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DDG: Haushaltsentwurf 2023 befeuert Engpässe in der Diabetesversorgung und Kostenexplosion im Gesundheitswesen

Die Bundesregierung tritt beim Haushaltsplan 2023 auf die Kostenbremse und
kürzt die ursprünglich vorgesehenen drei Millionen Euro jährlich für die
Diabetes-Prävention- und Versorgung um 64 Prozent. Damit werden sich
Versorgungengpässe weiter verschärfen und die Kosten im Gesundheitssystem
dramatisch erhöhen. 2020 noch verpflichtete sich die Bundesregierung mit
einer Nationalen Diabetesstrategie Prävention zu stärken, Versorgung zu
verbessern und Forschung zu fördern, um die Diabetes-Pandemie einzudämmen
und eine damit einhergehende Überlastung des Gesundheitssystem zu
vermeiden.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert den mangelnden Willen
der Politik, gemachte Zusagen umzusetzen und eine Gesundheitspolitik mit
Weitsicht zu betreiben.

Über 8,5 Millionen Menschen in Deutschland haben einen diagnostizierten
Diabetes Typ 2. Mit circa 500.000 Neuerkrankungen jährlich werden bis 2040
schätzungsweise 12 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sein.
Bereits 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Diabetes als
pandemische nichtübertragbare Krankheit eingeschätzt und nationale
Strategien zur Diabetesbewältigung angemahnt. Ein wichtiges Ziel ist es
daher, die Zahl der Neuerkrankungen zu senken. Gezielte
Präventionsmaßnahmen sollen es allen Menschen in Deutschland leichter
machen, sich gesund zu ernähren. Die DDG spricht sich daher bereits seit
Jahren für die steuerliche Entlastung von Obst und Gemüse sowie eine
Herstellerabgabe auf gesüßte Erfrischungsgetränke aus. Auch die Versorgung
der Millionen Erkrankten muss zukunftssicher weiterentwickelt werden:
Heute schon kommen jährlich 300.000 Patientinnen und Patienten mit
Diabetes ins Krankenhaus und können immer häufiger nicht angemessen
versorgt werden: Viele Krankenhäuser halten keine Fachabteilungen und
Expertise für Diabetes vor.
Während dem Bundesministerium für Gesundheit seit dem Haushaltsjahr 2016
zusätzliche drei Millionen Euro jährlich für Maßnahmen der
Diabetesbekämpfung zur Verfügung standen, sind es jetzt 3,2 Millionen Euro
auf drei Jahre verteilt „Der Haushaltsentwurf bremst damit viele sinnvolle
Maßnahmen zur Diabetes-Prävention und -Versorgung brutal aus  – und das
durch die Hintertür“, so DDG-Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu,
kommissarischer ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und
Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.
Mit der Kürzung der Finanzmittel im aktuellen Haushaltsentwurf rückt die
Konkretisierung und Umsetzung der Diabetesstrategie in immer weitere
Ferne. „Wenn Maßnahmen im Kampf gegen Diabetes reduziert statt ausgebaut
werden, wird das zu einer weiteren Kostenexplosion im Gesundheitssystem
führen“, kritisiert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. Schon heute
verursacht die Krankheit 21 Milliarden Euro im deutschen
Gesundheitssystem, das sind elf Prozent aller direkten
Krankenversicherungsausgaben. Der überwiegende Anteil entfällt auf die
Behandlung von Folgeerkrankungen durch Diabetes an Gefäßen, Herz, Nieren
oder Augen. „Außerdem wird es zu Versorgungsengpässen kommen, da die
stetig steigende Zahl erkrankter Menschen in Zukunft aufgrund des
Fachkräftemangels nicht mehr angemessen versorgt werden kann“, kritisiert
DDG-Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz.
Schon im Vorfeld des Haushaltsentwurfs hatte die DDG vergeblich das
Gespräch mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach gesucht. „Die
wiederkehrenden Absagen deuten darauf hin, dass das Ministerium das
Problem nicht erkannt hat und die Auswirkungen der chronischen Krankheit
weiter unterschätzt. Der vorliegende Haushaltsplan macht das auf
dramatische Weise deutlich“, so Bitzer. Noch wäre Zeit, die Pläne
anzupassen: Die DDG-Expertinnen und Experten stehen gerne bereit,
gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium über die Maßnahmen für
Prävention und Versorgung zu sprechen, die in der jetzigen, wirtschaftlich
angespannten Situation unverzichtbar sind und daher zwingend finanzielle
Unterstützung benötigen.

Übersicht zu den politischen Forderungen der DDG:
<https://www.ddg.info/politik/veroeffentlichungen/gesundheitspolitische-
veroeffentlichungen>

Empfehlungen zur Nationalen Diabetesstrategie:
<https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Politische_Empfehlungen_DDG_2021.pdf>

Gemeinsame Stellungnahme DDG/DZD/DGE zur Versorgung von Menschen mit
Diabetes und endokrinen Erkrankungen:
<https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/06_Gesundheitspolitik/03_Veroeffentlichungen
/Positionspapier-Lehrstuehle-DDG-DZD-DGE.pdf
>

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Ukraine Support Tracker: USA weiten Zusagen deutlich aus, Europa hinkt hinterher

Die USA haben ihre Unterstützungszusagen für die Ukraine in den
vergangenen Wochen erneut deutlich ausgeweitet. Aus großen europäischen
Ländern kamen hingegen nur wenige neue Zusagen. Zudem kommen die von EU-
Ländern angekündigten Hilfen bislang nur zögerlich in der Ukraine an. Das
ergeben die Auswertungen für das jüngste Update des Ukraine Support
Trackers. Die Analyse zu schweren Waffen wurde für dieses Update nochmal
deutlich ausgeweitet.

Im nun zusätzlich für den Ukraine Support Tracker erfassten Zeitraum (4.
August bis 3. Oktober) haben die USA neue Zusagen im Umfang von knapp 12
Mrd. Euro gemacht und kommen nun auf insgesamt gut 52 Mrd. Euro an
militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe. Die europäischen Länder
und EU-Institutionen weiteten ihr Engagement im gleichen Zeitraum nur um
rund 1,4 Mrd. Euro aus und erreichen jetzt gemeinsam knapp 29 Mrd. Euro.
„Die USA engagieren sich jetzt beinahe doppelt so stark wie alle EU-Länder
und die EU-Institutionen insgesamt. Große europäische Staaten zeigen hier
ein schwaches Bild, zumal viele ihrer gemachten Zusagen auch nur sehr
verzögert in der Ukraine ankommen. Das niedrige Volumen neuer Zusagen im
Sommer scheint sich nun systematisch fortzusetzen“, sagt Christoph
Trebesch, Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt, und
Forschungszentrumsdirektor am IfW Kiel. „Die US-Regierung ist ein sehr
viel verlässlicherer Partner für die Ukraine als die größten EU-Länder. So
sind etwa die seit April versprochenen EU-Finanzhilfen immer noch nicht
ausgezahlt.”

Erstmals hat der Ukraine Support Tracker ausgewertet, welche Anteile ihrer
Bestände an Panzern, Haubitzen und Raketenwerfern verschiedene Länder an
die Ukraine abgegeben haben. Demnach machen die Lieferungen rund 2 Prozent
der gesamten Bestände an Panzern in NATO- und EU-Ländern aus, 4 Prozent an
den Haubitzen und 5 Prozent der Mehrfachraketenwerfer. Unter den großen
EU-Ländern haben inzwischen auch Deutschland und Frankreich signifikante
Anteile ihrer Bestände in die Ukraine geliefert. Deutschland hat der
Ukraine jeweils 12 Prozent seiner Haubitzen und Mehrfachraketenwerfer zur
Verfügung gestellt, Frankreich 15 Prozent seiner Mehrfachraketenwerfer.

Gleichzeitig sind die Gesamtzusagen Deutschlands für Waffenhilfe seit
Monaten nicht erweitert worden. Sie bleiben unverändert bei 1,2 Mrd. Euro.
Aus Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien blieben neue Zusagen
in den letzten 2 Monaten ebenfalls weitgehend aus.

Über den Ukraine Support Tracker

Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische,
finanzielle und humanitäre Hilfen, die der Ukraine seit dem 24. Januar
2022 (aktuell bis zum 3. Oktober 2022) zugesagt wurden. Berücksichtigt
sind 40 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7,
Australien, Südkorea, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die Türkei,
China, Taiwan und Indien. Erfasst sind Zusagen, die Regierungen dieser
Länder der ukrainischen Regierung gemacht haben; Hilfszusagen der EU-
Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat aufgeführt;
private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie des IWF
sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht mitgezählt sind
Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder andere Länder –
etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.

Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte
internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel
Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von
Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In
Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.

Der Ukraine Support Tracker wird laufend erweitert, korrigiert und
verbessert. Anregungen dazu sind sehr willkommen und können gerne an
mailto:ukrainetracker@ifw-kiel.de geschickt werden.

Mehr Informationen und die kompletten Daten finden Sie auf der Webseite:
https://www.ifw-kiel.de/de/themendossiers/krieg-gegen-die-ukraine/ukraine-
support-tracker/


Mehr zur Methodik des Ukraine Support Trackers steht in einem vertiefenden
Kiel Working Paper (https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=17204)

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Tunesien: Krisenübung zu Lebensmittelsicherheit

Praxistest soll helfen, im Ernstfall vorbereitet zu sein

Weltweit ist es die Aufgabe der für die Lebensmittelsicherheit
verantwortlichen Behörden, in Krisen schnell, effizient und angemessen zu
reagieren sowie die Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren schützen.
Für einen Praxistest des tunesischen Krisenmanagementsystems kamen in
Tunis rund 50 tunesische Behördenvertreterinnen und -vertreter vom 4. bis
6. Oktober 2022 zusammen. Mit Unterstützung von Expertinnen und Experten
des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Bundesamts für
Verbraucherschutz und Lebensmittel (BVL) simulierten sie einen
lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch.

Insbesondere lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche können sich schnell
zu krisenhaften Ereignissen entwickeln. Um eine erfolgreiche
Krisenbewältigung zu proben, übten das BVL und das BfR als Teil eines
Projekts zu Lebensmittelsicherheit und gesundheitlichem Verbraucherschutz
in Tunesien gemeinsam mit den tunesischen Behörden für
Lebensmittelsicherheit INSSPA (Instance Nationale de la Sécurité Sanitaire
des Produits Alimentaires) und ANCSEP (Agence Nationale de Contrôle
Sanitaire et Environnemental des Produits, künftig ANER) eine Krise.

Vertreterinnen und Vertreter des tunesischen Gesundheitsministeriums und
weiterer Ministerien, der Risikomanagementbehörde INSSPA und der
Risikobewertungsbehörde ANCSEP sowie von Laboren und regionalen Behörden
probten den Ernstfall, wobei die Verbreitung kontaminierter Lebensmittel
simuliert wurde. Hier war dann auch schnelles Handeln gefragt. Denn über
eine erfolgreiche Ausbruchsaufklärung entscheidet der rasche
Informationsaustausch zwischen den Behörden des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes auf allen Ebenen.

Expertinnen und Experten von BVL und BfR hatten ein herausforderndes
Szenario und Hintergrundinformationen für die Übung bereitgestellt und ihr
Wissen für eine erfolgreiche Krisenvorsorge, Ausbruchsbekämpfung und
Krisenkommunikation geteilt. Die Übung wurde zuvor genau auf die
Begebenheiten in Tunesien angepasst und sehr realitätsnah ausgestaltet,
ergänzt durch die Simulation einer Pressekonferenz über das
Ausbruchsgeschehen.

Die Einbeziehung verschiedener Partnerinstitutionen in den Workshop bot
die einzigartige Gelegenheit, das gesammelte Fachwissen aller
Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu nutzen, und das derzeitige
Krisenmanagementsystem für Lebensmittelsicherheit in Tunesien auf den
Prüfstand zu stellen sowie Schlussfolgerungen für dessen zukünftige
Entwicklungen zu ziehen.

Deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren ebenfalls, denn mit
der zunehmenden Globalisierung des Lebensmittelmarktes können lokale
lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche eine grenzüberschreitende oder
sogar multinationale Bedeutung erlangen. Routine beim Erkennen, Melden,
Untersuchen und Kontrollieren sind notwendig, um im Falle eines Ausbruchs
ein schnelles Handeln der Behörden zu garantieren.

Zum Hintergrund

Das BfR und das BVL kooperieren auf verschiedenen Ebenen mit Behörden
anderer Staaten. Sie verfolgen mit diesem internationalen Engagement das
Ziel, über Partnerschaften die Lebensmittelsicherheit in den
Erzeugerländern nachhaltig zu stärken und so auch auf diesem Wege ein
hohes Verbraucherschutzniveau in Deutschland und Europa zu gewährleisten.

Im Jahr 2019 trat in Tunesien ein neues Lebensmittelsicherheitsgesetz in
Kraft, das den Aufbau effektiver behördlicher Strukturen für
Risikobewertung, Risikomanagement und Risikokommunikation vorsieht.
Gemeinsam unterstützen BfR und BVL die tunesischen Partner bei der
Umsetzung.

Das Projekt „Stärkung der Lebensmittelsicherheit und des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes in Tunesien“ ist das erste Vorhaben, das auf der
„Vereinbarung über die Einbindung von Einrichtungen des BMEL
(Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) - Geschäftsbereichs
in Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit“ basiert. Der Zweck ist die
Einbindung des Geschäftsbereichs des BMEL in die
Entwicklungszusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (BMZ).

Über das BVL

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist
eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Das BVL trägt
mit vielfältigen Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit bei. Im
Krisenmanagement hat das BVL eine koordinierende Aufgabe. Es spricht
außerdem Zulassungen aus und koordiniert gemeinsam mit den Bundesländern
Überwachungsprogramme. Im Rahmen des europäischen Schnellwarnsystems sorgt
das BVL für den Informationsfluss zwischen der EU und den Bundesländern.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich
unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die
Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und
Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in
engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

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Gut 6,6 Millionen Beschäftigte profitieren von Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro

Neue Studie des WSI

Gut 6,6 Millionen Beschäftigte profitieren von Mindestlohnerhöhung auf 12
Euro – Studie liefert Daten für alle Städte und Landkreise

Rund 6,64 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland
werden von der Mindestlohnerhöhung zum 1. Oktober profitieren, weil sie
aktuell weniger als 12 Euro brutto pro Stunde erhalten. Das entspricht
17,8 Prozent aller Beschäftigten, die einen gesetzlichen Anspruch auf den
Mindestlohn haben (also ohne Auszubildende und Schüler in Minijobs, die
vom Mindestlohngesetz ausgenommen sind). In Ostdeutschland liegt die Quote
bei 29,1 Prozent, in Westdeutschland, inklusive Berlin, bei 16,1 Prozent.
Im bundesweiten Vergleich am höchsten ist der Anteil der Beschäftigten,
die im Zuge der Mindestlohnerhöhung Anspruch auf eine Entgelterhöhung
haben, in den Kreisen Sonneberg in Thüringen (44,0 Prozent), Teltow-
Fläming (Brandenburg; 43,1 Prozent), Saale-Orla (Thüringen; 40,0 Prozent)
und Vorpommern-Rügen (39,0 Prozent). Am niedrigsten ist der Anteil der
Beschäftigten, die aktuell noch unter 12 Euro die Stunde verdienen, in
Wolfsburg (7,9 Prozent), Erlangen (8,1 Prozent), dem Landkreis München
(9,7 Prozent) und in Stuttgart (10,3 Prozent). Das ergibt eine neue Studie
des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-
Böckler-Stiftung, die detaillierte Daten für alle Bundesländer und die 400
deutschen Landkreise und kreisfreien Städte liefert (siehe auch die
interaktive Karte sowie die ausführlichen Datenblätter; Link unten).* Die
regionale Verteilung steht im Einklang mit dem Ergebnis einer WSI-Studie
von 2021, die zeigte, dass die Anhebung des Mindestlohns vor allem die
Entlohnung von Beschäftigten ohne Tarifvertrag verbessert. Unter den 6,64
Millionen Menschen mit Stundenlöhnen unter 12 Euro sind knapp 2,55
Millionen Vollzeitbeschäftigte, 1,81 Millionen Teilzeitbeschäftigte und
knapp 2,29 Millionen Personen, die als einzige Beschäftigung einen Minijob
haben.

„Der Mindestlohn von 12 Euro bringt vielen Beschäftigten eine spürbare
Lohnsteigerung in einer Zeit, in der das wegen hoher Preise bei Energie
und Lebensmitteln besonders wichtig ist. Und das ohne absehbare
Auswirkungen auf die Beschäftigung, wie zum Beispiel eine aktuelle
Befragung unter den Arbeitsagenturen ergibt“, sagt WSI-Arbeitsmarktexperte
Dr. Eric Seils, der die Studie zusammen mit seinem Kollegen Dr. Toralf
Pusch verfasst hat. „Die Mindestlohnerhöhung trägt regional breit
gefächert zur Stabilisierung der Kaufkraft bei“, ergänzt Pusch. Damit
setze sich ein Effekt fort, den das WSI in einer kürzlich veröffentlichten
Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission schon für die Jahre nach der
Einführung der gesetzlichen Untergrenze nachgewiesen hat: Spürbare
Einkommensverbesserungen, die insbesondere in ärmeren Regionen mit hoher
Bedeutung des Mindestlohns wirken und den Konsum stärken.**

In ihrer Untersuchung haben Pusch und Seils das Sozio-oekonomische Panel
(SOEP) und die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und
der Bundesagentur für Arbeit verwendet und bis September 2022
fortgeschrieben. Damit können die WSI-Forscher eine Hochrechnung zur Zahl
der Beschäftigten vorlegen, die aktuell für weniger als 12 Euro arbeiten,
und diese auf die Ebene der Bundesländer, kreisfreien Städte und
Landkreise herunterbrechen.

Schaut man auf die Bundesländer, ist in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil
der Beschäftigten, die von 12 Euro Mindestlohn profitieren, mit 31,2
Prozent am höchsten, gefolgt von Thüringen (30,8 Prozent). In absoluten
Zahlen gilt das, wenig überraschend, für die bevölkerungsreichsten
Bundesländer Nordrhein-Westfalen (rund 1,3 Millionen Beschäftigte; Quote
16,8 Prozent) und Bayern (gut 930.000, Quote 14,7 Prozent). Unter den
deutschen Millionenstädten weist Berlin mit 17,8 Prozent und knapp 305.000
Personen die höchste Quote und absolute Zahl der Betroffenen auf. Mit
Blick auf den Anteil folgen Hamburg (14,7 Prozent; gut 160.000), Köln
(14,5 Prozent; gut 94.000 Personen) und München (11,1 Prozent; gut
107.000).

Die Analyse zeigt auch, dass sich die Betroffenheit von niedrigen Löhnen
erheblich nach Typ der Beschäftigung und Arbeitszeit unterscheidet: Mit
Abstand am größten ist der Anteil unter Minijobbenden ohne weiteres
Arbeitsverhältnis: Knapp 80 Prozent von ihnen verdienen aktuell noch
weniger als 12 Euro die Stunde. Unter Teilzeitbeschäftigten sind es 20,1
Prozent und bei Vollzeitbeschäftigten 9,9 Prozent.

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