Streichung von Pflegegrad 1 träfe vor allem Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen
Mit der Pflegereform 2017 wurde die bisherige Einstufung von Menschen mit
Pflegebedarfen reformiert. Die damals bestehenden Pflegestufen wurden
durch fünf Pflegegrade ersetzt. Ziel der Reform war es, dass nicht nur
körperlich eingeschränkte Menschen Anspruch auf Leistungen aus der
Pflegeversicherung haben, sondern auch Menschen mit psychischen oder
kognitiven Einschränkungen.
Deshalb galt die große Pflegereform und die
Einführung von fünf Pflegegraden 2017 als wichtige Errungenschaft.
Nun hat die Bundesregierung eine mögliche Streichung des Pflegegrads 1 ins
Spiel gebracht. Das wäre eine Abkehr von dem gegangenen Schritt und würde
insbesondere Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen hart
treffen. Ende 2024 waren etwa 860.000 Menschen in Pflegegrad 1 eingestuft.
Ein Großteil davon sind Menschen mit beginnender Demenz.
In Pflegerad 1 stehen den Menschen Vergütung oder Zuschüsse für einfache
Hilfsmittel zur Sicherheit, wohnraumverbessernde Maßnahmen, Beratungen und
Schulungen für Angehörige und ein Entlastungsbetrag von 131 Euro zur
Verfügung, der monatlich verwendet werden kann, um beispielsweise
haushaltsnahe Dienstleistungen oder eine Alltagsbegleitung zu bezahlen.
„Diese Leistungen sind für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
besonders relevant, da eine Demenz das gesamte Leben der Betroffenen und
ihrer Angehörigen verändert. Informationen über die Erkrankung und
Beratung zum richtigen Umgang damit sind gerade deshalb sehr wichtig. Auch
die Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes sind eine Unterstützung,
um die Sicherheit zu Hause zu gewährleisten. Das Entfallen des
Entlastungsbeitrages wäre ein großer Einschnitt für Menschen mit Demenz
und ihre Angehörigen“, erklärt Astrid Lärm, Leiterin der Geschäftsstelle
Nationale Demenzstrategie. Denn bei Demenz steht die zeitintensive
Begleitung und Betreuung im Vordergrund. Pflegende Angehörige sind auch
bei einer beginnenden Demenz oft viele Stunden am Tag gefordert.
Haushaltsnahe Dienstleistungen und stundenweise Betreuung, die mit dem
Entlastungsbetrag finanziert werden, ermöglichen den pflegenden
Angehörigen in regelmäßigen Abständen Entlastung und Zeit für sich.
„Auswertungen auf Basis des Deutschen Alterssurveys zeigen, dass sich
pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz zeitlich intensiver kümmern
und zu höheren Anteilen belastet fühlen als pflegende Angehörige von
Menschen mit anderen Erkrankungen“, ergänzt Dr. Ulrike Ehrlich,
Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Altersfragen. Mit dem
Entlastungsbetrag würden Maßnahmen entfallen, die einer besonders
geforderten Gruppe von pflegenden Angehörigen zugutekommen. Um die
Betreuung über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können, sind
diese Maßnahmen aber immens wichtig – für die Pflegebedürftigen und ihre
Angehörigen.
Eine Streichung von Pflegegrad 1 hätte gravierende Folgen für Menschen mit
Demenz und ihre Angehörigen – jetzt und in Zukunft. Entlastungsleistungen
sind wichtig, damit die Pflege zu Hause gelingt. Fallen sie weg, müssen
viele Betroffene womöglich früher stationär untergebracht werden. Das wäre
ungleich teurer für das Pflegesystem. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass
pflegende Angehörige ausbrennen, selbst krank werden oder aus dem
Erwerbsleben ausscheiden. Vermeintliche kurzfristige Einsparungen würden
hier langfristig somit zu höheren Kosten führen – gesellschaftlich wie
volkswirtschaftlich.