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Produktion von nachhaltigem Flugkraftstoff wird effizienter

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Kraftstoffe wie Kerosin lassen sich mit Power-to-Liquid-Verfahren
klimafreundlich aus CO₂, Wasser und grünem Strom herstellen. Das haben
Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bereits mit
Anlagen im Realbetrieb demonstriert.

Jetzt haben Forschende im Kopernikus-
Projekt P2X das hocheffiziente Co-Elektrolyseverfahren erstmals in
industrierelevanter Größe von 220 Kilowatt Leistung mit der
Kraftstoffsynthese gekoppelt. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) fördert das Projekt.

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht Europa grüne Alternativen für
Anwendungen, die sich nur schwer elektrifizieren lassen. „Vor allem der
Flugverkehr wird bis auf Weiteres auf nachhaltig erzeugtes Kerosin
angewiesen sein“, sagt Professor Roland Dittmeyer vom Institut für
Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT. „Besonders geeignet sind
synthetische Kraftstoffe, die mit Power-to-Liquid-Verfahren mit CO₂ aus
der Atmosphäre oder biogenen Quellen, Wasser und grünem Strom hergestellt
werden.“ Dittmeyer ist Sprecher des Kopernikus-Projekts P2X und leitet
entsprechende Forschungsarbeiten am KIT. Nun wurde im Projekt ein
wichtiger technologischer Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltigem
Flugkraftstoff erreicht: Die weltweit einmalige Kopplung der innovativen
und hocheffizienten Wasserdampf/CO₂-„Co“-Elektrolysetechnologie des
Industriepartners Sunfire im industrierelevanten Maßstab (220 Kilowatt
Elektrolyseleistung) direkt mit der Synthese.

Co-Elektrolyse macht Power-to-Liquid effizienter

Synthetisches Kerosin entsteht am Energy Lab des KIT in einem mehrstufigen
Verfahren in modular aufgebauten Anlagen. Zunächst wird aus CO₂ und Wasser
Synthesegas hergestellt – eine Mischung aus Wasserstoff und
Kohlenstoffmonoxid.

Das Synthesegas lässt sich prinzipiell auf
verschiedenen Wegen erzeugen. In der neuen Konfiguration wird ein Co-
Elektrolysemodul mit einer Leistung von 220 Kilowatt des Industriepartners
Sunfire eingesetzt, das diesen Verfahrensschritt vereinfacht und vor allem
effizienter macht. „Das Besondere an der Co-Elektrolyse ist, dass sie
Wasserdampf und CO₂ in einem einzigen Schritt elektrochemisch und
hocheffizient direkt in Synthesegas umwandelt. Bis zu 85 Prozent der dafür
aufgewendeten elektrischen Energie findet sich als chemische Energie im
Synthesegas wieder. Zudem konnte bei der Kopplung nachgewiesen werden,
dass unsere Co-Elektrolyse eine sehr hohe Anlagenverfügbarkeit sowie
Zuverlässigkeit aufweist und so jederzeit Synthesegas in der gewünschten
Qualität liefern konnte“, sagt Hubertus Richter, Senior Engineer R&D
Project Management & Process Engineering bei Sunfire. „Dadurch entfällt
die sonst übliche separate Wasserstofferzeugung mit nachgelagerter
Synthesegaserzeugung, was die Effizienz des Gesamtverfahrens hin zu den
synthetischen Kraftstoffen deutlich erhöht.“

Für den gekoppelten Betrieb von Co-Elektrolyse un Kraftstoffsynthese
integrierten die Forschenden zusätzlich ein Kompressor mit
Sicherheitsvorrichtungen in die Prozesskette, mit dem das Synthesegas auf
Reaktionsdruck gebracht wird. Anschließend wird das Synthesegas in einem
mikrostrukturierten Reaktor mittels Fischer-Tropsch-Synthese in
langkettige Kohlenwasserstoffe umgewandelt – das sogenannte Syncrude –,
die direkt zur Herstellung von Kraftstoffen wie Kerosin oder anderen
chemischen Produkten verwendet werden können. Diese Reaktortechnologie
entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am KIT und wird
bereits von INERATEC, einer Ausgründung aus dem KIT, kommerzialisiert.
Zukünftig soll zusätzlich die bei der Synthese entstehende Wärme in Form
von Dampf für die Co-Elektrolyse genutzt werden. Das würde den
Energiebedarf des gesamten Prozesses weiter senken und die
Produktaufbereitung zum Zielprodukt Kerosin in dieser Skalierung zeigen.
Die Kombination dieser Prozessschritte erlaubt eine optimale Ausnutzung
des eingesetzten Kohlendioxids und den größtmöglichen energetischen
Wirkungsgrad, da neben den Energieströmen auch die Stoffströme innerhalb
der Prozesskette effizient rezykliert werden können.

Im nächsten Schritt eine Tonne Kerosin pro Tag

Die Integration der Co-Elektrolyse testeten Forschende am KIT im
Kampagnenbetrieb unter Realbedingungen erfolgreich und produzierten dabei
bis zu hundert Liter Syncrude pro Tag. Der gekoppelte Betrieb markiert
einen wichtigen Meilenstein in der zweiten Förderphase des Kopernikus-
Projekts P2X. Die Anlage wird jetzt für eine Kapazität von bis zu 300
Litern Syncrude am Tag erweitert. In der dritten und letzten Förderphase
errichtet das Forschungsteam parallel eine größere Fischer-Tropsch-
Produktionsanlage durch INERATEC im Industriepark Höchst bei Frankfurt.
„Dort wird erstmals eine Produktion im Tonnenmaßstab realisiert werden“,
sagt Dittmeyer. Das zu synthetischem Kerosin weiter aufgearbeitete Produkt
soll dann in Triebwerkstests bei Turbinenherstellern und
Forschungspartnern eingesetzt werden. Begleitende Analysen stellen sicher,
dass der Kraftstoff den strengen Normen der Luftfahrt entspricht.

Zum Kopernikus-Projekt P2X

Im Kopernikus-Projekt P2X bauen die Partner Climeworks, Sunfire, INERATEC
und das Institut für Mikroverfahrenstechnik am Energy Lab des KIT eine
integrierte Prozesskette auf und betreiben diese. Dem „Power-to-
Fuel“-Konzept folgend, können so CO₂-neutrale Kraftstoffe, auch E-Fuels
genannt, hergestellt werden. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) fördert das Projekt. An dem Vorhaben sind 18 Partner aus
Industrie, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen
beteiligt.

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und
vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den
globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie,
Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in
Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften
zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein
forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle
Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die
Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und
Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der
deutschen Exzellenzuniversitäten.