Luzerner Theater, Wiederaufnahme: Knef, Musikabend mit Liedern von Hildegard Knef besucht von Léonard Wüst
Produktionsteam
Von und mit: Tini Prüfert
Musikalische Leitung und Klavier: Peter Estermann
Bass: Rafael Jerjen
Schlagzeug: Raphael Woll
Licht: Marc Hostettler
Dramaturgische Begleitung: Eva Böhmer
Meine besondere Affinität zu Hildegard Knef
In den Jahren meiner Lehrzeit (1967 – 1970), kostete ein LP um die 25 Franken, eine Single 5 Franken, beides damals noch aus Vinyl selbstverständlich. Da ich, nebst Kost und Logis grad mal 20 Franken Barlohn im 1. Lehrjahr, 40 im zweiten und 60 im dritten monatlich hatte, überlegte man sich hin und her, für welche Platten und ob überhaupt, man sein knappes Geld ausgeben wollte, konnte. Für mich standen die Beatles klar ganz oben und so war es logisch, dass halt über einen Monatslohn in „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ investiert wurde. Noch während meiner Schulzeit hatte ich mir vom Sackgeld zwei Singles erstanden von denen ich auf eine besonders stolz war, klingt heute wahrscheinlich seltsam: Die berühmte Berliner Rede beim Schöneberger Rathaus 1963 von JFK (US Präsident John Fitzgerald Kennedy)„Ich bin ein Berliner“ gabs tatsächlich als Single Schallplatte und die zweite, man möge es mir nachsehen, war „Junge komm bald wieder“ von Freddy Quinn.
Mein Batzeli reichte aber nicht für Platten der Stones, Bee Gees, CCR, Spencer Davis Group usw. Aber zu der Zeit kamen die ersten Kassettengeräte auf den Markt, für den Erwerb so eines sparte ich, soweit das von monatlich 40 Franken möglich war, bis ich genug zusammen hatte, um eines zu erwerben. Dazugehörende bespielte Kassetten waren für knapp 10 Franken, also nur etwa die Hälfte des Preises einer LP zu haben, unbespielte für einen Bruchteil dieses Preises. Und somit war ich in der Lage, meine „Sammlung“ von Tonträgern zu äufnen, da ich auch Songs vom Radio, oder bei Kollegen zuhause von deren Schallplatten aufzunehmen konnte um damit meine „Best of Bändli“ zusammenzustellen.
Während der zweimonatlichen, zwischen saisonalen Berufsschule in Gersau hörte ich zum ersten Mal aus einer Musikbox, dass es rote Rosen regnen soll und war sofort fasziniert von Stimme, Text und Melodie, obschon damals eigentlich nur englisch als wahre Sprache von Musik in war. Im einzigen Geschäft, das in unserem Städtli Schallplatten verkaufte wurde ich nicht fündig nach Schallplatten der „Knef“, in einem Geschäft im nahegelegenen Luzern dann schon und so wurde„Hildegard Knef Für mich solls rote Rosen regnen die grossen Erfolge“ die erst zweite von mir erworbene LP, zwischenzeitlich hatte ich mir schon noch ein paar einzelne Singles erstanden.
Vom intimen UG auf die grosse Bühne
An eine der letztjährigen Knef Aufführungen im intimeren, kleinen UG des Luzerner Theaters hab ichs, aus gesundheitlichen Gründen, nicht geschafft, umso schöner, dass es diese Performance, aufgrund der grossen Nachfrage und der überaus positiven Publikumsresonanz, nun zur Wiederaufnahme auf die grosse Bühne im Theatersaal geschafft hat und mir Gelegenheit bot, Verpasstes nachzuholen. .
Die Knef am Luzerner Theater
Der Musikabend am Luzerner Theater, gewidmet Hildegard Knef und ihrem vielseitigen Schaffen, überzeugte als feinfühlige Hommage an die facettenreiche Künstlerin. Tini Prüfert übernahm den Gesang und verkörperte die Tiefgründigkeit und das Charisma Knefs auf eindrucksvolle Weise. Mit ihrer rauen Stimme und nuancierten Darbietung brachte sie Knefs charakteristische Melancholie und scharfsinnigen Humor zum Ausdruck. Unterstützt wurde sie dabei von Peter Estermann, der als musikalischer Leiter und Pianist der Performance Struktur und Eleganz verlieh.
Intime Atmosphäre und mitreissende Begleitung
Estermann schuf am Klavier eine intime und atmosphärische Klangbasis, die die emotionalen Nuancen von Knefs Liedern unterstrich. Seine Begleitung war präzise und einfühlsam, was die intensiven Texte besonders zur Geltung brachte. Am Bass brillierte Rafael Jerjen mit einer subtilen, doch tragfähigen Präsenz, die den Stücken zusätzliche Tiefe verlieh, während Raphael Woll am Schlagzeug feine Akzente setzte, die die rhythmische Dynamik der Lieder belebte, ohne jemals aufdringlich zu wirken. Das Zusammenspiel der Musiker wirkte harmonisch und gut aufeinander abgestimmt.
Prüferts stimmliche Präsenz und Ausdrucksstärke
Tini Prüferts Stimme erwies sich als perfekt geeignet, um Knefs schmerzliche und humorvolle Texte gleichermassen zu transportieren. Mit einer stimmlichen Bandbreite, die von weicher Melancholie bis zu kraftvoller Ausdrucksstärke reichte, verlieh sie Klassikern wie „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ und „Von nun an ging’s bergab“ eine frische Lebendigkeit. Besonders in den ruhigeren Momenten gelang es Prüfert, eine beinahe greifbare Intimität zu erzeugen, die das Publikum emotional berührte und in die Atmosphäre der Songs eintauchen liess.
Einblicke in Knefs Lyrik und Leben
Durch ihre Darbietung und etlichen Anekdoten und Zitaten schaffte Prüfert eine Brücke zu Hildegard Knefs komplexem Innenleben und ihrer poetischen Sprache. Ihre Stimme und die musikalische Begleitung holten das Publikum in die Welt der Sängerin und Dichterin, die in ihren Liedtexten oft gesellschaftliche Themen und persönliche Schicksalsschläge verarbeitete. Knefs oft rauchige, dunkle Klangfarbe und die scharf gezeichneten Lebensbilder kamen so wirkungsvoll zur Geltung, dass die Zuhörer in Knefs Gedankenwelt versinken konnten.
Die Kunst des feinen Arrangements
Besonders hervorzuheben ist das Arrangement von Peter Estermann, das die Balance zwischen musikalischer Raffinesse und dem schlichten Charme von Knefs Songs wahrt. Die sensiblen Arrangements, die geschickt vom Pianisten und dem Ensemble umgesetzt wurden, hoben die feinen Nuancen der Lieder hervor und unterstrichen die Poesie und Präzision der Texte. Das Zusammenspiel zwischen dem Pianisten, Bassisten und Schlagzeuger wirkte dabei stets organisch und verschmolz mit der Stimme Prüferts zu einem harmonischen Ganzen.
Das Publikum, das ausnahmsweise auch Getränke mit in den Konzertsaal bringen durfte, um, so der Veranstalter, eine Art Clubatmosphäre zu schaffen, sparte nicht mit Applaus nach jedem Lied, war gefesselt vom Geschehen auf der Theaterbühne und liess sich mitnehmen in die 1960er und 1970er Jahre, als diese feinfühligen, manchmal auch unterschwellig zornigen Lieder entstanden. Nebst Hildegard Knef brillierten in dieser Zeit nur noch Reinhard Mey und Alexandra mit tiefgründigen Texten im deutschen Sprachraum, der Rest war seichter Schlager oder halt englischer und amerikanischer Rock und Pop.
Die Ausführenden am Luzerner Theater durften einen langanhaltenden stürmischen Schlussapplaus geniessen und belohnten uns dafür noch mit einem Song aus dem Repertoire von Knef und da das Auditorium auch dann noch nicht genug hatte perrformten die vier auf der Bühne als zweite, ultimative Zugabe, noch „This Guy’s in love with you“, eine Hitkomposition von Burt Bacharach und Hal David.
Fazit: Ein gelungener Knef-Abend
Der Abend im Luzerner Theater bot eine tiefgründige und ehrliche Interpretation der Lieder Hildegard Knefs. Mit Tini Prüfert als charismatischer Sängerin und dem einfühlsamen Ensemble um Peter Estermann gelang es, das Erbe der deutschen Chansonsängerin lebendig zu halten und das Publikum für ihre zeitlosen Themen zu begeistern. Ein beeindruckender und bewegender Abend, der Knefs Musik und Lyrik in all ihrer Komplexität feierte und das Publikum mit einem Gefühl von nostalgischer Verbundenheit entließ.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Ingo Hoehn www.luzernertheater.ch
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