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Verbindung von Grundlagenforschung und Kita-Studium

Dunja Kunke setzt der Probandin eine EEG-Haube  Matthias Piekacz
Dunja Kunke setzt der Probandin eine EEG-Haube Matthias Piekacz

Kinderpsychologin Nicole Wetzel wurde zur Professorin für Neurokognitive
Entwicklung an den Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften der
Hochschule Magdeburg-Stendal berufen. Es ist die erste erfolgreiche
gemeinsame Berufung der Hochschule Magdeburg-Stendal mit einer
außeruniversitären Forschungseinrichtung.

Mit einer EEG-Haube auf dem Kopf sitzt der kleine Proband in der Kabine
und schaut einen Film. Plötzlich sind unerwartete Geräusche zu hören. Wie
werden diese die Aufmerksamkeit des Filmeguckers beeinflussen? Lässt sich
ein Kind hier leichter von der Handlung ablenken als ein Erwachsener? Und
was kann man daraus für Lernprozesse im Allgemeinen ableiten? Die
Kinderpsychogin Prof. Dr. Nicole Wetzel, die am Leibniz-Institut für
Neurobiologie (LIN) Magdeburg zu diesen Themen forscht, wurde vor Kurzem
auf eine Professur für Neurokognitive Entwicklung an die Hochschule
Magdeburg-Stendal berufen.

In ihrer seit 2017 vom Center for Behavioral Brain Sciences (CBBS)
geförderten Forschergruppe Neurokognitive Entwicklung untersucht Nicole
Wetzel am LIN, wie sich die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen für
Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis bei Kindern entwickeln. Sie
erklärt: „Dabei wollen wir systematisch untersuchen, ob es Unterschiede im
Entwicklungsverlauf von der frühen bis zur späten Kindheit gibt und
welchen Einfluss Faktoren wie Motivation, Emotion und der soziale Kontext
haben. Außerdem erforschen wir Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung
und Lernen in Kindergarten und Schule, aber auch im klinischen Bereich zum
Beispiel bei ADHS-Symptomen oder sozialängstlichen Kindern.“

Neben der Grundlagenforschung spielen auch anwendungsbezogene
Fragestellungen eine Rolle. „Wir verknüpfen Psychologie und
Neurowissenschaften und wollen unsere Studien nicht nur unter
standardisierten Laborbedingungen, sondern planen diese auch unter realen
Bedingungen, beispielsweise in Kindergärten oder Horten, durchzuführen“,
so Wetzel.

Vor Kurzem hat Nicole Wetzel den Ruf für die Professur für Neurokognitive
Entwicklung an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Fachbereich Angewandte
Humanwissenschaften erhalten, die für fünf Jahre von der Leibniz-
Gemeinschaft im Rahmen des Professorinnen-Programms unterstützt wird. „Ich
freue mich sehr, dass es zu dieser Kooperation zwischen dem LIN als
außeruniversitärer Forschungseinrichtung und der Hochschule Magdeburg-
Stendal gekommen ist. Diese innovative Kombination gibt es nicht oft und
ist somit etwas Besonderes“, erklärt die Psychologin. Seit diesem
Wintersemester bildet sie Studierende der Hochschule im Studiengang
„Leitung von Kindertageseinrichtungen – Kindheitspädagogik“ und
„Rehabilitationspsychologie“ am Standort Stendal aus.

Prof. Dr. Anne Lequy, Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, betont
das Besondere der gemeinsamen Berufung: „Es handelt sich um die erste
erfolgreiche gemeinsame Berufung der Hochschule Magdeburg-Stendal mit
einer außeruniversitären Forschungseinrichtung. Das ist letztlich ein
Beleg für die Forschungsstärke des Fachbereichs Angewandte
Humanwissenschaften, worauf wir sehr stolz sind. Ich freue mich vor allem
für die Studierenden, die davon profitieren werden, mit einer renommierten
Wissenschaftlerin in Sachsen-Anhalt zusammenzuarbeiten.“

Nicole Wetzel hat in Leipzig Psychologie studiert, dort 2007 promoviert
und anschließend als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen
Projekten gearbeitet und anschließend habilitiert. Sie entschied sich für
Sachsen-Anhalt und gab dafür einen Ruf an die Universität Wuppertal
zurück. Nicole Wetzel ist Mitglied im Kompetenzzentrum Frühe Bildung der
Hochschule Magdeburg-Stendal und im Forschungsnetz Frühe Bildung in
Sachsen-Anhalt und sie vertritt Magdeburg im Leibniz-Forschungsverbund
Bildungspotenziale, der im September ein Bildungspolitisches Forum
ausgerichtet hat, um Politiker und Wissenschaftler zum Austausch
zusammenzubringen.

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Schöne Bescherung: DFG fördert Fachinformationsdienst Nordeuropa mit etwa 1 Million Euro

Erste Adresse für die deutsche Nordeuropaforschung: Der Fachinformationsdienst Nordeuropa an der Kieler Universitätsbibliothek wird jetzt mit 1 Million Euro gefördert.  © Chris Sindt
Erste Adresse für die deutsche Nordeuropaforschung: Der Fachinformationsdienst Nordeuropa an der Kieler Universitätsbibliothek wird jetzt mit 1 Million Euro gefördert. © Chris Sindt

Die Universitätsbibliothek (UB) der Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel (CAU) bleibt weiterhin die zentrale Anlaufstelle für die deutsche
Nordeuropaforschung. Kurz vor Weihnachten erreichte die Einrichtung eine
freudige Nachricht: Erneut hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
ihr fast 1 Million Euro für den Ausbau ihres zentralen Serviceangebotes
für Nordeuropaforschende aus ganz Deutschland bewilligt.

Der Fachinformationsdienst (FID) Nordeuropa knüpft zum einen an die
jahrhundertealte Tradition an, Literatur aus und über Skandinavien an der
Kieler Bibliothek zu sammeln, und hat sich zum anderen in den letzten
Jahren massiv für die Integration neuer, oft digitaler Angebote geöffnet.
Neben die umfassende Sammlung aller wissenschaftlich relevanten Literatur
aus den skandinavischen Ländern, die seit 1948 durch die DFG als
„Sondersammelgebiet Skandinavien“ gefördert wurde, sind in den letzten
Jahren zahlreiche neue Dienstleistungen getreten. In enger Zusammenarbeit
mit den nordeuropäischen Nationalbibliotheken und der Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen (inhaltlich zuständig für Finnland)
wurden und werden zunehmend digitale Ressourcen nachgewiesen und
zugänglich gemacht.

Der FID Nordeuropa versteht sich dabei als Brücke zwischen der deutschen
Nordeuropaforschung und der nordeuropäischen Informationslandschaft. In
enger Zusammenarbeit wird an einem neuen Recherche- und Informationsportal
gearbeitet. So können Wunsch Bücher aus nordeuropäischen Ländern
digitalisiert werden, soweit sie nicht im eigenen Bestand vorhanden sind.
Außerdem unterstützt die Stelle beim Umgang mit Forschungsdaten oder der
Erschließung nordeuropabezogener Nachlässe. „Dank der nun bewilligten
Fördergelder kann der FID Nordeuropa seine erfolgreiche Arbeit der
vergangenen Jahre fortsetzen und seine Brückenfunktion zwischen Nordeuropa
und der deutschen Forschung weiter offen und aktiv wahrnehmen“, freut sich
die Dezernentin des Fachinformationsdienstes Nordeuropa Dr. Ruth Sind über
den weihnachtlichen Geldsegen.

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Haus der Musik Innsbruck, Tanztheater Frida Kahlo – Nueva Pasión, 16. Dezember 2018, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Frida Kahlo Foto Guentheregger
Frida Kahlo Foto F. Guentheregger

Besetzung: Tanzstück von Enrique Gasa Valga . Libretto von Enrique Gasa Valga und Katajun Peer-Diamond . Musik interpretiert von Lila Downs, Brigitte Fassbaender, Chavela Vargas, Buika u. a.

Frida Kahlo .           Pilar Fernández Sánchez, Camilla Danesi, Lara Brandi, Chiara Ranca

Leo Trotzki              Yulian Botnarenko, Federico Moiana

Fridas Vater            Martin Segeta, Emanuele Chiesa

Diego Rivera           Gabriel Marseglia, Nicola Strada

Der Tod                  Balkiya Zhanburchinova, Sayumi Nishii

Fridas Schwester    Brígida Pereira Neves, Camilla Danesi

Josephine Baker     Addison Ector

Ensemble               Tanzcompany des TLT

 

Rezension:

Das gefeierte Tanzstück als Porträt der mexikanischen Malerin erlebt nach seinem unglaublichen Erfolg 2011 fast unverändert ein Comeback  in den Kammerspielen in Innsbruck. Innsbrucks Ballettchef Enrique Gasa Valga begeistert einmal mehr.

Maria Pilar Sanchez als Frida Kahlo und  Gabriel Marseglia als Diego Rivera Foto Rupert Larl
Maria Pilar Sanchez als Frida Kahlo und Gabriel Marseglia als Diego Rivera Foto Rupert Larl

Die Bühne, wahlweise ein grosses, lichtdurchflutetes Zimmer mit Fenstern und Flügeltüren oder ein Platz mit Häuserfassaden, ist in ein sanftes Hellblau getüncht, Frida Kahlo als junges Mädchen in blütenreinem Weiss schwebt über die Bühne, mit unglaublicher Leichtigkeit, unbändiger Lebensfreude und Sorglosigkeit. In der kurzen Pause zum nächsten Bild ertönt ein Quietschen, Krachen und Knirschen, Geräusche des schrecklichen Unfalls, welchen Frida erlitt und an dessen Folgen sie ihr Leben lang leiden musste. Im nächsten Bild steht sie ganz alleine mitten auf der Bühne, in einem blutroten Samtkleid, unglaublich einsam, verloren und verletzlich, ein Rollstuhl wird hereingeschoben, sie setzt sich mühsam drauf und schaut zu, wie die anderen um sie tanzen.

Farbsymphonie

Camilla Danesi, Alice White, Emanuele Chiesa, Mikael Champs Foto Rupert Larl
Camilla Danesi, Alice White, Emanuele Chiesa, Mikael Champs Foto Rupert Larl

Das sind zwei der insgesamt 27 Bilder in zwei Akten, welche in diesem Tanztheater die Geschichte der Frida Kahlo erzählen. Zwei unglaublich starke Bilder, überhaupt lebt dieses Ballett von seinen Bildern, von den farbenfröhlichen Kostümen (Andrea Kuprian) und den wunderschönen Lichteffekten (Michael Reinisch), die die Bühne wahlweise in unschuldiges Weiss, leidenschaftliches Rot, verhaltenes Grau tauchen und immer wieder neue Effekte erzeugen. Dazu gibt es Einspielungen von Fotos aus Fridas Leben, von ihren Bildern, kurze Filmsequenzen, Texte, die entweder im Off oder von den Tänzerinnen gesprochen werden, Liedern, die sie teilweise auch selber singen. Es ist ein Gesamtpaket über diverse Stationen im Leben dieser unkonventionellen Frau und Malerin: Diego Rivera und Frida, die Hochzeit, die Affäre Diegos mit Fridas Schwester Cristina,  Fridas Affäre mit Josephine Baker, ihre Reise nach Paris, nach New York, ihre Begegnung mit Trotzki, ihr politisches Engagement und schlussendlich ihr früher Tod. Dies zu Musik aus allen Sparten, von Mariachi über Kurt Weill  bis hin zu Brahms.

Maria Pilar Sanchez als Frida Kahlo und Ensemble Foto Rupert Larl
Maria Pilar Sanchez als Frida Kahlo und Ensemble Foto Rupert Larl

Das Programmheft gibt Hinweise und Informationen, die man vorgängig lesen sollte, es lohnt sich, wenn man sich etwas auskennt im bewegten Leben der Frida Kahlo, denn es gibt unzählige Anspielungen im Stück. Versteht man diese nicht, kann man sich aber auch einfach den wirklich wunderschönen Bildern hingeben, die Enrique Gasa Valga auf die Bühne der Kammerspiele zaubert. Die Szenen mit dem Ensemble sind meist fröhlich ausgelassene Tanzsequenzen, die Solos und Pas-de-deux eindrücklich, leidenschaftlich und gefühlvoll. Und wenn Frida ihre Wut und Enttäuschung über Diegos Affären auslebt, ist das Verzweiflung pur, beinahe greifbar.

Die zwei Fridas

Lara Brandi (Frida Kahlo), Maria Pilar Sanchez (Frida Kahlo) Foto Rupert Larl
Lara Brandi (Frida Kahlo), Maria Pilar Sanchez (Frida Kahlo) Foto Rupert Larl

Auf der Bühne sind oft zwei Fridas (Maria Pilar Sanchez und Lara Brandi). Die Künstlerin erklärte die beiden Fridas in ihrem gleichnamigen Gemälde als Ausdruck ihrer Dualität. Die beiden Tänzerinnen sehen sich zum Verwechseln ähnlich, zierlich aber stolz, fragil und dennoch kraftvoll. Oft sitzt oder steht die eine reglos am Rande, als Trösterin oder Bewacherin, während die andere tanzt, manchmal tanzen sie gemeinsam, dann mutet es an wie ein Spiegelbild.

Viva la Vida

Lara Brandi (Frida Kahlo) und Ensemble Foto Rupert Larl
Lara Brandi (Frida Kahlo) und Ensemble Foto Rupert Larl

Das Tänzerensemble überzeugt auf der ganzen Linie, Gabriel Marseglia gibt einen leidenschaftlichen Diego, Yulian Botnarenko einen energischen Trotzki und Addison Ector eine exzentrische Josephine Baker. Das Stück endet mit Fridas letztem Bild: Wassermelonen rollen über die Bühne, im Hintergrund erscheint das Bild «Viva la Vida», Diego Rivera sitzt auf einer Bank, aus seinem Mund tropft der Saft der Melonen, farblich ist alles so abgestimmt, als gehöre es zum Bild.

Nueva Pasión ist ein Gesamtkunstwerk, alles greift ineinander über, ergänzt und vervollständigt sich. Die Bilder bleiben einen noch weit über den tosenden Schlussapplaus an der Premiere im Kopf.

Die ursprünglich angesagten Aufführungen bis März 2019 sind alle ausverkauft, zusätzliche Termine im Oktober 2019 ebenfalls schon gut gebucht.

Text und Fotos

www.gabrielabucher.ch

Kleine Fotodiashow der Produktion von Rupert Larl:

fotogalerien.wordpress.com/2018/12/18/haus-der-musik-innsbruck-tanztheater-frida-kahlo-nueva-pasion-16-dezember-2018-besucht-von-gabriela-bucher-liechti-2/

Fotos und Video

www.haus-der-musik-innsbruck.at

 
 
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Verbindung von Grundlagenforschung und Kita-Studium

Aufbau und Einbettung des SysDL 2.0 Demonstrators in der Systemlandschaft  SysDL 2.0 | Fraunhofer IEE
Aufbau und Einbettung des SysDL 2.0 Demonstrators in der Systemlandschaft SysDL 2.0 | Fraunhofer IEE

Im Forschungsprojekt »SysDL 2.0« hat das Fraunhofer IEE zusammen mit
Partnern eine Plattform entwickelt, mit dem Verteilnetz-Betreiber durch
eine koordinierte Regelung dezentraler Erzeugungsanlagen die für den
stabilen und sicheren Betrieb elektrischer Netze nötige Blindleistung
bereitstellen können. Neben Steuerungs- und Optimierungsmodulen umfasst
die Plattform auch die nötigen Komponenten für eine standardisierte
Kommunikation zwischen Verteilnetz- und Übertragungsnetzbetreiber. Das
International Smart Grid Action Network (ISGAN) hat das Projekt kürzlich
beim »Award of Excellence 2018« mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet.

Mit dem schrittweisen Abschalten konventioneller Kraftwerke müssen die
Sys-temdienstleistungen für das Übertragungsnetz mehr und mehr aus den
Verteilnetzen kommen – dort speisen die meisten Erneuerbare-Energien-
Anlagen ein. »Mit dem Fortschreiten der Energiewende sind die kleinen,
dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen im Verteilnetz immer stärker
gefordert, Systemdienstleistungen für das Höchst- sowie das
Hochspannungsnetz zu erbringen«, erklärt Dr. Sebastian Wende-von Berg,
Experte für Netzplanung und Netzbetrieb am Fraunhofer-Institut für
Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel (vormals IWES).
»Diese Entwicklung verlangt eine koordinierte Steuerung der
Erzeugungsanlagen. Mit »SysDL 2.0« haben wir eine Plattform entwickelt,
mit der Verteilnetzbetreiber dieser Aufgabe gerecht werden können.«

Neben dem Fraunhofer IEE waren die Drewag Netz GmbH als Konsortialführer
sowie die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH, die 50Hertz
Transmission GmbH, die F&S Prozessautomation GmbH, die Universität Kassel,
die Technische Universität Dresden und die Siemens AG an »SysDL 2.0«
direkt beteiligt. Finanziert wurde das 2018 abgeschlossene Projekt im
Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunftsfähige Stromnetze« vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. In einem Feldtest haben die
Forschungspartner abschließend die Praxistauglichkeit der Plattform unter
Beweis gestellt.

Situationsabhängige Sollwerte für Steuerung der Erzeugungsanlagen

In der konkreten Anwendung haben sich die Projektpartner neben Fragen wie
der ÜNB-VNB-Kommunikation oder der informationstechnischen Anbindung von
Erzeu-gungsanlagen speziell auf die Stabilisierung der Spannung und
Optimierung der Verteilnetze durch Blindleistung fokussiert. »Da die
Erzeugungsstruktur in den Verteilnetzen sehr kleinteilig ist und die Netze
zudem eng vermascht sind, sucht sich die Energie vielerlei Wege zu den
Verbindungspunkten mit dem Übertragungsnetz. Diese Flüsse müssen
koordiniert werden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die
Blindleistung dort zur Verfügung steht, wo sie gebraucht wird«, erläutert
Wende-von Berg. »Dass das funktionieren kann, wurde im Vorfeld am
Schreibtisch in der Theorie studiert und mit unserer Testumgebung »OpSim«
eingehend getestet.« Die vom  Fraunhofer IEE und der Universität Kassel
gemeinsam entwickelte Test- und Simulationsumgebung »OpSim« ermöglicht
Nutzern, ihre Software mit simulierten Stromnetzen zu verbinden und
entweder einzeln oder in Kombination mit anderer Software zu testen.

SysDL 2.0 unterstützt Spannungshaltung

Die von den Projektpartnern entwickelte Plattform »SysDL 2.0« liefert den
Netzbetreibern situationsabhängige Sollwerte, mit denen sie die
Erneuerbare-Energien-Anlagen so steuern können, dass diese die
Spannungshaltung unterstützen. Diese Sollwerte ermittelt das System auf
Basis statischer und dynamischer Netz- und Erzeugungsdaten, die mit
mehreren, im Forschungsprojekt entwickelten Modulen verarbeitet werden.
Dazu zählen unter anderem eine Lösung für die aufgabenspezifische
Darstellung der Netztopologie, eine Komponente für die
Zustandsbeschreibung der Netze, Prognoseverfahren sowohl für die Wind- und
Solarstromerzeugung als auch für die vertikalen Lastflüsse zwischen der
Hoch- und Mittelspannungsebene sowie ein Algorithmus zur Koordinierung von
Blindleistung. Über eine grafische Nutzeroberfläche können Netzbetreiber
Anwendungsfälle definieren und auf die Sollwerte für die Regelung der
Erzeugungsanlagen zugreifen.

Infrastruktur für den standardisierten Datenaustausch

Zu den zentralen Aufgaben der Kasseler Fraunhofer-Forscher innerhalb der
SysDL 2.0-Projektgruppe zählte neben der Entwicklung innovativer
Betriebsführungen, die Entwicklung der Kommunikations-Infrastruktur. »Mit
der zunehmenden Einspeisung von Strom aus dezentralen Anlagen vermischen
sich die früher klar getrennten Rollen der Verteil- und der
Übertragungsnetzbetreiber. Damit wird die Kommunikation zwischen ihnen
immer wichtiger. Sie müssen möglichst standardisiert eine Vielzahl von
Informationen austauschen – zum Beispiel darüber, wo wann wie viel
Blindleistung zur Verfügung steht. Die Organisation dieses
Informationsflusses gehört zu den Kern-Funktionalitäten von SysDL 2.0«,
erklärt Wende-von Berg.

Das System stellt mithilfe eines einheitlichen Datenmodells sicher, dass
die Steue-rungs- und Optimierungsmodule mit einheitlichen Echtzeit-
Informationen aus den Leitwarten arbeiten. Übertragen werden die Daten
über standardisierte Schnittstellen auf Basis von CIM CGMES. Eigens
entwickelte Module innerhalb eines Enterprise Service Bus (ESB)
koordinieren die ein- und ausgehenden Datenströme. Die Kombination von
einheitlichem Datenmodell und ESB-Technologie schafft die nötige
Flexibilität, um bei Bedarf neue Funktionalitäten einzubinden und die
Plattform für künftige Aufgaben weiter zu entwickeln. Diese Entwicklung
bietet das Fraunhofer IEE unter dem Akronym »beeDIP« an. »beeDIP« steht
für Betriebsführungs- und Energiemanagement Datenintegrationsplattform und
wird in Zukunft dabei helfen, Entwicklungen aus Wissenschaft und Forschung
schneller und einfacher an Leitwarten und Reallabore anzubinden.

SysDL 2.0: Plattform für Systemdienstleistungen aus Verteilnetzen

»Mit der im Projekt SysDL 2.0 neu entwickelten und im Feldtest validierten
Demonstratorplattform für Netzbetriebsführungen sind wir nun in der Lage,
neue Algorithmen und Betriebsführungsansätze, auch von dritten
Forschungspartnern, schnell in die Feldtestanwendung bei Netzbetreibern zu
bringen. Wir beschleunigen damit den Transfer von Ergebnissen aus der
Forschung in die reale Anwendung«, so das abschließende Fazit von Prof.
Dr. Martin Braun der in Personalunion an der Universität Kassel das
Fachgebiet Energiemanagement und Betrieb elektrischer Netze und am
Fraunhofer IEE die Abteilung Netzplanung und Netzbetrieb leitet.

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