Kleine Fläche, große Herausforderung: Neue Plasma-Anlage sorgt für zuverlässige Fahrradtechnik
Fraunhofer IST, Tantec A/S und Rohloff AG entwickeln gemeinsam ein
nachhaltiges Verfahren zur Optimierung von Haftprozessen
In hochpräzisen Fahrradgetrieben müssen alle Komponenten auf engstem Raum
zuverlässig funktionieren – auch dort, wo der Einbauraum den Einsatz
konventioneller Wellendichtungen nicht zulässt.
In solchen Fällen kommen
flüssige Dichtmittel zum Einsatz, deren Haftung an metallischen
Oberflächen jedoch oft herausfordernd ist. Gemeinsam haben das Fraunhofer-
Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, die Rohloff AG und der
dänische Anlagenbauer Tantec A/S nun eine innovative Lösung realisiert,
die die Haftung dieser Dichtstoffe gezielt verbessert.
In einer speziell weiterentwickelten Plasmaanlage – der neuen VacuTEC2020+
designed for COntrolled ADhesion – wird ein vom Fraunhofer IST
entwickelter Beschichtungsprozess (COAD®) eingesetzt, der für eine
zuverlässige Haftung des Dichtstoffs auf dem Wälzlagerstahl sorgt. Seit
Juni 2024 ist die Anlage am Standort der Rohloff AG in Fuldatal im Einsatz
– mit durchschlagendem Erfolg.
Mit Plasma zur Prozesslösung
Der Weg zur Lösung war alles andere als trivial: Weder nasschemische
Reinigungsverfahren noch herkömmliche Plasmabehandlungen führten zu
zufriedenstellenden Ergebnissen. Die Herausforderung: Auf der
geschliffenen Oberfläche des Lagers haftete der Dichtstoff schlicht nicht
optimal – auch nicht nach intensiver Vorbehandlung. Der Einsatz des
COAD®-Verfahrens brachte hier die Wende.
Dabei handelt es sich um einen speziell am Fraunhofer IST entwickelten
trockenen Plasmaprozess, bei dem vollautomatisiert die einzelnen Schritte
der Reinigung und Beschichtung nacheinander ablaufen. Im ersten Schritt
wird die Oberfläche von Verunreinigungen befreit. Anschließend wird ein
sogenannter Präkursor eingebracht, der durch das Plasma aktiviert wird und
eine extrem dünne, hochreaktive Schicht auf der Oberfläche erzeugt. Durch
ihre hohe Reaktivität verbessert diese Schicht die Adhäsion zwischen
Bauteil und Dichtstoff deutlich – ganz ohne Lösungsmittel oder
energieintensive Zwischenschritte.
»COAD® ist ein echter Gamechanger für die industrielle
Oberflächenfunktionalisierung,
Abteilungsleiter Zirkuläre Produkte und Prozesse am Fraunhofer IST. »Der
große Vorteil liegt in der Kombination aus hoher chemischer Reaktivität
und Stabilität und der Möglichkeit, den Prozess passgenau auf
verschiedenste Anwendungen zuzuschneiden – ohne zusätzliche Reinigungs-
oder Trocknungsschritte.«
Gemeinsam zum Erfolg
Die Umsetzung war ein Gemeinschaftsprojekt: Tantec A/S lieferte die
VacuTEC 2020 als Grundsystem und passte die Anlagentechnik sowie Software
für den neuen Prozess an. Das Fraunhofer IST entwickelte nicht nur den
COAD®-Prozess, sondern auch die Beschichtungseinheit und das
Anlagenuntergestell, optimierte die Prozessparameter und schulte das
Personal. Rohloff testete die Beschichtung hinsichtlich Adhäsion und
Qualität und integrierte die Anlage in die eigene Fertigung.
»Für uns war entscheidend, eine prozesssichere und nachhaltige Lösung zu
finden, die sich direkt in unsere Produktion integrieren lässt. Die neue
Anlage ist daher ein echter Fortschritt: Sie verbessert nicht nur die
Haftung der Dichtstoffe deutlich, sondern reduziert auch den Aufwand in
der Nachbearbeitung«, sagt Mathias Gleim, Technischer Leiter der Rohloff
AG.
Nachhaltigkeit trifft Effizienz
Der COAD®-Prozess ist nicht nur technisch überzeugend, sondern auch
ökologisch: Er kommt ohne Lösungsmittel aus, benötigt keine aufwändigen
Trocknungsprozesse und verursacht – insbesondere bei Nutzung regenerativer
Energien – nur sehr geringe CO₂-Emissionen. Zudem lässt er sich flexibel
auf verschiedene Materialien, Bauteilgrößen und Stückzahlen anpassen.
Ein Verfahren mit Zukunft
Die neue Anlage in Fuldatal ist nur der Anfang: Gemeinsam mit der Firma
Tantec A/S plant das Fraunhofer IST eine Umsetzung der Technologie auf
größere Anlagendimensionen. So läuft am Fraunhofer-Zentrum Circular
Economy für Mobilität CCEM in Wolfsburg – einem Zusammenschluss mehrerer
Fraunhofer-Institute unter der Leitung des Fraunhofer IST – bereits die
Erprobung einer großvolumigen Variante des Verfahrens auf einer VacuTEC
8080+. »Für uns eröffnet die Integration von Beschichtungsprozessen in
unsere Anlagentechnik ganz neue Märkte und Möglichkeiten«, sagt Morten
Thrane, CEO von Tantec A/S. Ziel des Fraunhofer IST ist es, gemeinsam mit
Partnern den COAD®-Prozess für größere Bauteile und weitere industrielle
Anwendungen – etwa in der Automobil- und Luftfahrindustrie oder in der
Medizin- und Pharmatechnik – nutzbar zu machen.