Zum Hauptinhalt springen

Statement - Verlängerte AKW-Laufzeiten schaffen politischen Spielraum

Prof. Dr. Sonja Peterson (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw/sonja-
peterson/
), Umweltökonomin am IfW Kiel, kommentiert die aktuelle Debatte
um verlängerte Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke:

„Der mögliche Weiterbetrieb noch laufender Atomkraftwerke erweitert für
Deutschland den Möglichkeitsraum und schafft politischen Spielraum, auch
auf europäischer Ebene. Der Beitrag für die deutsche Energiesicherheit ist
hingegen begrenzt. Grob überschlagen kann der jetzige Atomstrom nur etwa
fünf Prozent der Gasnachfrage in Deutschland ersetzen. De facto ist es
noch weniger, weil Atomkraft nur die Grundlast, nicht aber wie Gaskraft
die Spitzenlast abdecken kann. Dennoch sind in der aktuell extrem
unsicheren Lage prinzipiell alle Möglichkeiten, Gas zu sparen, nützlich,
erweitern die politischen Handlungsmöglichkeiten und dämpfen den
Strompreisanstieg. Die hohe Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas
ist durch politische Entscheidungen selbst verursacht, weshalb einige
europäische Partner eine verlängerte Laufzeit der deutschen AKWs als
Voraussetzung sehen, um Deutschland in der Gasversorgung zu unterstützen.

Gegenüber den bereits als Versorgungsreserve reaktivierten
Kohlekraftwerken spart der mögliche Weiterbetrieb der AKWs CO2-Emissionen
und ist – sofern die Wartungs-, Erneuerungs- und Haftungskosten nicht zu
hoch sind, – auch wirtschaftlich. An der mittel- bis langfristigen
Sinnhaftigkeit der Atomkraft hat die jetzige Krise nichts geändert: Der
Atomkraft bleibt eine teure, risikobehaftete und konfliktträchtige
Technologie, die nicht zu einem auf erneuerbare Energien basierenden
Stromsystem passt.“

  • Aufrufe: 87

Fachkräftestrategie der Bundesregierung für „Starke Schiene“ überfällig

Die Bundesregierung hat für die Zukunft klare verkehrspolitische Ziele gesetzt: Verdoppelung der Verkehrsleistung bis zum Jahr 2030 und Steigerung des Schienengüterverkehrsanteils auf 25 % sind zwei davon. Diese Ziele erweisen sich als eine enorme Herausforderung an den weiteren Ausbau der Infrastruktur und deren Finanzierung. Die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene verlangt ein leistungsfähiges Schienennetz. Mit einem gewaltigen Bau-Erneuerungsprogramm soll dessen großflächige Modernisierung erfolgen.

 

Der Investitionshochlauf bedarf einer Vielzahl von gut ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften für das Planen und Bauen sowie für Betrieb und Instandhaltung der Infrastruktur. Dies gilt genauso für das Personal der Verkehrsunternehmen. „Wenn auf fünf Ingenieurstellen nur eine Bewerbung kommt, dann wird es eng“, so Dr. Thomas Mainka, Präsident des Verbandes Deutscher Eisenbahn-Ingenieure e.V. (VDEI).

 

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften stellt bereits heute ein großes Hindernis für Investitionen in der gesamten Bahnbranche dar. Um der Nachfrage gerecht zu werden, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Dazu gehört primär die Erhöhung der Studierendenzahlen in den MINT-Fächern, insbesondere in den bahnbezogenen Studiengängen. Hier braucht es besondere Programme, die bereits in den Schulen ansetzen. Der Trend, dass an einzelnen Hochschulen bahnbezogene Professur-Stellen abgebaut werden, ist zu stoppen. Die bahnbezogenen Studiengänge an den Hochschulen müssen erhalten, gestärkt und nach Möglichkeit erweitert werden.         

 

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass eine mehr Fortschritt wagende „Fachkräftestrategie und die Nationale Weiterbildungsstrategie“ vorzulegen ist. Der Verband begrüßt diese Absicht ausdrücklich. Mainka fordert: „Jetzt müssen Taten folgen, aber es wird nur in einer gemeinsamen Aktion mit den Bildungseinrichtungen, den zuständigen Ministerien und den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen funktionieren. Wir begrüßen es, wenn das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hier eine Führungsrolle übernehmen würde“. Der VDEI bietet schon jetzt seine Mitarbeit an.

  • Aufrufe: 81

Arbeitsmarktintegration ukrainischer Flüchtlinge: Voraussetzungen geschaffen, Umsetzung entscheidet

Ob und wie ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland die
Arbeitsmarktintegration gelingt, hängt nicht nur von einem gesicherten
Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang ab – diese Voraussetzungen wurden
mit der kollektiven Anerkennung und weiteren Regelungen geschaffen. Um
prekäre Arbeitsverhältnisse zu verhindern, müssen individuelle und
strukturelle Risikofaktoren berücksichtigt und abgemildert werden, so der
wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und
Migration (SVR) zu Ergebnissen aus einem aktuellen Forschungsprojekt.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde untersucht, welche rechtlichen und
strukturellen Teilhabebeschränkungen zu prekären Arbeitsverhältnissen
führen können und was dies für eine erfolgreiche Integration ukrainischer
Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bedeutet. Die Voraussetzungen sind
grundsätzlich gut: Durch die Aktivierung der sog. EU-Massenzustrom-
Richtlinie wurden ukrainische Flüchtlinge kollektiv anerkannt; sie haben
ein Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis. Zugleich wurden sie in
Deutschland dem Rechtskreis des Sozialgesetzbuchs zugeordnet; dadurch
wurden zentrale rechtliche Teilhabebeschränkungen abgebaut. „Bei den nach
Deutschland geflohenen Menschen aus der Ukraine handelt es sich außerdem
überwiegend um gut ausgebildete Arbeitskräfte. Zusammen mit den
geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingungen trägt das dazu bei, dass ihr
Risiko, in ein prekäres Arbeitsverhältnis zu kommen, deutlich geringer ist
– ganz ausgeschlossen ist es aber nicht“, sagt Dr. Holger Kolb, Leiter des
Forschungsprojekts. Besonders wichtig sei deshalb, wie die Regelungen
behördlich umgesetzt würden. „Es handelt sich hier um administratives
Neuland. Es fehlen Informationen und Routinen. Konkret geht es deshalb
darum, wie schnell und reibungsarm Leistungsauszahlung, Weiterbildung und
Arbeitsvermittlung im Falle der Flüchtlinge erfolgen, wie gut sie
ineinandergreifen und ob dabei individuelle Faktoren berücksichtigt werden
können. Es geht um Fragen der Kinderbetreuung, des Spracherwerbs, der
Beratung zu sozial- und arbeitsrechtlichen Themen und der zügigen
Anerkennung von Qualifikationen“, erläutert Dr. Kolb.

Als Vergleichsgruppe für die Arbeitsmarktintegration wurden ukrainische
Staatsangehörige betrachtet, die insbesondere seit dem Wegfall der
Visumpflicht im Jahr 2017 vermehrt im deutschen Niedriglohnsektor
beschäftigt sind. „Diese Menschen arbeiten überwiegend im juristischen
Nischen- und Graubereich des deutschen Arbeitsmarkts, was mit erheblichen
rechtlichen und strukturellen Teilhabebeschränkungen verbunden ist“,
berichtet Dr. Franziska Loschert, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin.
Die Auswertung qualitativer Interviews von Fachleuten ergab, dass vor
allem solche ukrainischen Betreuungskräfte gefährdet sind, die über
private Vermittlungsagenturen mit polnischen Dienstleistungsverträgen in
deutschen Privathaushalten arbeiten. „In der Branche wird diese
Vereinbarung ‚Müllvertrag‘ genannt: Die Beschäftigten haben häufig keinen
Anspruch auf Urlaub oder Krankengeld, sie sind sofort kündbar und es
werden keine oder nur geringe Sozialversicherungsbeiträge für sie gezahlt.
Das bedroht auch langfristig ihre finanzielle Sicherheit und soziale
Teilhabe. Besonders problematisch ist, dass sie meist unangemeldet in
Deutschland arbeiten; das macht sie wehrlos gegen Arbeitsrechtsverstöße
und ebnet den Weg in die Prekarität“, so Dr. Loschert.

Ukrainische Flüchtlinge haben hier aufgrund des ihnen von der EU
zuerkannten Kollektivschutzes eine weitaus bessere Ausgangsposition. „Ein
gesicherter Aufenthaltsstatus wie hier über § 24 Aufenthaltsgesetz kann
grundsätzlich das Risiko mindern, in prekäre Arbeits- und
Lebensverhältnisse zu rutschen“, fasst Franziska Schork, wissenschaftliche
Projektmitarbeiterin, die Forschungsergebnisse zusammen. Für eine
erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt müssten aber noch weitere
Faktoren berücksichtigt werden. So bilden Flüchtlinge generell eine
besonders vulnerable Gruppe. „Viele haben traumatische Erfahrungen
gemacht, nahestehende Menschen und Besitz zurückgelassen oder gar
verloren. Ein Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine sind Frauen – viele
von ihnen haben Kinder, für die sie verlässliche und erreichbare
Betreuungsangebote brauchen. Auch eine individuelle und gen-dersensible
Beratung ist wichtig, um auf Berufswünsche und -fähigkeiten der Frauen
eingehen zu können“, ergänzt Schork.

In Bezug auf die Arbeitsmarktintegration sind verschiedene Szenarien
denkbar. „Im besten Fall gelingt den Flüchtlingen nicht nur eine schnelle,
sondern auch eine ihren individuellen Qualifikationen angemessene
Integration in den Arbeitsmarkt. Voraussetzung dafür ist vor allem die
schnelle Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Dies wäre auch
angesichts des akuten Fachkräftemangels das beste Szenario,“ erläutert
Projektleiter Dr. Holger Kolb. Bei einer Beschäftigung unterhalb ihrer
Qualifikation könnten Flüchtlinge dagegen schnell in eine
Dequalifizierungsspirale geraten. „Das Risiko erhöht sich, wenn sie unter
dem Druck stehen, möglichst schnell eine Beschäftigung aufzunehmen, etwa
weil sich Leistungsauszahlungen verzögern, die Anerkennung von
Qualifikationen nicht beantragt wird oder sehr viel Zeit und Ressourcen in
Anspruch nimmt, wenn Sprachkenntnisse unzureichend sind oder
Beratungsangebote fehlen. Als Folge können sich prekäre Arbeits- und
Lebensbedingungen verfestigen“, so Dr. Kolb.

Das von der Mercator Stiftung geförderte Forschungsprojekt „Prekäre
Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften und Perspektiven für ihre
Teilhabe in Deutschland“ des wissenschaftlichen Stabs des SVR untersucht
die Teilhabehürden und Teilhabechancen von zugewanderten Arbeitskräften
aus EU- und Drittstaaten im Niedriglohnsektor systematisch und soll Wege
aufzeigen, wie Teilhabehürden überwunden werden können. Das Projekt läuft
bis September 2023.

  • Aufrufe: 91

Demokratieforschung in Zeiten politischen Klimawandels – DVPW tagt an der Europa-Universität Viadrina

Mit welchen politischen Strategien lässt sich dem Erstarken von
Autoritarismus, Extremismus und Populismus in Europa und weltweit
begegnen? Wie bewältigen liberale Demokratien unbeschädigt die
Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, ökologische und finanzielle
Krisen und den russischen Angriffskrieg?

Diese Fragen diskutieren internationale Expertinnen und Experten auf der
politikwissenschaftlichen Tagung mit dem Titel „Political Climate Change“,
die am Mittwoch, dem 22., und am Donnerstag, dem 23. September 2022, an
der Europa-Universität Viadrina im Logensaal (Logenstraße 11) stattfindet.

Die Tagung ist eine Kooperationsveranstaltung des Instituts für
Europastudien (IFES) der Europa-Universität Viadrina mit den
Arbeitskreisen „Demokratieforschung“ und „Vergleichende Diktatur- und
Extremismusforschung“ der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft
(DVPW). Sie findet auf Englisch und Deutsch statt und will den Austausch
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern, die
Demokratieforschung aus regionaler, europäischer und globaler Perspektive
betreiben.

„Seit einigen Jahren erleben wir vor allem in Demokratien einen Wandel bei
politischen Auseinandersetzungen. Es geht nicht mehr um das bessere
Argument, sondern um das Diskreditieren anderer Meinungen. Politische
Gemeinsamkeiten erodieren, aus politischen Kontrahenten sind politische
Feinde geworden. Langfristig gefährdet das die Demokratie, so wie die
globale Erwärmung langfristig die Lebensbedingungen der Menschheit
verändert und möglicherweise gefährdet. Die Beiträge der Konferenz widmen
sich beiden Komplexen und diskutieren sie vor einem gemeinsamen Horizont“,
sagt Dr. Timm Beichelt, Inhaber der Viadrina-Professur für Europastudien
und einer der Organisatoren der Tagung.

Die Tagung richtet sich an ein Fachpublikum, eine vorherige Anmeldung bis
spätestens 4. September 2022 ist notwendig:
https://forms.gle/rui6gyQerzhxB1n66

  • Aufrufe: 84