Michael Saliba über Perowskite – ein Material mit außergewöhnlichen Eigenschaften und großem Potenzial
Prof. Michael Saliba ist einer der weltweit führenden Perowskit-
Wissenschaftler. Diese besondere Materialklasse gilt derzeit als „Rising
Star“ unter den Halbleitern. Perowskite sind hocheffizient, kostengünstig,
leichtgewichtig, unkompliziert herzustellen und ein vielversprechender
Baustein für neue Photovoltaik-Technologien. Warum sie so wertvoll sind,
was sie bewirken können und vor welchen Herausforderungen die Perowskit-
Forschung steht, erklärt Saliba im Vorfeld der Nature-Konferenz „Advancing
Perovskite-Based Photovoltaics", die vom 29. September bis zum 1. Oktober
2025 an der Universität Stuttgart stattfindet.
Grüne Solarzellen für eine grüne Energie, die einen relativ kleinen
CO2-Abdruck hinterlässt: Hierfür forscht Prof. Michael Saliba, Leiter des
Instituts für Photovoltaik (ipv) der Universität Stuttgart, mit seinem
Team an einer besonderen Materialklasse, den Perowskiten. Sie eignen sich
besonders gut als Halbleiter und damit als Material für eine neue
Generation von Solarzellen. Am ipv arbeitet man daran, Perowskite
langfristig gegen Umwelteinflüsse zu stabilisieren und die optimale
Materialmischung zu finden. Zudem entwickeln die Forschenden „Tandem-
Solarzellen“, die eine Perowskit-Schicht mit einer Silizium-Schicht
kombinieren und dabei schnell auf den Meilenstein von 35 Prozent
Wirkungsgrad zusteuern. Perowskite könnten auch in der Medizintechnik, in
Beleuchtungssystemen oder in Satelliten zum Einsatz kommen, berichtet
Saliba. Das Interesse der Wirtschaft an diesem „disruptiv revolutionären“
Material sei groß.
Mehr dazu in unserem Interview:
Herr Professor Saliba, Sie haben 2014 in Oxford als einer der ersten zu
Perowskiten promoviert und halten sie für eine disruptive Innovation.
Welche Bedeutung haben Perowskite für die Wissenschaft?
Kein anderes Material hat einen so rasanten Aufstieg genommen wie
Perowskit. Erstmals wurden typische Perowskit-Kristallstrukturen 1839
beschrieben – in Form von Mineralienfunden. Die Forschung hat eine
Variante der Perowskite aber erst viel später, ab Mitte der 2010er Jahre,
für sich entdeckt. Heute wissen wir: Diese Kristalle eignen sich besonders
gut als Halbleiter und damit unter anderem als Material für die
Entwicklung einer neuen Generation von Solarzellen. Entsprechend beflügeln
die Perowskite die Photovoltaik weltweit. Es war übrigens ein
Wissenschaftler der Universität Stuttgart — Dieter Weber — der mit seiner
Forschung hierfür schon 1978 einen Grundstein gelegt hat.
Welche besonderen Eigenschaften haben Perowskite?
Perowskite sind relativ tolerant gegenüber Verunreinigungen und können
sehr viel Sonnenlicht absorbieren bei einer geringen Schichtdicke. Vor
allem ihre Produktion ist unkompliziert, kostengünstig und energiesparsam.
Was ist der Vorteil gegenüber der Herstellung herkömmlicher Halbleiter aus
Silizium?
Für die meisten klassischen Halbleiter braucht man hohe Temperaturen für
die Herstellung, die über 1000 °C hinaus gehen können. Zudem bedarf es
häufig auch Reinraum-Bedingungen. Perowskit-Kristalle hingegangen lösen
sich einfach in speziellen Lösungsmitteln auf. Die so hergestellte
Perowskit-Tinte kann man dann wie eine Farbe auf eine Oberfläche
aufsprühen, auftragen oder aufdrucken – Methoden, die beispielsweise in
der Drucktechnik verwendet werden. Wenn das Lösungsmittel sich
verflüchtigt, bleibt eine ultradünne Perowskit-Schicht übrig, die hundert
Mal dünner ist als ein menschliches Haar.
Sie kombinieren beide Materialien, richtig?
Genau. Wir arbeiten mit so genannten Tandem-Solarzellen. Sie bestehen aus
einer Perowskit-Schicht und einer darunterliegenden Schicht aus Silizium.
Perowskite verwandeln besonders gut blaues Sonnenlicht, Silizium das Licht
im Rot- und Infrarotbereich. So können wir die Eigenschaften von beiden
Materialien optimal nutzen und deutlich mehr Energie aus dem Sonnenlicht
gewinnen als mit einfachen Silizium-Zellen. Tandem-Solarzellen erreichen
inzwischen einen Wirkungsgrad von mehr als 34 Prozent, was den
Wirkungsgrad herkömmlicher Siliziumzellen von rund 27 Prozent deutlich
übersteigt.
Sie wollen Perowskite aus dem Labor in die industrielle Fertigung bringen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?
Was man sehr leicht natürlich produzieren kann, kann man auch sehr leicht
zerstören. Das heißt, eine der größten Herausforderungen ist es,
Perowskite langfristig zu stabilisieren. Und daran arbeiten wir mit
Hochdruck. Nicht nur mein Team, sondern viele Tausende von
Forschungsgruppen weltweit. Hier in Stuttgart suchen wir vor allem nach
der optimalen Materialmischung, um Perowskite gegen Umwelteinflüsse zu
stabilisieren: Feuchtigkeit, Sauerstoff und ironischerweise auch gegen
Licht.
Wieso Licht?
Perowskite können tatsächlich sehr lichtempfindlich sein. Das ist nach wie
vor ein zentrales Thema, um diesen Typ von Solarzelle marktreif für eine
breite Anwendung zu machen. Zu viel Licht kann dazu führen, dass sich das
Material verändert und die Solarzelle weniger effizient arbeitet –
besonders, wenn es feucht oder heiß ist.
Welche Anwendungsszenarien gibt es über Photovoltaik hinaus?
Perowskite kann man in Detektoren für die Medizintechnik einsetzen, also
für die Diagnostik. Bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-
Tomographie brauchen zum Beispiel spezielle Halbleiterkristalle, die hoch-
energetisches Licht aufnehmen können. Ein anderes großes Anwendungsfeld
sind Beleuchtungen, zum Beispiel als Displays. Im kommenden Jahr schicken
wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für
Raumfahrtsysteme, Prof. Stefanos Fasoulas und Prof. Sabine Klinkner,
erstmals unsere Perowskit-Solarzellen ins All, um ihre Eignung für
zukünftige Energieanwendungen in Satelliten zu überprüfen. Wir glauben,
dass Perowskite besonders resilient sind gegen die harschen Bedingungen,
die dort herrschen.
Hat die Wirtschaft Perowskite schon für sich entdeckt?
Die Wirtschaft hat ein großes Interesse an Perowskiten. Nicht nur große
Unternehmen wie die Merck AG, mit der wir im Austausch sind. Es entstehen
gerade auch viele Startups, vor allem in den USA. In Asien, vor allem in
China, entsteht gerade ein wachsender Markt für Perowskite. Und ich bin
überzeugt, dass wir auch in Deutschland alle Bedingungen erfüllen, um aus
Perowskit-Technologien einen florierenden Wirtschaftszweig zu machen. Eine
gute Startup-Umgebung wie wir sie in Stuttgart haben, kann das sicher
unterstützen. Mein Kollege Claudiu Mortan und ich treiben dieses Vorhaben
auch mit unserem Start-up „Perosol“, einem Spin-off der Universität
Stuttgart, voran.
Was motiviert Sie persönlich?
Wir wollen grüne Solarzellen für eine grüne Energie machen, die einen
relativ kleinen CO2-Abdruck hinterlässt. Die Uhr tickt. Unser Planet heizt
sich immer weiter auf. Dass wir es mit unserer fundamentalen Forschung in
der Chemie und Physik vom Labormaßstab auf die Dächer schaffen und damit
einen großen Beitrag leisten zur Bekämpfung des Klimawandels: Das ist für
mich und das Team sinnstiftend und treibt mich und uns weiter an.
Zu Prof. Michael Saliba
Prof. Michael Saliba leitet seit 2020 das Institut für Photovoltaik (ipv)
der Universität Stuttgart und ist zugleich am Forschungszentrum Jülich
tätig. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere waren die
Technische Universität Darmstadt, die Universität Fribourg, die École
polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und die Universität Oxford. Er
wurde unter anderem mit dem Helmholtz High Impact Award, dem Rising Star
Award, einem ERC-Starting Grant, dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Stuart R. Wenham Young
Professional Award ausgezeichnet. Saliba gehört in seinem Fachgebiet zu
den meistzitierten Wissenschaftlern weltweit.
Zur Nature-Konferenz
Vom 29. September 2025 bis zum 1. Oktober 2025 trifft sich das „Who is
Who“ der internationalen Perowskit-Wissenschaft an der Universität
Stuttgart zur Nature-Konferenz „Advancing Perovskite-Based Photovoltaics".
Welche Fortschritte und Herausforderungen gibt es bei der Entwicklung
hochwirksamer Solarzellen, die auf Perowskiten basieren? Wie kann man
neuartige PV-Technologien von der Grundlagenforschung in die praktische
Anwendung bringen? Über diese und weitere Fragen diskutieren weltweit
führende Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen aus der Industrie.