Im Jahre 1964 brummte der Motor wieder. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders, die der Bundesrepublik einen schnellen Wiederaufstieg ermöglichte. Zugleich befand sich der Massenkonsum auf dem Zenit seiner Entwicklung. Er wurde in allen westlichen Ländern ein Massenphänomen und trug neben der Freiheit und Demokratie zur Strahlkraft des westlichen Lebensstils in der Systemkonfrontation des Kalten Kriegs bei.
Dennoch fehlte es den Kunden für den Kauf von Produkten an Orientierung. Sie konnten sich fast ausschließlich an den Verheißungen der Werbung orientieren, deren Parteilichkeit einer ausgewogenen Produktinformation im Wege stand. 1962 verkündete Bundeskanzler Konrad Adenauer die Absicht, ein neutrales Warentest-Institut als Korrektiv zu gründen, das einen staatlichen Auftrag für eine neutrale und unabhängige Verbraucherinformation erhalten solle.
Am 4. Dezember 1964 folgte die Gründung der Stiftung Warentest als selbstständige rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in West-Berlin. Seitdem werden vor allem Produkte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wie Waschmaschinen getestet.
Der Verbraucherschutz im Wirtschaftswunderland hatte damit einen Namen, und der Stiftung gelang es mit innovativen Werbemethoden, ihr angestaubtes Image als staatliche Institution loszuwerden. Beispielhaft dafür war die Präsentation einer „lebendigen Testtabelle“ durch einen Aufzug von Schauspielern mit Kinderwagen am Kurfürstendamm in West-Berlin. Die Sicherheit von Kinderwagen war damals ein großes gesellschaftliches Thema, denn zahlreiche Kinderwagen waren im Magazin der Stiftung DER test durchgefallen.
Das erwähnte Magazin erschien 1966 erstmals in einer Auflage von 100.000 Exemplaren und kam 1970 in den Zeitschriftenhandel, sodass die Periodika nicht mehr länger nur als Abonnement verfügbar waren. Ein weiterer kluger Schachzug war die kostenlose Belieferung von Zeitungen mit den eigenen Testergebnissen, damit diese darüber berichten konnten. Seit 1979 gibt es mit dem Wettbewerb Jugend testet ein Äquivalent zu Jugend forscht und seit 1997 hat die Stiftung eine eigene Internetpräsenz.
Noten wurden als Ergebnis des Prüfverfahrens erstmals 1968 eingeführt. Davor hielten die Prüfer in Worten ihren Eindruck vom jeweils getesteten Produkt fest. Die fünfgliedrige Skala der Bewertungen ist bis heute beibehalten. Lediglich der Text der den Schulnoten entsprechenden Bezeichnungen sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend und mangelhaft (die Note 6 und damit ein Ungenügend kommt in dem Bewertungssystem nicht vor), war im Jahr der Einführung anders:
Eine weitreichende Erweiterung des Bewertungssystems erfolgte im Jahre 2004, womit sich die Stiftung als Pionier an die Spitze eines Zeitgeistes stellte, der heute mit dem Begriff Woke in einem Wort zusammengefasst werden kann. Fortan ging es nicht mehr ausschließlich um die Qualität von Produkten, sondern auch die soziale und ethische Verantwortung von Unternehmen wurde einer Bewertung unterzogen. Heute gehört die Pflege der social ethical and social responsibility zum selbstverständlichen Markenkern von Unternehmen und selbst McDonald's hat sich ein grünes Image verpasst.
Die Erlöse der Zeitschrift test machen den Löwenanteil der Einnahmen der Stiftung aus. Weitere Publikationen der gemeinnützigen Institution sind die Zeitschrift Finanztest, diverse Sonderhefte und Sachbücher. Darüber hinaus ist die Nutzung eines Zertifikats der Stiftung Warentest mit der Endnote aus dem Prüfverfahren kostenpflichtig. Ein Zehntel der Einnahmen übernimmt schließlich der Staat als Kompensation dafür, dass die Stiftung auf Werbung in ihren Publikationen verzichtet, da dies ihrem Ruf als unabhängiges Bewertungsorgan widersprechen würde.
Der gesellschaftliche Nutzen der Stiftung Warentest für unabhängige Verbraucherinformationen, den Verbraucherschutz und für den Erhalt der Produktqualität wird allgemein anerkannt. In Rechtskonflikten mit klagenden Unternehmen, die ihr Produkt als zu Unrecht schlecht bewertet sahen, geht die Stiftung regelmäßig (aber nicht immer) als Siegerin hervor.
Es spricht vieles dafür, dass auch die Konkurrenz durch die im Digitalzeitalter wie die Pilze aus dem Boden schießenden Bewertungsportale der Reputation der gemeinnützigen Stiftung nichts anhaben können. Sie ist viel besser als all die von der Werbung zerfressenen und verzerrten Internet-Portale, fasste Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn diesen Eindruck unverblümt zusammen. In diesem Sinne geht von der Institution eine beruhigende Kontinuität aus, die für die meisten Kunden ein wichtiger Orientierungspunkt bei der Produktwahl bleiben wird.