Gerechte Gesundheitssysteme für den globalen Süden
1,6 Millionen Euro für kulturgeographisches Projekt an der FAUWie lassen sich gerechte und widerstandsfähige Gesundheitssysteme
angesichts weltweiter Migrationsbewegungen gestalten? Welche Rolle spielt
Mobilität beim Zugang zu Versorgungsleistungen? Ist unser westliches
Verständnis von Gesundheit auf andere Gesellschaften übertragbar?
Mit
diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt TRANS-WELL, das die Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mit Partnern in der Schweiz,
Thailand, der Dominikanischen Republik und Mosambik durchführt. Die
VolkswagenStiftung fördert das Vorhaben in den kommenden vier Jahren mit
1,6 Millionen Euro, rund die Hälfte davon entfällt auf die FAU.
„Migrationsbewegungen sind logischerweise mit Mobilität verbunden. Doch
nach der Flucht vor Armut und Krieg, oft in benachbarte Länder, sitzen die
Menschen häufig in Lagern oder provisorischen Siedlungen fest“, sagt Prof.
Dr. Fred Krüger vom Institut für Geographie der FAU. Die zum Teil schlecht
ausgebauten Gesundheitssysteme seien auf Migration nicht eingestellt, oft
erlebten geflüchtete Menschen Diskriminierungen und sogar Gewalt durch die
heimische Bevölkerung und Behörden, was den Zugang zur
Gesundheitsversorgung zusätzlich erschwert.
Ökosystem des Wohlergehens
Im Projekt „From Health System Transformation to Well-Being Ecosystems:
Integrating Volatile Mobility Settings into Inclusive Development Pathways
(TRANS-WELL)“ forscht das interdisziplinäre Projekt-Team an einem
nachhaltigen Konzept für eine sozial gerechte Gesundheitsversorgung. Als
Fallbeispiele dienen drei Regionen des globalen Südens: Nordmosambik, die
Dominikanische Republik und Nordwestthailand. Krüger: „In Thailand siedeln
Menschen, die vor dem Bürgerkrieg in Myanmar geflohen sind, in der
Dominikanischen Republik sind es Flüchtlinge aus Haiti, die zum Teil
gnadenlos verfolgt werden. Mosambik ist ein Beispiel für intranationale
Migration: Hier fliehen Menschen vor bewaffneten Konflikten im ländlichen
Norden des Landes in die Städte.“
Trotz unterschiedlicher Versorgungslagen – in Thailand ist das
Gesundheitswesen wesentlich besser entwickelt als in Mosambik – verfolgt
das Projekt eine universelle Idee: ein integratives System, das stärker
auf Migration und Immobilität zugeschnitten ist und den Betroffenen ein
Recht auf aktive Mitgestaltung einräumt. „Wir müssen uns auch fragen, ob
unser westliches Verständnis von Gesundheit in diesen Gebieten hilfreich
ist“, erklärt Fred Krüger. „Wir schlagen vielmehr ein ‚Wellbeing
Ecosystem‘ vor – ein empathisches, holistisches Gesundheitswesen, das das
Wohlergehen des Menschen in den Mittelpunkt rückt sowie kulturelle und
spirituelle Besonderheiten ebenso berücksichtigt wie Emotionen und
Lebensentwürfe.“
Kreative Lösungen – nicht nur für den Süden
Die Forschenden streben eine Zusammenarbeit mit möglichst vielen
gesellschaftlichen Akteuren an: Politik, Gesundheitseinrichtungen,
Hilfsorganisationen und natürlich den Geflüchteten selbst. Von Interesse
sind nicht nur administrative Entscheidungsprozesse, sondern auch kreative
Lösungsansätze, die Vorbildcharakter für andere Regionen haben könnten:
„In Nordwestthailand etwa hat eine Hilfsorganisation ein selbsttragendes
Versicherungssystem aufgebaut“, erzählt Krüger. „Die meisten Migrantinnen
und Migranten dort haben weder Geld noch eine Krankenversicherung und
wären ohne diese Initiative von Versorgungsleistungen ausgeschlossen.“
Auch wenn die Fallbeispiele aus dem globalen Süden stammen, ist das
Projekt nicht nur auf diese Region ausgerichtet. „Ich denke, von den
Ergebnissen unserer Forschung könnten auch wir im so genannten Westen oder
Norden profitieren“, sagt Krüger. „Zum einen betrifft Migration inzwischen
den gesamten Globus, zum anderen könnte das Projekt den einen oder anderen
Anstoß geben, unsere Konzeption von Gesundheit zu überdenken. Denn für
alle Menschen, egal wo sie leben, gilt: Gesundheit ist nicht nur die
Abwesenheit von Krankheit.“
Über das Projekt
„TRANS-WELL“ wird im Rahmen der Initiative „Transdisciplinary Approaches
to Mobility and Global Health“ von der Novo Nordisk Foundation (Dänemark),
Wellcome Trust (Großbritannien) und der VolkswagenStiftung über einen
Zeitraum von vier Jahren mit 1,6 Millionen Euro gefördert. Etwa die Hälfte
davon erhält die FAU, die das Projekt koordiniert. Projektpartner sind das
Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH), die
Universität Chiang Mai, Thailand, die Lateinamerikanische Fakultät für
Sozialwissenschaften, Dominikanische Republik, und das Manhiça Health
Research Centre (CISM), Mosambik.