Viele junge Menschen werden benachteiligt, ausgegrenzt oder diskriminie
Wie gelingt mehr Chancengerechtigkeit in einer vielfältigen Gesellschaft,
fragt die neu erschienene Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse.
Denn aktuelle Forschungsdaten des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zeigen,
dass eine große Anzahl von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in
Deutschland Erfahrungen mit Benachteiligung, Ausgrenzung oder
Diskriminierung macht.
Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist im deutschen
Grundgesetz verankert. Dennoch werden viele Kinder und Jugendliche im
Alltag beispielsweise aufgrund ihrer ethnischen Wurzeln oder ihres
Geschlechts diskriminiert, aufgrund einer Behinderung ausgegrenzt oder
aufgrund ihrer sozialen Herkunft benachteiligt. Die Auswirkungen solcher
Erfahrungen sind tiefgreifend. Sie beeinflussen nicht nur das
Selbstwertgefühl, sondern auch die Entwicklungsmöglichkeiten und
Lebenschancen junger Menschen nachhaltig. „Und sie vergiften das soziale
Klima“, warnt Prof. Dr. Sabine Walper, Direktorin des Deutschen
Jugendinstituts (DJI), im Editorial der neu erschienenen Ausgabe des
Forschungsmagazins DJI Impulse.
Angesichts aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen und wachsender
Vielfalt beleuchtet die Ausgabe 2/2025 unterschiedliche Facetten von
Benachteiligung, Ausgrenzung und Diskriminierung junger Menschen. DJI-
Wissenschaftler:innen und Gastautor:innen beschreiben in ihren Beiträgen
Ausmaß, Ursachen und Folgen – und zeigen auf Basis aktueller
Forschungsdaten mögliche Lösungsansätze auf, wie mehr Chancengerechtigkeit
erreicht werden könnte.
Vor allem strukturell benachteiligte junge Menschen fühlen sich oft
diskriminiert
Neue Auswertungen des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland:
Alltagswelten“, kurz AID:A, liefern erstmals repräsentative Daten zu
Diskriminierungserfahrungen junger Menschen in Deutschland. Ein
erheblicher Anteil Jugendlicher und vor allem junger Erwachsener berichtet
demnach von Diskriminierungserfahrungen, die oft mit anderen Formen
sozialer Ausgrenzung einhergehen und sich negativ auf das Wohlbefinden
auswirken. Nahezu ein Drittel der 18- bis 25-Jährigen mit Behinderung oder
körperlicher Beeinträchtigung und mehr als die Hälfte derselben
Altersgruppe mit Migrationsgeschichte haben entsprechende Erfahrungen von
Diskriminierung gemacht.
Unter allen jungen Menschen in Deutschland betrifft Diskriminierung den
Daten zufolge besonders häufig jene, die in unserer Gesellschaft ohnehin
strukturell benachteiligt sind. Neben jungen Menschen, die eine
gesundheitliche Beeinträchtigung haben, und jenen, die selbst oder deren
Elternteile beide im Ausland geboren sind, gilt dies auch für junge
Menschen, die eine nicht-heterosexuelle Orientierung angeben oder deren
Familien sich die für den üblichen Lebensstandard charakteristischen
Ausgaben nicht leisten können.
Kinder und Jugendliche werden aufgrund der alternden Gesellschaft
politisch übersehen
Im DJI-Impulse-Interview berichtet Ferda Ataman, Leiterin der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes, über die häufigsten
Beratungsanfragen von jungen Menschen. Sie fordert insbesondere mehr
Aufklärung an Schulen. Alle Bundesländer müssten dazu
Antidiskriminierungsgesetze auf den Weg bringen. Außerdem empfiehlt sie,
das Lebensalter als Merkmal im Grundgesetz aufzunehmen, um junge wie alte
Generationen vor Altersdiskriminierung schützen zu können.
Dass Altersdiskriminierung nicht nur ältere Menschen, sondern zunehmend
auch Kinder und Jugendlichen betrifft, analysieren Prof. Dr. Aladin El-
Mafaalani und Dr. Pia Jäger vom Bundesjugendkuratorium (BJK), dessen
„Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik“ am DJI angesiedelt ist. Durch
den wachsenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung werde die junge
Generation politisch übersehen und gesellschaftlich vernachlässigt. Die
Autor:innen belegen dies anhand vielfältiger empirischer Daten und halten
vor diesem Hintergrund eine Orientierung an Prinzipien des
Minderheitenschutzes für plausibel. Kinder und Jugendliche könnten auf
diese Weise systematisch in Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden.
Fast ein Viertel der Minderjährigen ist von Armut oder sozialer
Ausgrenzung bedroht
Fast ein Viertel der Minderjährigen in Deutschland ist von Armut oder
sozialer Ausgrenzung bedroht, zeigen die Auswertungen der Service- und
Monitoringstelle am DJI, kurz ServiKiD, welche die Ausgestaltung und
Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Neue Chancen für Kinder in
Deutschland“ begleitet. Ihre Aussichten auf ein selbstbestimmtes Leben
seien deutlich eingeschränkt, kritisieren die DJI-Wissenschaftler:innen
und fordern trotz geteilter Zuständigkeiten eine gemeinsame Verantwortung
der Fachressorts auf Bund-, Länder- und kommunaler Ebene, um allen Kindern
und Jugendlichen ein chancengerechtes und gesundes Aufwachsen zu
ermöglichen.
Notwendig sind der Abbau von Bildungsbarrieren und wirksame Schutzkonzepte
Dass strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung den Zugang zu
frühkindlicher Bildung, aber auch zu beruflicher Bildung erschweren,
thematisieren zwei weitere wissenschaftliche Analysen – und sie zeigen
zugleich aktuelle Entwicklungen, Initiativen und internationale
Erfahrungen auf, die deutlich machen, wie Veränderung möglich ist.
Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet über die wissenschaftliche
Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen
Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Forschende über
relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie sowie Bildung
und liefern Impulse für Politik, Wissenschaft und Fachpraxis.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Lisa Hasenbein, Jugendforscherin und Leiterin der DJI-Fachgruppe
„Lebenslagen und Lebensführung Jugendlicher“, Tel.: 089/62306-292,
<
Prof. Dr. Sabine Walper, DJI-Direktorin, Tel.: 089/62306-289,
<
Originalpublikation:
Forschungsmagazin DJI Impulse des Deutschen Jugendinstituts (DJI) (2025):
Aufwachsen in Vielfalt. Viele Kinder und Jugendliche werden benachteiligt,
ausgegrenzt oder diskriminiert. Wie gelingt in einer Realität voller
Unterschiede mehr Chancengleichheit? Nr. 139, Heft 2, München