Das unsichtbare Risiko: welche Gefahren im Trinkwasser lauern und wie sie Gesundheit und Gebäude bedrohen

Trinkwasser ist in Deutschland und vielen anderen Ländern eines der am besten kontrollierten Lebensmittel überhaupt. Wir drehen den Hahn auf und verlassen uns darauf, dass dieses klare, kühle Nass absolut sicher und sauber ist. Das Vertrauen in die kommunalen Wasserwerke ist enorm – und meistens auch berechtigt.
Doch diese Illusion der Reinheit beginnt oft genau am Hausanschluss zu bröckeln. Die Gefahren für unsere Gesundheit und unsere Gebäude lauern nicht in der zentralen Wasserversorgung, sondern im eigenen Leitungssystem zu Hause.
Hier, in den Rohren, Armaturen und Warmwasserspeichern, können sich unsichtbare Risiken entwickeln. Diese Risiken sind oft unscheinbar, aber ihre Folgen reichen von lästigen Kalkablagerungen bis hin zu ernsthaften Gesundheitsgefahren.
Dieser Artikel beleuchtet die unsichtbaren Risiken im Trinkwasser: Welche Bakterien und chemischen Rückstände können sich in unseren Leitungen ansammeln, und warum ist es für jeden Eigentümer und Mieter wichtig, die Kontrolle über das eigene Wasser zu behalten.
Der innere Feind: Bakterien und Keime im Leitungssystem
Die größte biologische Gefahr für unser Trinkwasser entsteht oft nicht im Wasserwerk, sondern direkt in unseren Warmwasserleitungen und Speichern. Sobald das Wasser den zentralen Hausanschluss passiert hat, liegt die Verantwortung für die Qualität beim Gebäudeeigentümer.
Der bekannteste und gefährlichste innere Feind sind die Legionellen.
Diese Bakterien gedeihen optimal bei Temperaturen zwischen 25∘C und 50∘C, weshalb sie Warmwasserbereiter und lange, selten genutzte Leitungsabschnitte lieben.
Das Risiko liegt dabei nicht im Trinken des Wassers, sondern im Einatmen von Aerosolen, also feinsten Wassertröpfchen. Das passiert vor allem beim Duschen, in Whirlpools oder beim Benutzen von Luftbefeuchtern. Legionellen können eine schwere Form der Lungenentzündung auslösen, die sogenannte Legionärskrankheit.
Die Pflicht zur Kontrolle
Um dieser Gefahr vorzubeugen, ist es für Eigentümer von Mehrfamilienhäusern oft gesetzlich vorgeschrieben, regelmäßig eine professionelle Legionellenprüfung durchführen zu lassen. Diese Tests sind essentiell, um die Wasserqualität zu überwachen und bei Befall sofortige Maßnahmen (thermische oder chemische Desinfektion) einzuleiten.
Neben Legionellen können auch andere Keime wie Pseudomonaden oder – seltener – E. coli in die Hausinstallation gelangen, wenn es zu Rücksaugungen oder Installationsfehlern kommt. Das A und O zur Vermeidung dieser biologischen Risiken ist die Einhaltung der korrekten Temperaturen (Warmwasser über 55∘C) und die Vermeidung von Stagnation.
Die Gefahr aus den Wänden: Schwermetalle und Altlasten
Die zweite große, unsichtbare Gefahr im Trinkwasser ist chemischer Natur und entsteht durch die Materialien der Hausinstallation selbst. Das Wasser, das die kommunalen Versorger liefern, ist in der Regel frei von chemischen Belastungen. Doch auf dem Weg zum Wasserhahn kann es Stoffe aus den Leitungen lösen.
Das Problem verschärft sich, wenn Wasser über längere Zeit in den Rohren steht – das sogenannte Stagnationswasser.
Blei und die Gefahr für die Gesundheit
Das prominenteste Beispiel für diese chemische Altlast ist Blei. Obwohl Bleirohre im Neubau seit Jahrzehnten verboten sind, sind sie in vielen Altbauten noch vorhanden. Wenn Wasser in diesen Leitungen steht, löst es Blei.
Die gesundheitlichen Folgen von Blei, selbst in geringen Mengen, sind ernst:
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Neurologische Schäden: Besonders bei Säuglingen, Kleinkindern und Schwangeren kann Blei die Entwicklung des Nervensystems negativ beeinflussen.
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Toxizität: Blei reichert sich im Körper an und kann langfristig zu Bluthochdruck oder Nierenschäden führen.
Daher gilt die Faustregel: Bei älteren Gebäuden sollte das Wasser nach längerer Standzeit (z. B. morgens) immer ablaufen gelassen werden, bis es spürbar kalt aus der Leitung kommt.
Korrosion und Kupfer
Auch neuere Materialien können problematisch sein. Ist das Wasser besonders sauer oder kalkarm, kann es zur Korrosion der Rohre kommen, wodurch beispielsweise Kupfer in Lösung geht. Zwar ist Kupfer ein essentielles Spurenelement, doch in zu hoher Konzentration kann es zu Magen-Darm-Beschwerden oder Leberschäden führen.
Diese chemischen Risiken erfordern vom Verbraucher ein kontrolliertes Nutzungsverhalten. Wasser, das Stunden im Rohr gestanden hat, sollte nicht für die Zubereitung von Speisen verwendet werden – eine einfache, aber effektive Schutzmaßnahme.
Die unsichtbaren Rückstände: Pharmazeutika und Mikroverunreinigungen
Die jüngste und vielleicht komplexeste Herausforderung für die Wasserwirtschaft ist das Problem der Mikroverunreinigungen. Hierbei handelt es sich um Substanzen, die in extrem geringen Konzentrationen (oft im Nanogramm-Bereich) vorliegen, aber dennoch eine potenzielle Gefahr darstellen.
Diese Rückstände stammen nicht aus undichten Rohren oder alten Speichern, sondern aus unserem modernen Alltag. Sie gelangen über den Wasserkreislauf ins Trinkwasser:
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Pharmazeutika: Rückstände von Schmerzmitteln, Antibiotika, Hormonen aus der Anti-Baby-Pille oder Blutdrucksenkern.
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Pestizide und Chemikalien: Reste von Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft oder Industriechemikalien.
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Kosmetika: Rückstände aus Shampoos, Sonnenschutzmitteln oder Reinigungsprodukten.
Die Grenzen der Reinigung
Das Hauptproblem ist, dass herkömmliche Kläranlagen nicht darauf ausgelegt sind, diese Stoffe vollständig zu eliminieren. Sie filtern die groben und die meisten biologischen Verunreinigungen heraus, doch die chemische Struktur von Medikamenten oder Hormonen bleibt oft intakt.
Obwohl die Konzentrationen meist weit unter den kritischen Grenzwerten liegen, ist die Langzeitwirkung dieser Mikroverunreinigungen noch nicht vollständig erforscht. Die Sorge gilt dem sogenannten "Cocktail-Effekt", also der möglichen Wechselwirkung vieler verschiedener Stoffe im menschlichen Körper.
Die Wasserversorger reagieren bereits auf diese Gefahr, indem sie in der Wasseraufbereitung fortschrittliche Verfahren (wie Aktivkohlefilterung oder Ozonierung) einsetzen. Dennoch bleibt dies eine ständige Herausforderung, die zeigt: Unsere Verantwortung für die Wasserqualität beginnt nicht erst in der Küche, sondern bereits bei der Entsorgung von Medikamenten und Chemikalien.
Fazit: Verantwortung und Kontrolle
Das Vertrauen in die hohe Qualität unseres Trinkwassers, das von den Versorgern garantiert wird, ist eine wichtige Grundlage unseres Alltags. Doch dieser Artikel hat gezeigt: Die Gefahren lauern oft erst hinter dem Zähler. Die Qualität des Wassers wird empfindlich durch die eigenen Hausinstallationen beeinflusst.
Die unsichtbaren Risiken sind vielfältig:
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Biologisch: Bakterien wie Legionellen gedeihen im Warmwassersystem und bedrohen die Gesundheit der Bewohner durch Aerosole.
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Chemisch: Schwermetalle wie Blei oder Kupfer können sich aus alten oder korrodierten Rohren lösen, vor allem bei Stagnationswasser.
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Modern: Mikroverunreinigungen aus Pharmazeutika stellen die Wasseraufbereitung vor eine ständige, neue Herausforderung.
Die zentrale Botschaft für Eigentümer und Nutzer ist die aktive Kontrolle. Durch das Vermeiden von Stagnationswasser (durch Ablaufenlassen), die Einhaltung korrekter Wassertemperaturen und die regelmäßige Durchführung einer professionellen Legionellenprüfung kann jeder dazu beitragen, das wichtigste Lebensmittel des Hauses sicher und rein zu halten. Die Verantwortung für die Reinheit des Trinkwassers endet nicht am Grundstücksrand, sondern am eigenen Wasserhahn.