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Forschende beeinflussen Hirnnetzwerke mit Ultraschall-Hologramm

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Mit einer neuen Ultraschalltechnik können Forschende erstmals mehrere
Stellen im Gehirn gleichzeitig stimulieren. Das Verfahren eröffnet neue
Möglichkeiten für künftige Therapien gegen Alzheimer, Parkinson,
Depressionen und weitere Krankheiten.

Das erste Bild eines Menschen ist ein Ultraschallbild aus dem Mutterleib.
Doch Ultraschall kann weit mehr: Schon lange nutzen Physiotherapeut:innen
sie, um Körpergewebe zu erwärmen, und Krebsmediziner:innen zerstören mit
hochintensivem Ultraschall und dessen Hitzeentwicklung im Körperinnern
Tumore.

Seit gut zehn Jahren erforschen Wissenschaftler:innen ausserdem, wie sich
mit wenig intensivem Ultraschall gezielt die Nervenaktivität im Gehirn
beeinflussen lässt. Erste klinische Studien überprüfen bereits, ob sich
mit solcher Neuromodulation die Symptome bei Alzheimer, Epilepsie oder das
Zittern von Tremor-Patient:innen lindern lassen.

Forschenden der ETH Zürich, der Universität Zürich und der New York
University ist es nun gelungen, die Ultraschall-Neuromodulation im Gehirn
zu verbessern. Die Wissenschaftler:innen entwickelten ein Gerät, mit dem
sich im Gehirn erstmals gleichzeitig drei oder bis zu fünf präzis
definierte Punkte stimulieren lassen, wie sie in einer Studie zeigen.
Bisher war das höchstens ansatzweise und sehr viel unpräziser möglich.

«Das Gehirn funktioniert in Netzwerken. Es ist daher einfacher, ein
Hirnnetzwerk anzuregen oder zu dämpfen, wenn man das an mehreren Punkten
gleichzeitig macht», erklärt Daniel Razansky. Er ist Professor an der ETH
Zürich und der Universität Zürich und hat die Arbeit gemeinsam mit einem
Kollegen der New York University geleitet.

Durch die Schädeldecke hindurch
Die Neuromodulation erfolgt bei dieser Technik durch die Schädeldecke
hindurch. Das Gerät wird auf den Kopf gerichtet. Es handelt sich um eine
nicht-invasive Methode: ein chirurgischer Eingriff ist nicht nötig.



Die Forschenden führten die Neuromodulation im Labor an Mäusen durch. Dazu
platzierten sie deren Kopf unter einer selbst entwickelten Haube mit
mehreren hundert Ultraschall-Wandlern. Über eine ausgeklügelte
Steuerungselektronik erzeugen diese Wandler kurze Ultraschall-Impulse so,
dass sich die Ultraschallwellen im Gehirn gegenseitig auslöschen oder
verstärken. Das Prinzip ist vergleichbar mit einem Hologramm, einem
dreidimensional wirkenden Bild, das durch die Wechselwirkung von
Lichtwellen erzeugt wird. Bei der neuen Methode der Forschenden aus Zürich
und New York entstehen durch die Überlagerung vieler Ultraschallwellen
einzelne Brennpunkte.

Indem die Forschenden Hirnnetzwerke an mehreren Punkten gleichzeitig
modulieren, können sie im Vergleich zur Modulation an einem Punkt mit
weniger intensivem Ultraschall arbeiten. «Je weniger intensiv der
Ultraschall, desto sicherer ist das für das Gehirn», erklärt Razansky.
Frühere Anläufe zur Ultraschall-Neuromodulation litten oft unter einem
Alles-oder-nichts-Effekt: Zu schwacher Ultraschall hatte keinen Effekt,
während eine zu starke Intensität zu einer unkontrollierten Erregung des
ganzen Gehirns führte, verbunden mit der Gefahr, dieses zu schädigen.
Ausserdem kann intensiver Ultraschall Gefässschäden verursachen oder zu
Überhitzung des Schädels oder des Gehirns führen.

Mechanischer Einfluss auf Proteine

Niedrigintensive Ultraschall-Impluse haben kurzzeitige Effekte, darunter
auch ein kurzer Temperaturanstieg im Fokusbereich. Darüber hinaus
beeinflussen sie mutmasslich auch kanalförmige Proteine an der Oberfläche
von Nervenzellen, die den Transport von Ionen in die Zellen und aus ihnen
heraus kontrollieren. Welche Mechanismen in welchem Ausmass dazu
beitragen, dass Nervenzellen angeregt oder gedämpft werden, müssen
Forschende erst noch im Detail untersuchen.

Mit der neuen Methode ist es ausserdem möglich, Hirnnetzwerke nicht nur
anzuregen, sondern diese Anregung gleichzeitig mittels Bildgebung sichtbar
zu machen. Die Forschenden können unmittelbar überprüfen, welche Netzwerke
sie angeregt haben.

Die jüngste Studie, die die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature
Biomedical Engineering veröffentlichten, diente der Entwicklung der
Technologie und hatte noch keine medizinische Anwendung zum Ziel.

Tierversuche für diese Forschung zwingend

Diese Studie und die Zusammenarbeit mit den Forschenden der New York
University wurden massgeblich finanziert durch die amerikanischen National
Institutes of Health. Weil die Behörde derzeit unter politischem Druck
stehe und keine Gelder mehr ins Ausland vergebe, könnten die Forschenden
die Zusammenarbeit derzeit nicht im gleichen Rahmen fortsetzen, erklärt
Razansky. Er möchte sie jedoch mit anderen Finanzierungsquellen so gut es
geht weiterführen.

Als Nächstes wollen sich die Forschenden Anwendungen widmen und die
Technologie in Tierversuchen bei verschiedenen Krankheiten testen.
Mögliche medizinische Anwendungsfelder sind neben Alzheimer, Tremor und
Epilepsie auch Depressionen, Parkinson sowie die Therapie nach einem
Hirnschlag. «Für unsere Forschung sind wir auf Tiere angewiesen», betont
Razansky. «Es wäre nicht möglich, solche Entwicklungen einem so frühen
Stadium an Menschen zu erforschen. Zunächst müssen wir lernen, wie wir den
Eingriff kontrollieren können, und wir müssen gewährleisten, dass er für
die Behandlung von Gehirnerkrankungen sicher und wirksam und ist.»

Razanskys Gruppe ist auf die Entwicklung von Ultraschall- und Bildgebungs-
Methoden spezialisiert, auf die Ingenieuraspekte und Datenanalyse. Die
Kollegen aus New York trugen ihre Neurowissenschafts-Expertise bei. Die
Entwicklung des Geräts und die Experimente fanden in Zürich statt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Daniel Razansky, ETH Zürich, razansky(at)biomed.ee.ethz.ch

Originalpublikation:
Estrada H, Chen Y, Lemaire T, Davoudi N, Özbek A, Parduzi Q, Shoham S,
Razansky D: Holographic transcranial ultrasound neuromodulation enhances
stimulation efficacy by cooperatively recruiting distributed brain
circuits. Nature Biomedical Engineering, 7. Juli 2025, doi:
10.1038/s41551-025-01449-x

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