Wie Bayern zur Modellregion für digitale Alltagssicherheit werden kann
Ein Whitepaper des Forschungsverbunds ForDaySec unter Koordination der
Universität Passau skizziert Szenarien und Handlungsoptionen, um
Cybersicherheit zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu machen.
Wenn es um digitale Sicherheit geht, fühlen sich viele Nutzende schlicht
überfordert. Jedes neue vernetzte Gerät schafft potenzielle
Angriffsflächen. Während in Unternehmen eigene Abteilungen mit Kompetenz
im Bereich Digitalisierung und digitaler Sicherheit über die Einführung
und Nutzung neuer Technologien wachen, fehlt es in privaten Haushalten oft
an Wissen, Ressourcen und struktureller Unterstützung.
Die Europäische Union hat den Monat Oktober zum Monat für Cybersicherheit
erklärt, um auf die Dringlichkeit des Problems aufmerksam zu machen. Das
nehmen Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler des bayerischen
Forschungsverbunds ForDaySec unter Koordination der Universität Passau zum
Anlass für ein Whitepaper. Das Papier skizziert konkrete Szenarien,
Forschungsperspektiven und Handlungsoptionen. Es unterstreicht, dass
Cybersicherheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Bayern hätte den Forschenden zufolge das Potenzial, im Bereich der
digitalen Alltagssicherheit zu einer Modellregion in Europa zu werden. Die
an dem Verbund beteiligten Disziplinen listen in dem am 1. Oktober
veröffentlichten Whitepaper unter anderem folgende Handlungsempfehlungen
auf:
• Informatik: Eine neue Generation von Smart-Home-Anwendungen mit
integrierter künstlicher Intelligenz (KI) schafft Komfort, aber auch neue
Angriffsflächen. Viele Funktionen von heutigen Smart-Home-Systemen sind
als Cloud-Dienste ausgelagert, häufig bei Anbietern außerhalb der EU. Um
zusätzliche Sicherheitsmechanismen auch nachträglich einzubauen, sollten
KI-Systeme lokal und dezentral auf Endgeräten betrieben werden – in
Kombination mit offenen Standards. So bliebe Kontrolle gewährleistet.
Forschung und Hersteller sollten dafür gemeinsam Verantwortung tragen.
• Rechtswissenschaft: Händlerinnen und Händler sollten sich in der
Lieferkette unbedingt Updates zusichern lassen und sich rechtzeitig
juristischen Rat einholen – nicht zuletzt, um die Sicherheit im digitalen
Alltag nachhaltig abzusichern.
• Sozialwissenschaft: Es braucht ein systemisches Verständnis von
Verantwortung, Rollen und Alltagslogiken, um Sicherheitslösungen wirksam
zu gestalten.
Prof. Dr. Stefan Katzenbeisser, Co-Sprecher und Inhaber des Lehrstuhls für
Technische Sicherheit an der Universität Passau, betont: „Nicht alles kann
sicher gebaut werden. Aber vieles lässt sich sicher integrieren. Dafür
brauchen wir Strategien, die mit Unsicherheit rechnen und mit denen wir
trotzdem handlungsfähig bleiben.“
Dr. Henrich C. Pöhls, Geschäftsführer des IT-Sicherheitszentrums der
Universität Passau und Forscher am Lehrstuhl für Informatik mit
Schwerpunkt IT-Sicherheit, plädiert für mehr Offline-Fähigkeit der
„smarten“ Lösungen: „Smarte Alltagsgeräte senden ständig Daten und sind
untereinander vernetzt – ob nötig oder nicht. Wenn man die
Netzwerkkommunikation einschränkt oder sogar ganz vom Internet isoliert,
schützt man nicht nur seine kritischen Funktionen, sondern kann auch mehr
Privatsphäre im digitalen Alltag erreichen. Wir wollen smarte Fähigkeiten
auch ›offline‹.“
Beteiligt am bayerischen Verbund ist auch der Passauer Jurist Prof. Dr.
Thomas Riehm vom Institut für das Recht der digitalen Gesellschaft. Er
fordert: „Digitale Produkte müssen nach dem Kauf weiter betreut werden –
nicht nur, um Fehler zu beheben, sondern um Sicherheit über den gesamten
Lebenszyklus zu gewährleisten. Dafür braucht es dringend Rechtssicherheit
und klare Leitplanken für Unternehmen und Verbraucher.“
Die Botschaft des Whitepapers: Verantwortung für digitale Sicherheit darf
nicht mehr auf Einzelne abgewälzt werden. Stattdessen sollte diese
gesamtgesellschaftlich geteilt, Risiken minimiert und Unterstützung leicht
zugänglich gemacht werden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen sich für eine
gezielte Förderung der bayerischen Cybersecurity-Forschung aus. Der
Freistaat vereine eine starke Industrie, exzellente Forschung und
Innovationsmut – nach Ansicht der Forschenden ideale Voraussetzungen, um
zu einer Modellregion für andere Bundesländer und Europa im Bereich der
digitalen Alltagssicherheit zu werden.
Über den Forschungsverbund ForDaySec
Der Bayerische Forschungsverbund „Sicherheit in der
Alltagsdigitalisierung“ (ForDaySec) untersucht seit April 2022 neuartige
technische Verfahren für die Cybersicherheit privater Haushalte, kleiner
und mittlerer Unternehmen sowie der öffentlichen Verwaltung. Er bringt
erstmals Forschung aus Informatik, Rechts- und Sozialwissenschaften
zusammen, um Sicherheit systemisch zu denken. Dafür haben fünf bayerische
Universitäten ihre Expertise interdisziplinär gebündelt. Gefördert wird
der Verbund vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.