete die Videoclips an 90 Personen mit dem Ergebnis, dass die beabsichtigten Emotionen mehrheitlich erkannt wurden. In einer zweiten Aufgabe sollten die Teilnehmer:innen bewerten, wie schön sie die Bewegungen fanden – unabhängig davon, welche Emotionen sie dahinter vermuteten. Die Forscher:innen fanden heraus, dass Bewegungen, die Freude oder Wut ausdrücken sollten, als am schönsten bewertet wurden. Insgesamt wurden alle Bewegungssequenzen, die Gefühle widerspiegeln sollten, als schöner bewertet als die neutralen Tanzsequenzen. Die Teilnehmer:innen reagierten also auf den emotionalen Ausdruck, auch ohne die beabsichtigte Emotion selbst im Fokus zu haben. An der Verwirklichung des Projekts war ein großes internationales und interdisziplinäres Team beteiligt, zu dem neben Wissenschaftler:innen verschiedener Forschungseinrichtungen auch ein Team von 3Fish Corporate Filmmaking aus Istanbul, Türkei, sowie Vertreterinnen des Pfalztheaters Kaiserslautern gehörten. Luisa Sancho Escanero, Tanzdirektorin am Pfalztheater Kaiserslautern, resümiert: „Um die neue Videobibliothek zu realisieren, haben Wissenschaftler:innen, Tänzer:innen und Filmemacher:innen Hand in Hand gearbeitet. Herausgekommen ist ein Gesamtwerk, das nun ebenfalls in verschiedenen Disziplinen zum Einsatz kommen kann.“ Die Bibliothek steht ab sofort zur Verfügung. Die Clips können unter anderem in der wissenschaftlichen Forschung zu Tanz, Emotionspsychologie, affektiven Neurowissenschaften und empirischer Ästhetik verwendet werden. Wissenschaftliche Ansprechpartner: Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik Dr. Julia F. Christensen Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Originalpublikation: Christensen, J. F., Bruhn, L., Schmidt, E.-M., Bahmanian, N., Yazdi, S. H. N., Farahi, F., Sancho-Escanero, L., & Menninghaus, W. (2023). A 5-Emotions Stimuli Set for Emotion Perception Research with Full-Body Dance Movements. Scientific Reports 13, 8757. https://doi.org/10.1038/s41598-023-33656-4