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KI analysiert Schluckvorgang

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Informatiker der FAU entwickeln Tool zur automatisierten Auswertung von
Röntgenbreischluckaufnahmen – 390.000 Euro für neues Projekt
Die Analyse des Schluckvorgangs insbesondere bei älteren Menschen und
Parkinsonpatient/-innen könnte durch KI-Unterstützung wesentlich
objektiver und präziser werden. Biomedizin-Informatiker/-innen der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) entwickeln ein
Werkzeug, das Röntgenbreischluckaufnahmen automatisch auswertet und
anzeigt, ob die Schluckphysiologie krankhaft verändert ist, was
lebensbedrohlich sein kann.

Das Projekt wird von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 390.000 Euro gefördert.

In der Regel ist das Schlucken ein automatischer Vorgang, dem wir wenig
Beachtung schenken. Bei Menschen in höherem Alter, nach Schlaganfällen
oder bei neurologischen Erkrankungen ist die Physiologie dieses Prozesses
jedoch oft gestört. „Verbleiben Speisereste im Rachen oder gelangen gar in
die Atemwege, kann das zu ernsthaften Komplikationen und nicht selten zum
Tod führen“, sagt Prof. Dr. Andreas Kist, Spezialist für biomedizinische
Signalanalyse an der FAU. Dass dieser Aspekt von besonderer medizinischer
Relevanz ist, zeigt die Statistik bei Parkinsonerkrankungen:
Lungenentzündungen durch Aspiration von Nahrung sind mit über 70 Prozent
die häufigste Todesursache dieser Patientengruppe.

Neuronale Netze lernen Anatomie

Eine etablierte Methode zur Untersuchung der Schluckphysiologie sind
Röntgenbreischluckvideos. Sie visualisieren den Weg des Bolus, so die
wissenschaftliche Bezeichnung des Nahrungsbreis, von der Mundhöhle bis zum
Magen. Eine Auflösung von 30 Bildern pro Sekunde liefert dabei die besten
Ergebnisse. Allerdings ist die Auswertung ein aufwendiger manueller
Prozess und daher subjektiv und fehleranfällig.

Die Kist-Gruppe arbeitet deshalb an einem KI-gestützten Verfahren, das die
Videos automatisch analysiert. Das ist alles andere als trivial, denn der
Schluckvorgang ist ein koordiniertes Zusammenspiel verschiedener Muskeln,
Nerven, Knochen und Knorpel. Das Tool muss am Ende in der Lage sein, diese
anatomischen Orientierungspunkte jedes einzelnen Patienten zu
identifizieren – auch dann, wenn die Aufnahmen aus unterschiedlichen
Perspektiven und mit Geräten verschiedener Hersteller gemacht worden sind.

„In der ersten Projektphase geht es überwiegend darum, die neuronalen
Netze mit Daten zur Anatomie zu trainieren“, erklärt Luisa Neubig.
„Zungenbein, Kehlkopf, Speise- und Luftröhre – all das muss die KI
zuverlässig erkennen, bevor sie Aussagen zur Schluckphysiologie treffen
kann.“ Neubig ist Doktorandin am Lehrstuhl von Andreas Kist und wird das
auf drei Jahre angelegte Projekt leiten. Die gebürtige Nürnbergerin hat
Medizintechnik an der FAU studiert und sich bereits in ihrer Masterarbeit
mit Deep-Learning-Modellen zur Schluckverhaltensanalyse beschäftigt. 2023
ist sie mit dem 1. Platz des Nachwuchspreises für Masterarbeiten der DMEA,
der Messe für Digital Health and Applikationen, ausgezeichnet worden.

Bologramm soll Entscheidungsprozesse beschleunigen

In Phase zwei des Projektes soll das Modell in die Lage versetzt werden,
auf Basis der erlernten anatomischen Parameter den Weg des Nahrungsbreis
im Zeitverlauf zu verfolgen und mögliche Rückstände zu erkennen. In Phase
drei schließlich widmen sich die Forschenden dem Ziel, sämtliche Daten des
Schluckprozesses in ein standardisiertes Raster zu übertragen und in einem
komprimierten Bild, dem sogenannten Bologramm, darzustellen. „Das
Bologramm soll eine schnelle Entscheidungsfindung in der klinischen Praxis
ermöglichen“, sagt Luisa Neubig. „Dabei arbeiten wir auch mit Farben, die
auf einen Blick signalisieren, ob sich alles im grünen Bereich bewegt oder
ob interveniert werden muss.“

Die Arbeit der Erlanger Biomedizin-Informatiker/-innen könnte dazu
beitragen, Röntgenbreischluckstudien im deutschen Gesundheitswesen stärker
zu etablieren. „In den USA ist dieses Verfahren weit verbreitet, in Europa
setzt man wegen der unvermeidlichen Strahlendosis eher auf endoskopische
Untersuchungen“, sagt Andreas Kist. „Mit Endoskopen kann man allerdings
den Schluckvorgang selbst nicht beobachten und fokussiert sich auf einen
Vorher-Nachher-Vergleich.“ Idealerweise führt die Zuverlässigkeit des
neuen KI-gestützten Tools dazu, dass Röntgenbreischluckvideos mit weniger
Bildern pro Sekunde auskommen oder im Therapieverlauf seltener gemacht
werden müssen – beides würde eine signifikante Verringerung der
Strahlenbelastung bedeuten.

Innovationsstandort für künstliche Intelligenz in der Medizin

Das Projekt wird von der DFG mit rund 390.000 Euro gefördert. Mit der
Summe wird eine Doktorandenstelle für einen Zeitraum von drei Jahren
finanziert. Die Förderung ist ein weiterer Beleg für die besondere
Expertise der FAU als Innovationsstandort und Knotenpunkt für künstliche
Intelligenz in der Medizin. Die Professur von Andreas Kist wurde am
Department Artificial Intelligence in Biomedical Engineering (AIBE)
eingerichtet. Das AIBE ist Ende 2019 im Rahmen Hightech Agenda Bayern
entstanden und arbeitet interdisziplinär und fächerübergreifend an der
Schnittstelle zwischen Medizin und Ingenieurwissenschaften.

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