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Doktorandin aus Indien forscht an der HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen

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Seit April forscht PhD-Studentin Vrinda Dave am Fachbereich Wirtschaft der
HSBI zu Selbsthilfegruppen für Frauen in sozio-ökonomischen Krisen. Sie
arbeitet einen Vergleich zwischen Selbsthilfegruppen in Indien und
Deutschland heraus. Ein erstes Ergebnis: Empowerment für Frauen steht in
beiden Ländern im Vordergrund, um Gesellschaft und Wirtschaft zu stärken.
Ermöglicht hat Daves Aufenthalt das New-Horizons-Stipendium für
Wissenschaftler:innen aus dem Globalen Süden, die zu Geschlechter- und
Gleichstellungsthemen forschen. Sie ist die vierte Stipendiatin, die an
der HSBI zu Gast ist.

Bielefeld (hsbi). Wenn Wirtschaft und Gesellschaft in einer Krise stecken,
verlieren Menschen ihre Jobs, Einkommen werden geringer und der Zugang zu
Hilfsmitteln ist begrenzt. Besonders Frauen, die in vielen Fällen sozial
und besonders beruflich benachteiligt werden – egal ob durch Elternzeiten
oder Gender Pay Gaps – leiden unter diesen Herausforderungen.

Vrinda Dave ist PhD-Studentin in Economics an der Ganpat University im
indischen Bundesstaat Gujarat. In ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit
der Frage, wie Selbsthilfegruppen Frauen in sozio-ökonomischen Krisen
stärken können. Dave ist zudem Juniorprofessorin an der GLS University in
Indien. Im Rahmen des New-Horizons-Stipendiums forscht sie an der HSBI zu
Selbsthilfegruppen für Frauen in Deutschland im Vergleich zu Indien. Ihre
Gastgeberin ist Prof. Dr. Vivian Carstensen vom Fachbereich Wirtschaft.

„Förderung und Unterstützung von Frauen kann Wirtschaft nachhaltig helfen“

„Selbsthilfegruppen in Deutschland unterscheiden sich sehr von
Selbsthilfegruppen in Indien, doch im Herzen sind sie gleich: Sie wollen
Frauen stärken“, sagt Vrinda Dave. „Empowerment beginnt, wenn verschiedene
Menschen zusammenkommen und einander bei Herausforderungen unterstützen.“
Frauen zu stärken ist hierbei nicht nur von sozialer Wichtigkeit. Auch für
die Wirtschaft bringt es Vorteile. Basis-Mechanismen („grassroots
mechanisms“), also Initiativen oder Strategien, die ihre Wurzeln in der
Bevölkerung haben, wie Selbsthilfegruppen, sind dafür essentiell.

Dave hat herausgefunden, dass die Bestärkung von Frauen durch
Selbsthilfegruppen das Wirtschaftswachstum positiv beeinflussen kann.
Solche Gruppen fördern nämlich zunächst das Haushaltswohlbefinden,
mittelfristig zudem die Produktivität und schließlich die
Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft. „Haushaltswohlbefinden meint das
Wohlbefinden der Menschen innerhalb eines Haushalts in Bezug auf
Zufriedenheit, Gesundheit und Lebensqualität“, erläutert Dave. Die
Widerstandsfähigkeit bezieht sich auf den Umgang mit Krisen, Schocks,
Resilienz und Veränderungen.

Durch die höhere Produktivität kann die Wertschöpfung in Produktion und
Dienstleistungen gesteigert werden. Hiervon profitieren wiederum Wohlstand
und Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft.

Starke Unterschiede zwischen Selbsthilfegruppen in Deutschland und Indien,
doch im Herzen gleich

Für ihre Studie hat sich Dave mit Frauen beschäftigt, die häuslicher
Gewalt, eingeschränkter Mobilität und sozialer und wirtschaftlicher
Benachteiligung oder sogar Ausschluss ausgesetzt sind. Diese Probleme
haben in Deutschland wie auch in Indien für die Gründung von
Selbsthilfegruppen gesorgt. Für die Erhebung der empirischen Daten hat die
PhD-Studentin in beiden Ländern eine Reihe von Selbsthilfegruppen mit etwa
10 bis 20 Teilnehmerinnen befragt. Die Teilnehmerinnen haben Fragebögen
ausgefüllt, die Dave quantitativ ausgewertet hat, um Aussagen über
Gemeinsamkeiten, Unterschiede und einzigartige Merkmale der jeweiligen
Gruppen treffen zu können.

Bei einem näheren Blick auf Selbsthilfegruppen in beiden Ländern fallen
gravierende Unterschiede auf. Vrinda Dave: „In Indien entstehen
Selbsthilfegruppen meist innerhalb einer Gemeinschaft und weniger durch
Institutionen.“ Der Fokus liegt darauf, Erwerbsmöglichkeiten und
Lebensgrundlagen für Frauen, insbesondere Frauen aus ländlicheren
Regionen, zu schaffen und Überlebensstrategien während sozio-ökonomischen
Krisen zu zu eröffnen. Frauen erhalten oft sogenannte „microcredits“, also
kleine Kredite, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. „Im Fokus
steht dann, sie bei der Jobsuche zu unterstützen“, so Dave. Zu den
Stakeholdern gehören hier meist die Regierung, Banken oder auch
Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Eine NGO ist eine Organisation, die
nicht von einer Regierung oder staatlichen Stelle kontrolliert wird. Die
Mitglieder setzen sich für ein Anliegen unabhängig von staatlichen
Einflüssen ein.

In Deutschland sind Selbsthilfegruppen hingegen oft strukturierter und
institutionalisiert.

Betroffen sind insbesondere ältere, alleinlebende oder alleinerziehende
Frauen und Einwanderinnen. Zu den Stakeholdern gehören neben der Deutschen
Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG) unter anderem das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
oder die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und
Banken. Hier stehen Herausforderungen wie psychische Gesundheit, soziale
Isolation, die Integration von Migranten oder Care-Arbeit im Vordergrund.
„Frauen, die über einen längeren Zeitraum erkrankt sind, stehen oft auch
vor finanziellen Problemen“, erklärt Dave. Auch hier helfen
Selbsthilfegruppen. „Wenn die sozialen und gesundheitlichen
Herausforderungen überwunden sind, geht es um finanzielle Stabilität. Den
Frauen wird geholfen, wieder erfolgreich ins Arbeitsleben einzusteigen.“

Den Teilnehmerinnen wird zudem oft ein Freizeitangebot mit gemeinsamen
oder sportlichen Aktivitäten eröffnet. Psychische Gesundheit oder auch
Rehabilitation nach schwerer Krankheit stehen noch mehr im Fokus als
finanzielle oder berufliche Unabhängigkeit. Doch im Kern geht es in beiden
Ländern darum, Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken, finanziell wie
mental, wie Vrinda Dave zusammenfasst: „Den Frauen soll geholfen werden,
selbstbewusster, selbstständiger und unabhängiger zu werden.“

„Deutschland ist wie ein Märchenland für mich“

Daves erste Tage in Deutschland waren überwältigend und bereichernd
zugleich. Dave: „Eine neue Kultur, Umwelt und Sprache kennenzulernen,
bringt Herausforderungen mit sich, aber ich wurde hier mit offenen Armen
empfangen, das hat es mir sehr erleichtert.“ Besonders gefällt ihr die
Disziplin der Deutschen, aber auch die gute Work-Life-Balance. An
Bielefeld mag sie die Natur, die Parks und die gute Infrastruktur.
„Deutschland ist wie ein Märchenland für mich. Es gibt wunderschöne
malerische Landschaften und historische Architektur.“ Besonders gefallen
hat ihr auch der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit in Deutschland und
insbesondere an der HSBI. Und: „Die Hochschule setzt sich für Diversität
und Inklusion sein. Das weiß ich sehr zu schätzen.“

Doch was war besonders herausfordernd? „Herauszufinden, auf welcher Seite
der Straße ich stehen muss, um in den richtigen Bus einzusteigen“, sagt
die Studentin und lacht. Anders als in Deutschland herrscht in Indien
Linksverkehr. Doch den Weg hat sie dank helfender Kolleg:innen immer
gefunden. „Es war zwar in einigen Situationen sehr verwirrend, aber auch
lustig.“

Der Fachbereich Wirtschaft profitiert von Vrinda Daves Arbeit

Prof. Dr. Vivian Carstensen vom Fachbereich Wirtschaft hat Vrinda Dave vom
ersten Tag an begleitet. Sie ist zuständig für das Lehrgebiet Ökonomie,
Management und Organisation. Sie half der Studentin, sich in dem ihr
fremden Land zurechtzufinden. Als Host hat sie Dave bei der Organisation,
Willkommenskultur und Einbindung in den Fachbereich, inklusive sozialer
Events, unterstützt. Neben Dr. Maurvi Vasavada und Dr. Suraj Shah von der
Ganpat University ist sie eine von Daves Promotionsbetreuer:innen. Sie
findet, das New-Horizons-Stipendium ist eine große Bereicherung für die
HSBI: „Der Erfolg basiert meinem Empfinden nach maßgeblich auf der engen
Vernetzung zwischen dem Welcome Center durch Max Köster, der
Fachbereichskoordinatorin für Internationales, Nermin Karaoglu, dem
Dekanat und mir.“

Und auch Daves Arbeit sieht Prof. Carstensen als Gewinn für den
Fachbereich Wirtschaft. „Vrindas Arbeit ist von großer Bedeutung für die
globale Herausforderung der oftmals zu geringen Teilhabe von Frauen und
weiteren unterrepräsentierten Gruppen am Arbeitsmarkt. Entsprechend
profitiert der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt „Work of the
Future“ (WoF) am Fachbereich Wirtschaft sehr von Vrindas Vorhaben.“
Zukünftig sind künftige gemeinsame Antragstellungen geplant, die sich
zunächst auf Forschung konzentrieren, perspektivisch aber auch
Studierendenmobilität zwischen Bielefeld und Gujarat und gemeinsame
Lehrformate einbinden sollen.

Die Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Katja Makowsky durfte Vrinda auch
kennenlernen und ist begeistert von ihrer Arbeit. Makowsky: „In ihrem
Projekt hat sie ein aus der Perspektive der Unterstützung von Frauen sehr
relevantes Thema betrachtet. Aus ihren Ergebnissen lassen sich
möglicherweise auch Anregungen für die Unterstützung durch
Selbsthilfegruppen von Frauen in Deutschland ableiten.“ Prof. Makowsky ist
neben ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte Professorin am
Fachbereich Sozialwesen.

Für die HSBI hat sich Vrinda Dave entschieden, weil ihr die Offenheit der
Hochschule gefällt, verschiedene Fachbereiche zu verbinden. Während sie
sich in ihrer Promotion auch intensiv mit Geschlechterforschung und
Diversität auseinandersetzt, konnte sie diese mit wirtschaftlichen
Aspekten verbinden. Die Zusammenarbeit der HSBI und der Ganpat University
soll auch in Zukunft weiter ausgebaut werden.

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