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Spezialist*innen des Bundes ermitteln Radioaktivität in der Sperrzone von Tschernobyl

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Neukartierung der Kontamination 35 Jahre nach Reaktorunfall

Vor 35 Jahren ging die Nachricht von dem katastrophalen Reaktorunfall von
Tschernobyl um die Welt. Während die Auswirkungen auf Deutschland heute
kaum mehr spürbar sind, sind die Folgen für die Ukraine nach wie vor
gravierend: Rund um den Reaktor sind noch immer Gebiete so hoch
kontaminiert, dass eine Sperrzone aufrechterhalten werden muss, die nur
mit Genehmigung betreten werden darf.

Wie sich die Kontamination in den vergangen 35 Jahren verändert hat, soll
nun erhoben werden: Auf Einladung der Staatlichen Agentur der Ukraine zur
Verwaltung der Sperrzone wird das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in
Zusammenarbeit mit der Bundespolizei Strahlungsmessungen zur Neukartierung
der radiologischen Situation in der Sperrzone von Tschernobyl durchführen.

Die Messungen finden vom 3. bis 19. September 2021 am Boden und von
Hubschraubern aus statt. Bei den Messungen werden die Höhe der vorhandenen
Strahlung sowie die Art und Menge der am Boden abgelagerten Stoffe, die
diese Strahlung verursachen, ermittelt und kartiert.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium: „Das
Bundesumweltministerium unterstützt und begleitet die Sicherung des
havarierten Reaktors und des darin enthaltenen Kernmaterials bereits seit
langem. Der Messeinsatz des Bundesamtes für Strahlenschutz ist ein
weiterer Baustein dieses Engagements. Auch wenn in Deutschland im
kommenden Jahr die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet werden, steht das
Bundesumweltministerium zur internationalen Zusammenarbeit im
radiologischen Notfallschutz und bei der Überwachung der
Umweltradioaktivität. Wir müssen auch in Zukunft schnell, kompetent und
zielgerichtet auf Gefahren aus der Atomkraftnutzung reagieren können,
insbesondere auf mögliche AKW-Unfälle im Ausland.“

BfS-Präsidentin Inge Paulini: „Radioaktivität macht an Grenzen nicht halt.
Deshalb müssen wir auch auf Unfälle im europäischen Ausland vorbereitet
sein und bei der Bewältigung eines Unfalls grenzüberschreitend
zusammenarbeiten. Es ist uns ein Anliegen, mit unserer Expertise
internationale Partner-Organisationen zu unterstützen. Davon profitiert
auch der Notfallschutz in Deutschland: Mit den Messungen in der Sperrzone
erweitern wir – zusammen mit unseren Partnerinnen und Partnern von der
Bundespolizei – zugleich unsere Fähigkeiten, wovon auch der Notfallschutz
in Deutschland direkt profitiert.“

Die Messungen im Detail
Die Strahlungsmessungen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem
staatlichen Unternehmen SSE Ecocentre, das mit der Umweltüberwachung in
der Sperrzone betraut ist. Es wird ausschließlich der ukrainische Teil der
Sperrzone untersucht. Der belarussische Teil der Sperrzone wird nicht
überflogen und nicht betreten. Die Messergebnisse werden den ukrainischen
Partner-Institutionen des BfS zur weiteren Nutzung übergeben.

Während der Messungen werden zwei Hubschrauber der Fliegergruppe der
Bundespolizei mit Pilot*innen der Bundespolizei und Expert*innen des BfS
sowie bis zu vier Boden-Messteams, in denen Fachleute des BfS und aus der
Ukraine zusammenarbeiten, im Einsatz sein. Von den Hubschraubern aus
erfolgt die großräumige Untersuchung der radiologischen Situation in der
Sperrzone. Dafür wird die Sperrzone in kleinere Gebiete unterteilt, die
nach und nach systematisch überflogen werden. Die Einsatzgebiete der
Bodenmessteams werden von der Einsatzleitung tagesaktuell anhand der
bereits vorhandenen Ergebnisse der Hubschraubermessungen festgelegt. Die
Messungen am Boden dienen der Qualitätssicherung der Hubschraubermessungen
sowie der kleinräumigeren Untersuchung von Gebieten, die vom Hubschrauber
aus als auffällig identifiziert wurden.

Während des Messeinsatzes steht die Sicherheit der Messteams an erster
Stelle. Jede unnötige Strahlenbelastung wird vermieden. Die zusätzliche
Strahlenbelastung wird voraussichtlich geringer sein als bei einem
Langstreckenflug nach New York und wieder zurück. Zum Schutz vor Corona
wurde ein umfassendes Hygienekonzept ausgearbeitet.

Zusammenarbeit von Bundesamt für Strahlenschutz und Bundespolizei
Mit Strahlungsmessungen von Hubschraubern aus lassen sich innerhalb kurzer
Zeit große Gebiete auf radioaktive Kontaminationen hin untersuchen. Neben
der Schnelligkeit ist von Vorteil, dass sich auch Gebiete untersuchen
lassen, die vom Boden aus nicht zugänglich sind.
Zur Bestimmung am Boden abgelagerter radioaktiver Stoffe aus der Luft
arbeiten das BfS und die Bundespolizei seit vielen Jahren eng zusammen:
Die Bundespolizei stellt dabei Hubschrauber und deren Besatzung zur
Verfügung. Expert*innen des BfS führen die Messungen durch und stellen den
Strahlenschutz aller Beteiligten sicher. Regelmäßige Übungen erhalten die
Einsatzbereitschaft. In einem radiologischen Notfall kann eine Fläche von
rund 100 Quadratkilometern innerhalb von etwa drei Stunden überflogen und
kartiert werden. Die Messresultate liegen bereits kurz nach der Landung
vor.

Bundesamt für Strahlenschutz
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) arbeitet für den Schutz des
Menschen und der Umwelt vor Schäden durch Strahlung. Das BfS informiert
die Bevölkerung und berät die Bundesregierung in allen Fragen des
Strahlenschutzes. Die über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerten
Strahlenrisiken, überwachen die Umweltradioaktivität, unterstützen aktiv
im radiologischen Notfallschutz und nehmen hoheitliche Aufgaben wahr,
darunter im medizinischen und beruflichen Strahlenschutz. Ultraviolette
Strahlung und strahlenrelevante Aspekte der Digitalisierung und
Energiewende sind weitere Arbeitsfelder. Als wissenschaftlich-technische
Bundesoberbehörde betreibt das BfS Forschung und ist mit nationalen und
internationalen Fachleuten vernetzt. Weitere Informationen unter
www.bfs.de.