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Auto/Motor

„Ein Auto mit Elektroantrieb ist nicht per se umweltfreundlich“ - Professor Dirk Reith im Interview zur E-Mobilität

Die Autos für den Stadtverkehr müssen sollten kleiner und leichter werden,
sagt Professor Dirk Reith. Der Wissenschaftler von der Hochschule Bonn-
Rhein-Sieg (H-BRS) beschäftigt sich mit Energieeffizienz und
Ressourcenschonung und trägt den Nachhaltigkeitsgedanken in die
ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge hinein. Er sagt auch: Künstliche
Intelligenz wird uns bei der Mobilitätswende helfen.

Herr Professor Reith, wenn ich mich im Umfeld der Hochschule umschaue,
sehe ich: E-Auto-Ladestation, Carsharing-Stellplätze, Leihfahrräder,
Elektro-Roller. Haben wir alles beisammen für die Verkehrswende?

Dirk Reith: Nicht jeder hat unterschiedliche Mobilitätsangebote vor der
Haustür, die dem individuellen Bedarf gerecht werden und außerdem
nachhaltig sind. Wir brauchen sicherlich noch mehr und andere technische
Lösungen für den Individualverkehr, die in einem umfassenden Sinn
zukunftsträchtig sind. Das heißt, wir brauchen Lösungen für den
Stadtverkehr und die Langstrecke. Aus technischer Sicht sind die
Anforderungen jeweils andere, sodass die Produkte unterschiedlich
beschaffen sein müssen – jedenfalls dann, wenn man den Gedanken der
Nachhaltigkeit ernst nimmt. Die Fahrzeuge für den Nahbereich etwa werden
kleiner und leichter werden  sein müssen.

Was spricht denn gegen ein großes, komfortables Auto, solange es
Elektroantrieb hat?

Reith: Ein Auto mit Elektroantrieb ist nicht per se umweltfreundlich. Es
kommt sehr darauf an, was für Komponenten verbaut sind, welche Materialien
verwendet wurden – und was es wiegt. Ökobilanz ist hier das Stichwort. Und
es kommt darauf an, wie es eingesetzt wird. Wirklich ressourcenschonend
werden wir nur unterwegs sein, wenn das Auto für den Stadtverkehr von
Grund auf dafür konzipiert wurde. Das bedeutet zum Beispiel, dass die
Batterien und das Auto insgesamt nur so groß sind wie unbedingt
erforderlich. Und, ja: Wenn wir uns effizient individuell mit einem Auto
fortbewegen wollen, dann werden wir Komforteinbußen hinnehmen müssen. Das
dicke bullige und schwere SUV jedenfalls, auch mit Elektroantrieb, werden
wir uns als Gesellschaft auf Dauer nicht leisten können.

Die Bedenken, mit der kleinen Batterie nicht weit genug zu kommen, lassen
mich als Autokäufer aber vielleicht doch zu dem großen Modell greifen?

Reith: Hier bietet die datengetriebene Mobilität einen sehr interessanten
Ansatz. Künstliche Intelligenz kann uns bei der Optimierung der
Streckenplanung sehr helfen. Wenn der Computer den Anfangs- und den
Endpunkt des Weges und das Fahrzeugmodell mit seinen Eigenschaften kennt,
kann er mich optimal zu meinem Ziel führen. Er kann sogar den Ladezustand
meiner Batterie berücksichtigen und mich guten Gewissens mit 50 Prozent
Kapazität losschicken. Die Technik gibt es, sie ist marktreif. Auch hier
gilt jedoch: eEtwas mehr Planung ist nötig, und damit verliert man eben
etwas Freiheit.

Die Ladedauer sehen manche ohnehin als Problem, schließlich dauert das
Auftanken deutlich länger als bei Diesel oder Benzin.

Reith: Das Batteriemanagement ist ein großes Thema, zunehmend auch bei uns
in der Forschung an der Hochschule. Sehr spannend ist die Kopplung der
Batterien der von Elektroautos mit den Speichernder Stromversorgung der
Häuser und damit mit dem Stromnetz. Wenn etwa der Speicher des Hauses voll
ist, kann der Strom in den Fahrzeugen quasi zwischengelagert werden. Für
die Haustechnik hätte das den Vorteil, dass in Zukunft die
Hausspeichermengen passgenau flexibilisiert werden können. Zudem nutzt man
stets die neueste Batterietechnologie der Fahrzeuge, was aus
Effizienzgründen auch genutzt werden könnte. Und volkswirtschaftlich wäre
es auch von Nutzen wäre.

Inwiefern kann die H-BRS mit ihren Forschungen dazu beitragen, die
Verkehrswende im Sinn der Nachhaltigkeit voranzubringen?

Reith: Wir probieren vieles aus, um Mobilitätsprodukte nachhaltiger zu
machen, um Gewicht zu sparen und naturnähere Materialien zu verwenden. In
Projekten der Formula Student arbeiten wir zum Beispiel ganz konkret
daran, zum Beispiel KunsthHarze durch gleichwertige pflanzenbasierte
Produkte zu ersetzen, recyceltes Aluminium einzubauen oder
lösungsmittelfreie Reinigerden Materialeinsatz computergestützt zu
minimieren zu verwenden. Auch der 3D-Druck, der das Fräsen ersetzt, gehört
fallweise dazu. In Sachen Ökobilanzierung sind übernehmen wir als
Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Forschung und Lehre eine
Vorreiterrolle ganz weit vorne. Und vor allem schicken wir Absolventinnen
und Absolventen auf den Arbeitsmarkt, die im Hinblick auf Nachhaltigkeit
bestens ausgebildet sind, weil unsere natur – wie
ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge schon seit mehr als zehn 10
Jahren darauf ausgerichtet sind. Sie Unsere Alumni werden sicher die
Autos, Züge, Fahrräder und Roller mitentwickeln, mit durch die denen wir
morgen hoffentlich alle mobil sein werden.

Zur Person:

Dirk Reith ist seit dem 1. September 2012 Professor am Fachbereich
Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus der Hochschule Bonn-
Rhein-Sieg und leitet dort als Ko-Direktor das Institut für Technik,
Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE). Er arbeitet vor allem mit
computergestützten, mathematisch-physikalischen Methoden daran,
Anwendungsgebiete in den Ingenieurwissenschaften optimieren. Hierzu zählen
nachhaltige Materialien ebenso wie Prozesse in der Automobilbranche. Er
betreut zudem „BRS Motorsport“, eine studentische Initiative, die seit
mehr als 10knapp 15 Jahren mit einem an der Hochschule entwickelten und
unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gebauten Elektro-Rennwagen an
internationalen Rennen teilnimmt und dabei zur Weltspitze gehört.

Anmerkung für die Redaktionen: An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS)
forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gesellschaftlich
relevanten Themen und Fragestellungen. Unter dem Titel „H-BRS aktuell“
lassen wir in unregelmäßigen Abständen Expertinnen und Experten zu
aktuellen Themen zu Wort kommen. Die Beiträge stellen wir zur
Veröffentlichung bereit (bitte gegebenenfalls nur komplette Frage-Antwort-
Komplexe kürzen).

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CAMIL der Öffentlichkeit vorgestellt

CAMIL ist der Name des neuen selbstfahrenden Busses, der in Kürze den
CAMpus der Technischen Universität Ilmenau mit der Stadt ILmenau verbinden
wird. Zwei automatisiert fahrende, elektrisch angetriebene Kleinbusse
werden im Pendelverkehr vom Bahnhof zum wenige Kilometer entfernten Campus
und zurück fahren, stündlich getaktet mit den Zügen, die die
Landeshauptstadt Erfurt mit Ilmenau verbinden. Heute (15.09.2022) wurden
die Busse in Anwesenheit des thüringischen Ministers für Wirtschaft,
Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Wolfgang Tiefensee der
Öffentlichkeit vorgestellt.

Das vom Ilm-Kreis initiierte CAMIL-Projekt dauerte von der Übergabe des
Förderbescheides an das Ilmenauer Nahverkehrs-Unternehmen IOV bis zum
Start des Linienverkehrs nur gut ein Jahr. Für die Durchführung
beauftragten die Partner, Ilm-Kreis, Stadt Ilmenau und TU Ilmenau,
professionelle, zum Teil marktführende internationale Einrichtungen: Das
Büro autoBus aus Potsdam, Spezialist für die Realisierung automatisierter
Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr, übernahm die Planung; das
Thüringer Innovationszentrum Mobilität, das an der TU Ilmenau angesiedelt
ist, erforschte und entwickelte innovative Funk- und Fahrzeugtechnologien
– im Labor und auf den Ilmenauer Straßen; und der französische Hersteller
EasyMile, der Transportlösungen für den autonomen Personen- und
Güterverkehr entwickelt, lieferte den EZ10, das weltweit am häufigsten
eingesetzte fahrerlose Shuttle.

Der Kick-off

In einer offiziellen Kick-off-Veranstaltung im Rahmen des Thüringer Forums
Mobilität wurden die Busse heute (15.09.2022) an der TU Ilmenau der
Öffentlichkeit vorgestellt. Der thüringische Minister für Wirtschaft,
Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Wolfgang Tiefensee sprach von CAMIL
als einem Projekt, das sehr konkret und sehr handhabbar ist: „Das, was wir
hier machen, ist insofern vorbildlich, als ein Projekt in Gang gesetzt
wird, in dem man Forschungsgegenstände ganz praktisch anfassen kann und
wir so Menschen einbeziehen. Der Freistaat Thüringen wird alles
Erdenkliche tun, dass wir solche Projekte fördern, ausweiten und so unsere
Vorreiterstellung im Mobilitätsbereich mit neuen Ideen, mit neuen
Technologien ausbauen.“

Der Präsident der TU Ilmenau Prof. Kai-Uwe Sattler machte den Nutzen der
Forschung rund um das Projekt deutlich: „CAMIL ist auch ein
Forschungsprojekt: Es geht um künstliche Intelligenz, Antriebstechnik,
Elektronik und um Funktechnik. Und es geht auch um sozialwissenschaftliche
Forschung, darum, herauszufinden, wie die Bevölkerung über CAMIL denkt und
die Medien darüber berichten. Denn was nützt die beste Innovation, wenn
die Leute die Technologie nicht annehmen, weil sie ihr nicht trauen?“

Der Oberbürgermeister von Ilmenau Daniel Schultheiß sieht im CAMIL-Projekt
einen Nutzen für die Zukunft: „Wir holen die Forschung aus den Laboren
nach draußen und machen die Technologie auf der Straße für die Menschen
erlebbar. Und wir ermöglichen einem Verkehrsunternehmen, der IOV,
wertvolle Erfahrungen mit einer neuen Technologie zu sammeln. So sind wir
in der Lage, den Herausforderungen in der Entwicklung des öffentlichen
Personennahverkehrs zu begegnen.“

Die Landrätin des Ilm-Kreises Petra Enders sieht die Entwicklung des
autonomen Nahverkehrs in der Region nicht begrenzt auf die Strecke
zwischen Ilmenauer Bahnhof und Campus der TU Ilmenau: „Ich kann mir gut
vorstellen, dass der öffentliche Personennahverkehr noch attraktiver wird,
wenn autonomes Fahren auf den ganzen Landkreis ausgedehnt wird. Ich
wünsche mir, dass jetzt ganz, ganz viele Menschen den Bus nutzen und wir
dann, nach Projektabschluss, sagen können: Das Projekt war erfolgreich und
wir setzen es an anderer Stelle im Landkreis weiter fort.“

Der Bus

Der Kleinbus EasyMile EZ10 Generation 3 ist für sechs Passagiere
zugelassen, für einen barrierefreien Zugang sorgt eine automatische
elektrische Einstiegsrampe. Elektrisch betrieben und nur gut vier Meter
lang und knapp zwei Meter breit, ist der Bus umweltfreundlich und leise.
Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf öffentlichen Straßen beträgt 18
Kilometer pro Stunde. Um einen sicheren Fahrbetrieb der fahrerlosen Busse
zu gewährleisten – an Bord fährt nur ein Operator für den Notfall mit –,
sind sie mit optischen Sensoren zur Abstands- und Geschwindigkeitsmessung
ausgestattet. Ein sogenanntes Odometrie-System erfasst laufend die
Position und die Orientierung und damit die Navigation der Busse. Ein
redundantes Bremssystem gewährleistet, dass sie bei Störungen rasch und
sicher zum Stehen kommen. Zusätzlich mit Radarsensoren, Mobilfunkmodulen
und Computer ausgerüstet, die vom Thüringer Innovationszentrum Mobilität
entwickelt wurden, navigiert der EZ10 auf einer zuvor elektronisch
eingemessenen Strecke. Sicheres Fahren ist auch bei Regen, Schnee und
Nebel bei Temperaturen von minus 15 bis plus 45 Grad Celsius
gewährleistet.

Die Strecke

Noch im Herbst sollen die beiden Kleinbusse laut Planung in Ilmenau im
regulären Linienverkehr eingesetzt werden und den Bahnhof im Pendelverkehr
mit dem Campus der TU Ilmenau verbinden. Start der Busstrecke ist auf der
Rückseite des Bahnhofs jenseits der Gleise im Neuhäuser Weg. Vor der
Nelson-Mandela-Brücke biegt sie rechts ab und führt durch die
Ehrenbergstraße, wo in Höhe des Technologie- und Gründerzentrums die erste
Haltestelle sein wird. Die Strecke führt weiter vorbei am Ernst-Abbe-
Zentrum und Studierendenwohnheimen, vor der Mensa Ehrenberg wird als
zweiter Halt die bereits bestehende Bushaltestelle genutzt. Nach einem
weiteren Zwischenstopp an der Universitätsbibliothek wird die
Endhaltestelle am Helmholtzplatz vor dem Kirchhoffbau unweit des Audimax‘
erreicht. Auf dem Rückweg führt die Strecke, um Wendemanöver zu vermeiden,
von der Ehrenbergstraße ein kurzes Stück über die Langewiesener Straße
zurück in den Neuhäuser Weg. Eine mögliche Erweiterung der Strecke könnte
in Zukunft von der Gustav-Kirchhoff-Straße über die Straße Am Ehrenberg
rund um das Berufsschulzentrum führen.

Hintergrund

Ende 2019 hatte der Ilm-Kreis eine erste Machbarkeitsstudie zur Umsetzung
des Pilotprojekts beauftragt, dessen Kosten zu 50 Prozent vom Thüringer
Umweltministerium getragen wurden. Dabei wurden geeignete Streckenverläufe
auf ihre technische und rechtliche Umsetzbarkeit überprüft und eine
Empfehlung für die Umsetzung der Strecke vom Ilmenauer Bahnhof zum
Universitätscampus gegeben. Die IOV Omnibusverkehr GmbH Ilmenau, die die
CAMIL-Fahrzeuge betreibt, wurde vom Ilm-Kreis im Jahr 2020 durch einen
Zuschuss von 289.000 Euro bei der Finanzierung der nötigen Investitionen
zur Umsetzung des Projekts unterstützt. Auch in Zukunft, von 2022 bis
2024, fördert der Ilm-Kreis die Umsetzung mit einem Betriebskostenzuschuss
an die IOV von 150.000 Euro jährlich. Das Projekt wird gefördert vom
Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz mit 796.000 Euro
für zweieinhalb Jahre.

Ausblick

Auch nach der Inbetriebnahme der Busse werden Wissenschaftler des
Thüringer Innovationszentrums Mobilität während des Linienbetriebs weiter
kontinuierlich Begleitforschung durchführen, um die innovativen Antriebs-
und Funktechnologien und den Fahrkomfort weiterzuentwickeln. Auch die
Akzeptanz autonomer Busse in der Bevölkerung und in den Medien wird von
der TU Ilmenau weiter erforscht. Die Begleitforschung wird durch das
Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale
Gesellschaft mit rund zwei Millionen Euro für drei Jahre finanziert.

Die eng miteinander verzahnten Projekte sind ein wichtiger Schritt bei der
Entwicklung eines intelligenten, nachhaltigen und nutzerorientierten
Verkehrs im Ilm-Kreis. Die Stadt Ilmenau und das Thüringer
Innovationszentrum Mobilität arbeiten bereits am Einsatz noch höher
automatisierter Busse.

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Auf dem Weg zu einer menschenähnlichen Wahrnehmung für selbstfahrende Autos

       Forscher der Universität Freiburg haben eine Aufgabe entwickelt,
deren Lösung durch KI-Algorithmen zukünftig komplexere
Umgebungswahrnehmung für autonome Fahrzeuge ermöglichen kann
•       Vorgestellt auf der AutoSens-Konferenz im Museum Autoworld in
Brüssel
•       Valada: „Wir sind zuversichtlich, dass neue KI-Algorithmen für
diese Aufgabe Roboter in die Lage versetzen werden, die visuelle Erfahrung
nachzuahmen, die Menschen haben, indem sie die vollständige physische
Struktur von Objekten wahrnehmen.“

Wie können mobile Roboter Umgebung korrekt wahrnehmen und einschätzen –
selbst wenn Teile der Umgebung durch andere Objekte verdeckt werden? Das
ist eine zentrale Frage, die für autonomes Fahren gelöst werden muss,
damit zum Beispiel auch in belebten Straßen von Großstädten ein sicheres
Navigieren durch die Umgebung möglich wird. Während der Mensch sich die
vollständige physische Struktur von Objekten vorstellen kann, selbst wenn
diese teilweise verdeckt sind, verfügen die bisherigen Algorithmen der
künstlichen Intelligenz (KI), die es Robotern und selbstfahrenden
Fahrzeugen ermöglichen, ihre Umgebung wahrzunehmen, nicht über diese
Fähigkeit.

Roboter mit KI können sich zwar schon heute selbstständig in ihrer
Umgebung zurechtfinden und durch sie navigieren, wenn sie gelernt haben,
wie diese Umgebung aussieht. Allerdings ist die Wahrnehmung und korrekte
Einschätzung von unbekannten, teilweise verdeckten Dingen und beweglichen
Objekten oder Menschen bislang eine große Herausforderung. Einen großen
Schritt zur Lösung dieses Problems haben nun der Freiburger
Roboterforscher Prof. Dr. Abhinav Valada und Doktorand Rohit Mohan vom
Robot Learning Lab der Universität Freiburg unternommen, den sie in zwei
gemeinsamen Veröffentlichungen vorstellen.

Eine Aufgabe, deren Lösung mehr Sicherheit verspricht

Die beiden Freiburger Wissenschaftler haben die sogenannte amodale
panoptische Segmentierungsaufgabe entwickelt und ihre Lösbarkeit mit Hilfe
von KI-Ansätzen nachgewiesen. Bisher erfassen autonome Fahrzeuge mit Hilfe
von panoptischer Segmentierung die Umgebung. Das bedeutet, dass sie bisher
nur vorhersagen können, welche Pixel eines Bildes zu welchen „sichtbaren“
Regionen eines Objekts wie einer Person oder eines Autos gehören, und
Instanzen dieser Objekte identifizieren können. Was ihnen bisher fehlt,
ist die Fähigkeit, auch die gesamte Form von Objekten vorherzusagen,
selbst wenn diese teilweise von anderen Objekten verdeckt werden. Die neue
Aufgabe der Wahrnehmung mit amodaler panoptischer Segmentierung ermöglicht
dieses ganzheitliche Verständnis der Umgebung.

Amodal meint in diesem Fall, dass von einer teilweisen Verdeckung von
Objekten abstrahiert werden muss – statt sie als Fragmente zu betrachten,
sollten sie in ihrer Ganzheit gesehen werden. So kann eine neue Qualität
der visuellen Umgebungserfassung möglich werden, die für die
Verkehrssicherheit autonom fahrender Autos einen enormen Fortschritt
bedeuten würde.

Potential zur Verbesserung des visuellen Verständnisses städtischer Szenen

Im neuen Aufsatz, der auf der Konferenz IEEE/CVF Computer Vision and
Pattern Recognition Conference (CVPR) veröffentlicht wurde, haben die
Forscher etablierte Benchmark-Datensätze um die neue Aufgabe ergänzt und
öffentlich nutzbar gemacht. Sie rufen Wissenschaftler*innen nun dazu auf,
neue KI-Algorithmen zu entwickeln, um die Aufgabe zu lösen. Ziel dieser
Aufgabe ist es, die pixelgenaue semantische Segmentierung der sichtbaren
Regionen von amorphen Hintergrundklassen wie Straßen, Vegetation, Himmel
und die Instanz-Segmentierung der sichtbaren und verdeckten Objektregionen
von verschiedenen Klassen wie Autos, Lastwagen und Fußgängern zu
erstellen.

Der Benchmark und alle Datensätze sind auf einer Webseite öffentlich
zugänglich und inklusive zweier Lösungsvorschläge zur Verfügung gestellt.
„Wir sind zuversichtlich, dass neue KI-Algorithmen für diese Aufgabe
Roboter in die Lage versetzen werden, die visuelle Erfahrung nachzuahmen,
die Menschen haben, indem sie die vollständige physische Struktur von
Objekten wahrnehmen“, erklärt Valada. „Die amodale panoptische
Segmentierung wird bei nachgelagerten automatisierten Fahraufgaben, bei
denen die Verdeckung eine der Herausforderungen darstellt, wie
Tiefenschätzung, optischer Fluss, Objektverfolgung, Bewegungsvorhersage
usw., erheblich helfen. Mit fortschrittlicheren KI-Algorithmen für diese
Aufgabe kann die visuelle Erkennungsfähigkeit für selbstfahrende Autos
revolutioniert werden. Wenn beispielsweise jederzeit die gesamte Struktur
der Verkehrsteilnehmer*innen wahrgenommen wird, unabhängig von
Teilverdeckungen, kann so das Unfallrisiko erheblich minimiert werden.“

Darüber hinaus könnten automatisierte Fahrzeuge durch Ableitung der
relativen Tiefenanordnung von Objekten in einer Szene komplexe
Entscheidungen treffen, etwa in welche Richtung sie sich zum Objekt
bewegen müssen, um eine klarere Sicht zu erhalten. Um diese
Zukunftsvisionen Realität werden zu lassen, wurde die Aufgabe auf der
Konferenz AutoSens, die im Autoworld Museum in Brüssel stattfand,
Fachleuten der Automobilindustrie vorgestellt.

Faktenübersicht:
•       Abhinav Valada ist Juniorprofessor und Leiter des Robot Learning
Lab am Institut für Informatik der Universität Freiburg sowie Mitglied des
Zentrums BrainLinks-BrainTools.
•       Er forscht hauptsächlich zu Themen an der Schnittstelle von
Robotik, maschinellem Lernen und Computer Vision wie etwa grundlegende
Probleme der Umgebungswahrnehmung von Robotern, Zustandsschätzung und
Planung mit Hilfe von Lernansätzen, die es Robotern ermöglichen, in
komplexeren Bereichen und unterschiedlichen Umgebungen zuverlässig zu
arbeiten. Sein Ziel ist die Entwicklung von skalierbaren, lebenslang
lernenden Robotersystemen.
•       Robot Learning Lab: Das Team um Valada möchte neue Verfahren
entwickeln, die mobilen Robotern ermöglichen, auf sozialverträgliche und
sichere Weise durch belebte Umgebungen wie Fußgängerzonen und Bürgersteige
zu navigieren. Ihr Verhalten lernen die Bots mit Hilfe von Algorithmen,
die auf Teilbereichen der Künstlichen Intelligenz wie Deep Learning und
Reinforcement Learning beruhen.
•       Originalveröffentlichungen: Mohan, Rohit, Valada, Abhinav: “Amodal
Panoptic Segmentation”, IEEE/ CVF International Conference on Computer
Vision and Pattern Recognition (CVPR), pp. 21023-21032, 2022.
Mohan, Rohit, Valada, Abhinav: “Perceiving the Invisible: Proposal-Free
Amodal Panoptic Segmentation”: IEEE Robotics and Automation Letters
(RA-L), vol. 7, no. 4, pp. 9302-9309, 2022.
•       Weitere Informationen: http://amodal-panoptic.cs.uni-freiburg.de/
•       Erklärvideo: „Amodal Panoptic Segmentation“

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Ausgründung “ionysis GmbH”: Wasserstoff-Brennstoffzellen auch für schwere Nutzfahrzeuge zur Marktreife bringen

Das ionysis-Gründungsteam  ionysis GmbHEin Team des Forschungsbereichs “Elektrochemische Energiesysteme” bei
Hahn-Schickard in Freiburg hat mit Unterstützung der Albert-Ludwigs-
Universität Freiburg die “ionysis GmbH” ausgegründet, um mit Hilfe starker
Partner leistungsfähigere Membran-Elektroden-Einheiten für
Brennstoffzellen zur Marktreife zu entwickeln

Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, muss nachhaltige Mobilität auch
für schwere Nutzfahrzeuge Realität werden. Die zum 1. September neu
gegründete “ionysis GmbH” entwickelt hocheffiziente, emissionsfreie und
nachhaltige Kernkomponenten für Brennstoffzellen. Dazu gehört auch, dass
in den sogenannten “Membran-Elektroden-Einheiten” der Gehalt von
perfluorinierten Substanzen deutlich reduziert wird – einem bedenklichen
Bestandteil, der aufgrund seiner Umweltschäden zunehmend weltweit geächtet
wird. “Gemeinsam mit internationalen Partnern konnten wir diese
umweltfreundlichen Brennstoffzellen erstmals auf Augenhöhe mit
herkömmlichen betreiben und zudem auch aufzeigen, dass sie perspektivisch
effizienter und bei höheren Temperaturen betrieben werden können”, erklärt
Dr. Matthias Breitwieser, Geschäftsführer und CTO der ionysis GmbH. “Damit
eignen sie sich besonders für schwere Nutzfahrzeuge oder Anwendungen in
der Luftfahrt.”
Ziel ist es, die neuartigen umweltfreundlicheren Membran-Elektroden-
Einheiten weiterzuentwickeln und die technische Machbarkeit auch im
skalierten Maßstab zu demonstrieren. Die Firma ergänzt damit die “Green-
Tech”-Gründungsszene in Freiburg um eine weitere Neugründung im Bereich
der Wasserstoff- und Dekarbonisierungstechnologie.

„Mit der ionysis GmbH gründen wir nun unser achtes Unternehmen am Standort
Freiburg aus und zeigen damit, dass wir nicht nur auf dem Gebiet der
Lebenswissenschaften innovativ sind, sondern auch auf dem Gebiet der
Energie- und Nachhaltigkeitsthemen“, so Prof. Dr. Roland Zengerle,
Institutsleiter bei Hahn-Schickard in Freiburg und Professor für
Anwendungsentwicklung an der Technischen Fakultät der Universität
Freiburg. Durch diese Ausgründungen sind in Freiburg inzwischen etwa 335
Hightech-Arbeitsplätze entstanden.

Zum 1. September 2022 nimmt ionysis mit einem Gesamtteam von acht Personen
das operative Geschäft auf und plant schon in den ersten Monaten weiter zu
wachsen. Neben den aktiven oder ehemaligen Mitarbeiter von Hahn-Schickard
und der Universität Freiburg, Dr. Matthias Breitwieser (Geschäftsführung,
Wissenschaft und Strategie), Dr. Florian Lombeck (Chief Scientist) und Dr.
Severin Vierrath ergänzen weitere neue Mitarbeitende und erfahrene
Mitarbeitende von Hahn-Schickard, die bereits zum Start ins Unternehmen
wechseln.

Für die Ausgründung konnten nun zwei starke Investoren gewonnen werden,
die nicht nur finanziell mit einem mittleren einstelligen Millionenbereich
unterstützen, sondern auch wertvollen Zugang zu Branchen-Know-how und
Beratung im Business Development bieten.

Der Grundstein für die Ausgründung wurde im Rahmen mehrerer öffentlich
geförderter Forschungsprojekte gelegt: Sowohl das Land Baden-Württemberg
(“DirectMEA”) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
(“DirectStack”, FKZ: 03ETB024D) haben die Arbeiten finanziell unterstützt.
Hinzu kam eine besonders auf den deutsch-kanadischen Austausch
zugeschnittene Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung im Rahmen der Projekte “FlexCoat” (FKZ: 01DM19008A) und FC-CAT
(FKZ: 03SF0579B), die besonders der intensiven fachlichen Vernetzung mit
dem “Wasserstoff-Hub” Vancouver gedient haben.

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