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Kiel Trade Indicator 06/22: Ungewöhnlich lange Staus in der Nordsee, Entspannung in Nordamerika

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Der globale Handel zeigt im Juni im Vergleich zum Vormonat eine leicht
positive Tendenz (preis- und saisonbereinigt). Dies geht aus dem jüngsten
Datenupdate des Kiel Trade Indicator hervor. Gleichzeitig beeinträchtigt
der Containerschiffstau in der Nordsee und ein Einbruch des Frachtvolumens
im Roten Meer den Handel Europas. In Russlands Häfen verfestigt sich das
Bild eines verminderten Warenaustauschs mit Europa und eines ansteigenden
mit Asien.

Laut jüngstem Datenupdate des Kiel Trade Indicator steht der Welthandel im
Juni im Vergleich zum Vormonat mit 0,4 Prozent im Plus (preis- und
saisonbereinigt). Für Deutschland zeigen die Werte einen Zuwachs bei den
Importen an (+2,5 Prozent) und eine rote Null bei den Exporten (-0,1
Prozent). In der EU zeichnen sich nur moderate Veränderungen sowohl bei
den Exporten (-0,5 Prozent) als auch Importen (+0,8 Prozent) ab.

Etwas eindeutiger fallen die Signale für den Junihandel der USA aus,
sowohl Exporte (+3,2 Prozent) als auch Importe (+1,1 Prozent) sind mit
einem Plus versehen. Auch für Chinas Handel sind die Vorzeichen bei
Exporten (+1,7 Prozent) und Importen (+4,0 Prozent) positiv. Der Kiel
Trade Indicator weist für Russland im Juni eine schwarze Null im Export
(+0,3 Prozent) und einen abermaligen Rückgang im Import (-5,8 Prozent)
aus.

„Grundsätzlich zeigt der Welthandel im Juni eine leicht positive Tendenz,
aber massive Schiffsstaus, hohe Transportkosten und daraus resultierende
Lieferengpässe hemmen den Warenaustausch, insbesondere mit Blick auf
Europa“, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator.

„Dagegen entspannt sich die Lage in Nordamerika. Die pandemiebedingt hohe
Nachfrage nach Konsumgütern in den USA hat nachgelassen, der Stau vor dem
Hafen von Los Angeles hat sich aufgelöst. Das entlastet die Transportwege,
und so sind die Frachtkosten von Asien an die Westküste Nordamerikas seit
Beginn dieses Jahres um knapp die Hälfte gefallen. Frachtraten auf dem Weg
von Asien nach Nordeuropa sind dagegen noch immer sechs Mal so hoch wie
vor zwei Jahren.“

Die Staus von Containerschiffen in der Nordsee halten an und sind in der
Tendenz steigend, über 2 Prozent der globalen Frachtkapazität stehen dort
still und können weder be- noch entladen werden. Auch vor Shanghai und
Zhejiang wächst die Warteschlange, über 4 Prozent der globalen
Frachtkapazität stecken hier fest.

„Ein Ende der Staus in der Containerschifffahrt ist derzeit nicht in
Sicht. Während beispielsweise vor Shanghai auch schon in der Vergangenheit
lange Warteschlangen beobachtet wurden, ist dies für die Nordsee sehr
ungewöhnlich. Für Deutschland und die EU beeinträchtigt dies vor allem den
Überseehandel, speziell mit Asien, woher etwa Unterhaltungselektronik,
Möbel oder Textilien geliefert werden“, so Stamer.

Auf dem Roten Meer, der wichtigsten Handelsroute zwischen Europa und
Asien, sind derzeit über 20 Prozent weniger Containerschiffe unterwegs,
als unter normalen Umständen zu erwarten wären. So groß war die Lücke
zuletzt nach Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren. „Maßgeblich
dafür könnte sein, dass sich die negativen Effekte des Lockdowns in
Shanghai aufgrund der 40-tägigen Fahrt von China nach Europa nun erst
zeigen. Auch der Containerschiffstau in der Nordsee und eine zunehmende
Bedeutung des Schienentransports auf der Neuen Seidenstraße reduzieren
dort womöglich das Frachtaufkommen“, so Stamer.

Das Frachtaufkommen in Russlands Häfen lässt mittlerweile recht eindeutig
auf den Versuch schließen, den verlorenen Handel mit Europa durch Asien zu
substituieren. Im Ostseehafen St. Petersburg, wo Waren aus Europa
ankommen, ist das Frachtaufkommen nachhaltig eingebrochen. In den übrigen,
im Asienhandel eingebundenen Häfen, erholt es sich dagegen etwas.
„Allerdings können die Importe aus Asien bisher noch nicht den Handel mit
Europa ersetzen“, so Stamer.

Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 20.
Juli (ohne Pressemeldung) und am 5. August (mit Medieninformation für die
Handelsdaten im Juli 2022).

Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und die Prognosen für alle
75 Länder finden Sie auf https://www.ifw-kiel.de/de/themendossiers
/internationaler-handel/kiel-trade-indicator/
.

Über den Kiel Trade Indicator

Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) von
75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Im
Einzelnen umfassen die Schätzungen über 50 Länder sowie Regionen wie die
EU, Subsahara-Afrika, Nordafrika, den Mittleren Osten oder Schwellenländer
Asiens. Grundlage ist die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in
Echtzeit. Ein am IfW Kiel programmierter Algorithmus wertet diese unter
Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz aus und übersetzt die
Schiffsbewegungen in reale, saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem
Vormonat.

Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (mit Pressemeldung)
für den laufenden und den folgenden Monat und um den 3. (ohne
Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.

An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst.
Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die
effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen.
Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch
für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.

Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen
Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich
umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang
einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen
statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt
mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich
die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.

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