Nikotinbeutel – ein gefährlicher Trend unter Jugendlichen
Stiftung Kindergesundheit stuft Konsum von Snus als ernstzunehmende Gefahr
ein Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland
greifen zu Nikotinbeuteln, kleinen, weißen Päckchen mit hochkonzentriertem
Nikotin, die diskret im Mund getragen werden. Obwohl diese Produkte in
Deutschland nicht legal verkauft werden dürfen, sind sie für viele
Jugendliche leicht zugänglich. Die Stiftung Kindergesundheit warnt
eindringlich vor den gesundheitlichen Risiken und dem hohen Suchtpotenzial
dieser vermeintlich harmlosen Beutel.
Nikotinbeutel, auch als „Pouches“ oder „Snus“ bekannt, sind kleine, weiße
Beutelchen, die zwischen Zahnfleisch und Oberlippe gelegt werden. Dort
wird das enthaltene Nikotin über die Mundschleimhaut aufgenommen –
schnell, diskret und wirksam. Optisch ähneln sie dem sogenannten Snus,
einem oralen Tabakprodukt aus Schweden. Während Snus kleine Beutel mit
Tabak und Nikotin enthält und in der EU (außer in Schweden) verboten ist,
kommen die neuen Nikotinbeutel ohne Tabak aus. Stattdessen enthalten sie
ein Pulver aus Nikotinsalzen, Aromen und Trägerstoffen, das über die
Mundschleimhaut aufgenommen wird. Seit 2021 gelten sie in Deutschland als
Lebensmittel und dürfen wegen ihres hohen Nikotingehalts nicht legal
verkauft werden. Dennoch gelangen sie weiterhin über Kioske, Online-Shops
oder den privaten Handel an Jugendliche.
Ein wachsender Trend – auch an deutschen Schulen
Laut einer aktuellen Auswertung des Präventionsradars 2022/2023, einer
schulbasierten Studie mit über 12.000 Schülerinnen und Schülern der
Klassen 5 bis 10, haben bereits 5.4 % der befragten Kinder und
Jugendlichen mindestens einmal einen Nikotinbeutel konsumiert – 6.3 % der
Jungen und 3.5 % der Mädchen. Besonders auffällig: Im Alter von 16 bis 17
Jahren liegt die Lebenszeitprävalenz bereits bei 15.2 % der Jungen und
10.3 % der Mädchen. Nikotinbeutel sind damit kein Randphänomen mehr, trotz
der Tatsache, dass ihr Verkauf in Deutschland nicht erlaubt ist.
Die Studie zeigt zudem: Je niedriger der soziale Status und je höher die
individuelle Risikobereitschaft, desto häufiger ist der Konsum.
Mischkonsum mit anderen Produkten wie E-Zigaretten, Shishas oder
klassischen Zigaretten ist weit verbreitet und nimmt ab einem Alter von 13
Jahren deutlich zu. Vor allem in sozialen Netzwerken wie TikTok werden die
Produkte als vermeintlich harmlose Alltagsbegleiter oder sogar als
„Leistungsbooster“ beworben – oft von Influencern mit großer Reichweite.
Auch an Schulen ist der Konsum bereits angekommen.
Heimlich, still und schädlich
Eltern und Lehrkräfte bemerken den Konsum oft nicht: Die Beutel sind
klein, geruchlos und leicht zu verstecken – ganz anders als Zigaretten
oder E-Zigaretten. Viele Erwachsene halten sie für Bonbons oder Kaugummi.
Viele Jugendliche nehmen sie nicht als gefährliches Suchtmittel wahr,
sondern als scheinbar harmlose, moderne Alternative zur Zigarette. Sie
lassen sich diskret in den Schulalltag integrieren. Das Produktdesign
wirkt bewusst unverfänglich: Die Dosen erinnern eher an Kaugummi oder
Lippenbalsam als an ein gesundheitsgefährdendes Nikotinprodukt. Dabei kann
schon ein einziger Beutel Schwindel, Übelkeit und sogar Ohnmacht
verursachen. Bei regelmäßigem Konsum droht eine schnelle
Nikotinabhängigkeit – mit möglichen Folgen für Herz, Kreislauf und
Gehirnentwicklung.
Viele Produkte enthalten extrem hohe Nikotinmengen – bis zu 50 Milligramm
pro Beutel, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) berichtet.
Zum Vergleich: Eine Zigarette enthält etwa 8 bis 12 Milligramm Nikotin.
„Nikotin ist ein stark wirksames Nervengift“, erklärt Professor Dr.
Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Gerade im
Jugendalter kann es die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und das
Risiko für eine lebenslange Nikotinabhängigkeit deutlich erhöhen.“
Über die langfristigen gesundheitlichen Folgen gibt es bislang kaum Daten.
Fachleute warnen jedoch vor dem hohen Abhängigkeitspotenzial, möglichen
krebserregenden Inhaltsstoffen sowie gesundheitlichen Schäden im Bereich
von Mund, Rachen und Hals. Die Stiftung Kindergesundheit teilt diese
Einschätzung.
Verboten – aber dennoch erhältlich
Rechtlich dürfen tabakfreie Nikotinbeutel in Deutschland nicht verkauft
werden. Sie fallen unter das Lebensmittelrecht und benötigen eine
Zulassung, die bislang nicht vorliegt. Der Verkauf – auch in Kiosken oder
Online-Shops – ist somit eigentlich verboten. Doch die Realität sieht
anders aus: Bei Kontrollen finden Ordnungsämter immer wieder illegale
Angebote in Spätis, Shisha-Läden oder im Internet.
Die Stiftung Kindergesundheit empfiehlt Eltern, das Thema frühzeitig mit
ihren Kindern zu besprechen. Besonders wichtig:
• Informieren Sie sich über neue Konsumformen, auch wenn sie auf den
ersten Blick harmlos erscheinen.
• Sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kind über das, was es in den
sozialen Medien sieht oder was an der Schule kursiert.
• Erkennen Sie mögliche Warnzeichen wie häufige Übelkeit, Müdigkeit
oder den plötzlichen Wunsch nach mehr „Konzentration“ oder „Energie“.
• Tauschen Sie sich mit anderen Eltern und Lehrkräften aus.
Neue Herausforderung für Prävention und Gesundheitsschutz
Nikotinbeutel sind kein harmloser Lifestyle-Trend, sondern ein
ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko, besonders für Kinder und Jugendliche.
Die Stiftung Kindergesundheit fordert eine konsequente Regulierung, mehr
Kontrollen und vor allem: verstärkte Aufklärung für Familien, Schulen und
das pädagogische Umfeld.
„Je früher eine Nikotinsucht entsteht, desto eher verfestigt sie sich –
mit allen negativen gesundheitlichen Folgen für das spätere Leben“, warnt
Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.
„Deshalb brauchen wir jetzt klare Botschaften, gute Präventionsangebote
und eine aufmerksamere Gesellschaft.“