Nephrologen fordern Nationalen Nierenplan für Deutschland
n einer wegweisenden Resolution hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
am 23. Mai 2025 die chronische Nierenkrankheit (CKD) als globale
Volkskrankheit anerkannt (1). Dies beinhaltet die Förderung gezielter
Maßnahmen zur Prävention, Früherkennung und Versorgung von CKD. Aus Sicht
der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) und der
Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie e. V. (GPN) gilt es nun, die
geforderten Maßnahmen in Deutschland zügig umzusetzen und damit auch ein
wichtiges Signal an die eigene Bevölkerung zu senden. Deutschland braucht
einen Nationalen Nierenplan, in dem die Vorhaben und Ziele festgeschrieben
werden und bis wann diese erreicht werden sollen.
CKD: weltweit 674 Millionen Betroffene – in Deutschland über 10 Prozent
der Bevölkerung
Laut der WHO gehört die CKD mit weltweit 674 Millionen Betroffenen bereits
heute zu den am schnellsten wachsenden Todesursachen. Bis 2050 wird sie
voraussichtlich auf Platz fünf der Todesursachen liegen. Auch in
Deutschland sind Schätzungen zufolge über zehn Prozent der Bevölkerung
betroffen, häufig ohne es zu bemerken, denn CKD verursacht lange Zeit
keine Symptome. Die Ursachen sind meist Diabetes, Bluthochdruck und
Adipositas. Aber auch Umweltfaktoren wie Hitzebelastung oder Feinstaub
spielen eine zunehmend wichtige Rolle.
Hohe Gesundheitskosten durch CKD
Die gesundheitspolitische Relevanz ist groß: Die Versorgung von CKD-
Patienten verursachte in Deutschland im Jahr 2020 Gesundheitskosten in
Höhe von mehr als 24 Milliarden Euro – das sind rund fünf Prozent der
Gesamtausgaben (2). Bereits bei einer nur moderat eingeschränkten
Nierenfunktion liegen die Gesundheitsausgaben um das 2,8-Fache höher als
in der Allgemeinbevölkerung. Eine Dialysetherapie verursacht aktuell
jährliche Kosten von rund 60.000 Euro pro Patient (3). „Die Kosten von CKD
können durch Früherkennung und den Einsatz neuer Medikamente, die das
Fortschreiten der Krankheit verzögern, reduziert werden”, betonen Prof.
Dr. med. Martin Kuhlmann, Präsident der DGfN und Leiter der Klinik für
Nephrologie am Vivantes Klinikum Berlin Friedrichshain, sowie Prof. Dr.
med. Lutz T. Weber, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für
Pädiatrische Nephrologie (GPN) und Leiter der Klinischen Forschung
Pädiatrische Nephrologie an der Uniklinik Köln.
WHO-Resolution fordert frühe Diagnostik, Prävention und Ausbau der
Transplantationsmedizin
In der WHO-Resolution werden alle Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, ihre
Investitionen in die Prävention, Früherkennung und frühzeitige Therapie
der CKD zu verstärken, Forschungsprogramme zu fördern, die Zusammenarbeit
zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen auszubauen und die Bevölkerung
über Risikofaktoren aufzuklären. Auch der Ausbau der Nierentransplantation
als bevorzugte Behandlungsform bei Nierenversagen ist Teil der Resolution.
Hausärztliche Versorgung als Schlüssel zur Früherkennung.
Die meisten der Patientinnen und Patienten mit CKD können hausärztlich
betreut werden. „Schreitet die CKD jedoch rasch fort, liegt die eGFR unter
30 ml/min/1,73 m² oder besteht eine eGFR unter 60 ml/min/1,73 m² zusammen
mit weiteren Zeichen einer Nierenkrankheit, empfehlen wir die Überweisung
an eine nephrologische Facharztpraxis“, sagt Kuhlmann. Dies gelte auch bei
genetischen Störungen und Syndromen wie multiplen Zystennieren.
Kinder bei Nierengesundheit von Anfang an mitdenken
Auch für Säuglinge, Kinder und Jugendliche spielen die Nieren eine
zentrale Rolle für die Gesundheit – nicht nur in der Kindheit selbst,
sondern auch darüber hinaus. Da die Nieren eng mit weiteren Organen, etwa
dem Herzen, sowie dem Stoffwechsel verknüpft sind, können Störungen sich
gegenseitig beeinflussen und weitreichende negative Folgen haben. Im
Gegensatz zur Erwachsenenmedizin erfolgt die ambulante Versorgung von
Kindern mit Nierenkrankheiten im Wesentlichen durch spezialisierte
Fachabteilungen von Kliniken. Um eine hohe Versorgungsqualität zu
gewährleisten, ist die Anerkennung der Kindernephrologie im Rahmen der
Krankenhausreform als eigene Leistungsgruppe von großer Bedeutung. Dies
ist in der dritten Stellungnahme der Regierungskommission für eine moderne
und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung bereits berücksichtigt.
Niedergelassene Kinderärztinnen und Kinderärzte spielen gleichwohl eine
wichtige Rolle in der Prävention und Früherkennung. „Gerade vor dem
Hintergrund zunehmender Zahlen von angeborenen und genetisch bedingten
Nierenkrankheiten sowie der großen Bedeutung optimaler präventiver und die
Progredienz verzögernder Maßnahmen im Kindesalter für die lebenslange
Prognose nierenkranker Menschen ist die starke Verankerung der
Kindernephrologie in der klinischen Versorgungslandschaft höchst
bedeutsam“, sagt Lutz T. Weber.
„Jetzt handeln – und keine wertvolle Zeit verlieren“: Nephrologen fordern
Nationalen Nierenplan
Aus Sicht der DGfN und der GPN müssen die in der Resolution geforderten
Maßnahmen zügig in Angriff genommen werden. „Gerade Deutschland, das über
eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme weltweit verfügt, muss
dieses wichtige Zeichen für Nierengesundheit setzen“, so Kuhlmann. „Die
WHO-Resolution ist ein starkes Signal, dass die CKD als eine bedeutende
Volkskrankheit anerkannt wird, die wachsende Herausforderungen für die
öffentliche Gesundheit mit sich bringt – auch hierzulande.“ Kuhlmann
appelliert an die Bundesregierung, diese wichtige internationale
Entwicklung zügig durch nationales Handeln zu unterstützen. Wesentlich
dabei ist auch die starke Verankerung der Kindernephrologie in der
klinischen Versorgungslandschaft. „Nur so wird es gelingen, den
Krankheitsverlauf bei Millionen Betroffenen zu verlangsamen, Leid zu
lindern und Kosten für Arbeitsunfähigkeit, Dialyse und Transplantation zu
reduzieren“, sagt Martin Kuhlmann.
Bei Abdruck Beleg erbeten.
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Online-Pressekonferenz im Vorfeld der 17. Jahrestagung der DGfN
Termin: Dienstag, 30. September 2025, 11:00 bis 12:30 Uhr
Anmeldelink: https://register.gotowebinar.c
Originalpublikation:
(1) WHO-Resolution WHA78: " Reducing the burden of noncommunicable
diseases through promotion of kidney health and strengthening prevention
and control of kidney disease", Mai 2025,
https://apps.who.int/gb/ebwha/
(2) Gandjour, A., Armsen, W., Wehmeyer, W., Multmeier, J., Tschulena,
U., 2020. Costs of patients with chronic kidney disease in Germany. PLoS
One 15, e0231375. https://doi.org/10.1371/journa
(3) Häckl, D., Kossack, N., Schoenfelder, T., 2021. Kosten der
Versorgung und Formen des dialysepflichtigen chronischen Nierenversagens
in Deutschland: Vergleich der Dialyseversorgung innerhalb und außerhalb
stationärer Pflegeeinrichtungen. Gesundheitswesen 2021; 83: 818–828. DOI
10.1055/a-1330-7152