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KI-Projekt soll verkohlte Papyrus-Rollen lesbar machen

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EU finanziert internationale Forschungs-Kooperation unter Beteiligung der
FAU. Dem Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Christus fiel auch eine
einzigartige Sammlung von Papyrusrollen zum Opfer. Im 18. Jahrhundert
wurden sie wiederentdeckt; die verkohlten und miteinander verklebten
Schriften sind jedoch bis heute größtenteils unlesbar.

Ein internationales
Projekt unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) will das nun ändern: Durch die Kombination und
Weiterentwicklung modernster Techniken wollen die Forschenden die
Aufzeichnungen rekonstruieren. Dabei sollen auch KI-Algorithmen zum
Einsatz kommen. Der Europäische Forschungsrat (ERC) finanziert das
Vorhaben in den kommenden sechs Jahren mit mehr als elf Millionen Euro.

Im Jahr 79 nach Christus brach völlig unerwartet der Vesuv aus, nach 500
Jahren völliger Ruhe. In den Stunden danach rasten mehrfach glühend heiße
Ströme aus heißem Gas und Asche die Hänge des Vulkans hinunter, gefolgt
von einer Lawine, die den Ort Herculaneum mit einer bis zu 20 Meter dicken
Schicht aus Schlamm und Asche bedeckten. Der Naturkatastrophe fiel auch
die Villa dei Papiri zum Opfer. Sie beherbergte eine einzigartige Sammlung
von Schriftrollen, die erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt wurde.

Als Laie könnte man diese Rollen leicht mit den halb verbrannten
Überresten eines Astes verwechseln: Sie sind völlig verkohlt; die
einzelnen Schichten, die wie Jahresringe übereinander liegen, sind zudem
fest miteinander verklebt und kaum zu trennen. „Bisher wurde etwa die
Hälfte der rund 1.800 in der Sammlung inventarisierten Schriftrollen und
Schriftfragmente mehr oder weniger erfolgreich entrollt.“, erklärt Dr.
Vincent Christlein vom Lehrstuhl für Mustererkennung an der FAU. „Und
selbst, wo das gelungen ist, ließen sich die Inhalte meist nur zum Teil
rekonstruieren.“

Ziel: Größere Treffsicherheit, mehr Speed

Prinzipiell lassen sich die Wicklungen aber auch virtuell trennen - also
mit Hilfe des Computers. Dazu werden die verkohlten Papyrus-Rollen mit
einem so genannten Micro-CT durchleuchtet. Dabei handelt es sich um ein
Röntgenverfahren, das sehr fein aufgelöste dreidimensionale Bilder
liefert. Diese digitalen 3D-Scans kann man dann per Software in einem
aufwändigen Verfahren zu einer zweidimensionalen Ansicht der Papyrus-Bahn
entrollen.

Das Team um die italienische Papyrus-Forscherin Dr. Federica Nicolardi,
den US-amerikanischen Experten für die digitale Restaurierung antiker
Manuskripte Prof. Dr. W. Brent Seales und Vincent Christlein wird diesen
Ansatz in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Zentraler Partner des
Projekts ist die Nationalbibliothek in Neapel, die nahezu alle erhaltenen
Herculaneum-Papyri bewahrt und direkten Zugang zu dieser einzigartigen
Sammlung ermöglicht. Für das Gemeinschaftsprojekt mit dem Namen UnLost
stellt die EU in den kommenden sechs Jahren rund 11,5 Millionen Euro zur
Verfügung. „Wir wollen einerseits den Entroll-Algorithmus verbessern und
erheblich beschleunigen“, sagt Christlein. „Zudem möchten wir erreichen,
dass die KI noch treffsicherer zwischen Schrift und Hintergrund
unterscheidet.“

Verborgene Zeichen sichtbar machen

Denn in Micro-CT-Scans heben sich die Zeichen farblich so gut wie nicht
vom dunklen Hintergrund ab. Selbst mit ausgefeilten
Bildbearbeitungsmethoden lässt sich der Kontrast nur selten so verstärken,
dass sie sichtbar werden. „Mehr als einzelne Buchstaben lassen sich so
nicht rekonstruieren“, betont Christlein. „Dazu müssen wir andere Methoden
nutzen.“ Er meint damit vor allem Maschinenlern-Algorithmen: Man kann sie
mit Tausenden von Papyrus-Regionen füttern, auf denen mit Sicherheit
nichts geschrieben steht, und im Gegensatz dazu mit Bereichen, auf denen
Buchstaben identifiziert wurden. Die KI-Verfahren lernen dann, Schrift von
Hintergrund zu unterscheiden - auch dort, wo das menschliche Auge versagt.

Die Forschenden wollen aber auch andere Durchleuchtungsverfahren erproben.
So wird beim sogenannten photoakustischen Verfahren Papyrus mit kurzen
Laserimpulsen bestrahlt. Die dabei entstehende Wärme erzeugt feine
Ultraschallwellen, die Rückschlüsse auf darunterliegende Strukturen
erlauben. Bei den physisch entrollten Fundstücken kommt es zudem mitunter
vor, dass Papyrus-Teile an der über ihnen liegenden Schicht kleben
bleiben. Mit Hilfe dreidimensionaler Mikroskopaufnahmen möchte das Team
solche Fehler identifizieren und zugleich KI-gestützte Vorschläge machen,
wohin die so gefundenen Papyrus-Flicken eigentlich gehören.

Die einzige vollständig erhaltene Bibliothek der römischen Antike soll
wieder auferstehen

Durch Methoden wie diese erhoffen sich die Beteiligten neue Einblicke in
einen einzigartigen Schatz: Die Funde aus Herculaneum haben Schätzungen
zufolge einen Umfang von mindestens 4,5 Millionen Wörtern; wahrscheinlich
sind es sogar deutlich mehr. Zum Vergleich: Die Bücher der Bibel kommen
zusammen auf 750.000 Wörter, die Qumran-Handschriften vom Roten Meer auf
gut 800.000. „Es handelt sich um ein Kulturerbe, das seines Gleichen
sucht: die einzige vollständig erhaltene Bibliothek der Antike mit
überwiegend griechischen und lateinischen Texten, die in ihrem
ursprünglichen Fundkontext entdeckt wurde“, erklärt Christlein.

Im Forschungsprojekt UnLost sollen nicht nur innovative Ansätze der
Digitalisierung sowie der KI-gestützten Analyse entwickelt werden, sondern
auch neue Methoden, die Texte aufzubereiten, zu archivieren und der
Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Die Ergebnisse könnten so als
Modell für die Restaurierung vergleichbarer Funde rund um den Globus
dienen.

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