Zum Hauptinhalt springen

Neue NRAHF-Direktorin appelliert an Politik und Gesellschaft / Herzregister hofft auf Rettung in letzter Sekunde

Privatdozentin Dr. med. Constanze Pfitzer, neue wissenschaftliche Direktorin des Forschungsverbundes, warnt vor Aus für die Forschung mit dem Nationalen Register für angeborene Herzfehler.  Quelle: Sarah Paff  Copyright: DHZC
Privatdozentin Dr. med. Constanze Pfitzer, neue wissenschaftliche Direktorin des Forschungsverbundes, warnt vor Aus für die Forschung mit dem Nationalen Register für angeborene Herzfehler. Quelle: Sarah Paff Copyright: DHZC
Pin It

Seit 1. September 2025 ist Constanze Pfitzer wissenschaftliche Direktorin
des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler am Kompetenznetz
Angeborene Herzfehler. Der Forschungsverbund steht vor einer
Herkulesaufgabe. Das international renommierte Register für die
mulizentrische Forschung steht seit 2025 ohne staatliche Mittel da. Bei
Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen sorgt das für Unmut.



Seit vielen Jahren forscht Constanze Pfitzer mit den Daten des Nationalen
Registers für angeborene Herzfehler (NRAHF). Zum 1. September 2025 hat die
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin vom Deutschen Herzzentrum der
Charité (DHZC) die wissenschaftliche Leitung des Registers und des
Kompetenznetzes übernommen. Die 36-jährige habilitierte Medizinerin hat
sich den Ausbau der multizentrischen und interdisziplinären Forschung mit
einer der weltgrößten Daten- und Biobanken für die Erforschung angeborener
Herzfehler zur Aufgabe gemacht.

Transfer in die Praxis soll beschleunigt werden

In Deutschland leben weit über eine halbe Million Kinder, Jugendliche und
Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler. Es ist die häufigste
angeborene Organfehlbildung. Eins von 100 Kindern kommt damit zur Welt.
„Über 90 Prozent der Neugeborenen erreichen heute das Erwachsenenalter –
selbst bei einem schweren Herzfehler. Das ist ein enormer medizinischer
Fortschritt“, sagt Constanze Pfitzer.

Um etwa 5 Prozent jährlich steigt die Zahl der betroffenen Erwachsenen.
Das stellt Medizin und Gesundheitswesen zugleich vor neue
Herausforderungen: „Wir haben es mit einer Vielzahl an unterschiedlichen
Diagnosen zu tun. Vorsorge, Früherkennung und Behandlung müssen mit der
gestiegenen Lebenserwartung der Patientinnen und Patienten Schritt halten
können“, erklärt die neue NRAHF-Direktorin.

Noch gebe es viele Fragezeichen zu Ursachen und Langzeitfolgen angeborener
Herzfehler. „Dafür wird die Langzeitforschung mit dem NRAHF dringend
gebraucht. Der rasche Transfer von Erkenntnissen in die Praxis ist dabei
wesentlich. Und der könnte mit den neuen digitalen Technologien noch
erheblich beschleunigt werden.“ Dafür setzt die Ärztin auf die weitere
Digitalisierung des Registers. Ein erstes Pilotprojekt zur KI-gestützten
Datenerfassung läuft bereits – gefördert von einer privaten Stiftung.

Medizinische Register brauchen gesicherte Finanzierung

Seit vielen Jahren erlaubt das Register Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen und Institutionen mit
seinem breiten Daten- und Probenschatz, gemeinsam Antworten zu drängenden
Fragen zu finden. Viel davon ist bereits in Leitlinien der medizinischen
Fachgesellschaften eingeflossen. Doch Unterhalt und Weiterentwicklung
medizinischer Register kosten. Rund eine Million Euro jährlich wendet das
Register dafür auf.

Das streng regulierte Management der treuhänderisch verwalteten Daten und
Proben von über 60.000 freiwillig Spendenden ist aufwändig. „Die
langjährige staatliche Förderung durch das Bundesforschungsministerium hat
dies bis zum vergangenen Jahresende maßgeblich mit ermöglicht“, betont
Constanze Pfitzer. Doch dann scheiterte plötzlich die vorgesehene
langfristige finanzielle Sicherung. Die geplante Anbindung des Registers
an eine staatlich geförderte Forschungsinstitution kam nicht zustande.
Damit ist die Zukunft der Forschung mit der Schlüsselressource derzeit
ungewiss.

Ende der Forschung ist keine Option

„Uns droht ein dramatischer Rückschlag. Ohne gesicherte Finanzierung ist
ab 2026 keine registerbasierte Forschung mehr möglich“, sagt Constanze
Pfitzer. „Ein Ende dieser Forschung wäre für uns nicht hinnehmbar. Nicht
zuletzt für die vielen Freiwilligen, die uns ihre Daten und Proben
anvertrauen, wäre das Aus des Registers mehr als bitter. Sie tun das in
der berechtigten Hoffnung auf eine verbesserte Versorgung und
Lebensqualität bis ins hohe Erwachsenenalter, auch für künftige
Generationen“, verdeutlicht die Wissenschaftlerin und Ärztin.

Vielen scheint nicht klar zu sein, was das NRAHF leistet

Der Förderstopp sorgt für Unmut auch unter den Patientinnen und Patienten.
„Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Christina Pack. Die 45-jährige
Juristin ist selbst betroffen und steht der Selbsthilfeorganisation
Jugendlicher und Erwachsener mit angeborenem Herzfehler, JEMAH e. V., vor.

Wie die insgesamt rund 9.000 Online- und Offline-Unterzeichnenden der von
JEMAH e. V. im Verbund des Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler gemeinsam
mit den kardiologischen Fachgesellschaften und der kinderherzen
Fördergemeinschaft Deutsche Herzzentren initiierten Bundestagspetition
„Jedes Herz zählt“ hofft sie auf Aufklärung und auf Vernunft. „Vielen
scheint nicht klar zu sein, was das Nationale Register seit Jahrzehnten
für uns und die Gesellschaft leistet.“

Hoffen auf Rettung in letzter Sekunde

Noch gibt man am NRAHF die Hoffnung auf Rettung in letzter Sekunde nicht
auf. Ein erneuter Antrag auf Weiterförderung wurde beim Bundesministerium
für Gesundheit (BMG) gestellt. „Wir hoffen auf baldige positive
Rückmeldung, und darauf, dass der erforderliche Ausbau der digitalen
Strukturen in Deutschland auch für die datensensiblen medizinischen
Registern zügig vorangetrieben werden kann“, sagt NRAHF-
Vorstandsvorsitzender Professor Anselm Uebing.

Ein dafür noch unter der Regierung von Angela Merkel für das BMG
erstelltes Gutachten listet das NRAHF unter den best-practice-Registern.
Klar war schon damals:  Für die Erforschung von neuen Therapien und zur
Verbesserung und Überprüfung bereits etablierter Behandlungsverfahren sind
Register wie das NRAHF unverzichtbar. „Jede Therapieverbesserung erhöht
die Chance auf ein langes Leben bei guter Lebensqualität und entlastet am
Ende unser Gesundheits- und Sozialsystem“, betont der Kieler
Kinderkardiologe.

Weiterführende Informationen für Ihre Recherche:

Wer forscht mit dem Register? Finden Sie auf unserer Karte die beteiligten
Kliniken vor Ort:
https://www.kompetenznetz-ahf.de/forscher/forschen-mit-uns/wer-forscht-
mit-dem-register/


Mehr zu „Jedes Herz zählt“:
https://www.jedes-herz-zaehlt.de