So klingt Zukunft: erstes smartes Hörsystem implantiert
Die Erlanger HNO-Klinik ist eines von drei Zentren weltweit, die erstmals
smarte Cochlea-Implantate einsetzen„Es ist vergleichbar mit dem Innovationssprung vom Tastenhandy zum ersten
Smartphone“, sagt Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe, Leiter der Audiologie und
des Cochlear-Implant-Centrums CICERO der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf-
und Halschirurgie (Direktorin: Prof. Dr. Sarina Müller) des Uniklinikums
Erlangen.
Gemeint ist das weltweit erste smarte Cochlea-Implantatsystem
des Marktführers Cochlear Ltd., das erstmals einen integrierten Prozessor
und Speicherchip enthält. Offizieller Marktstart war im Juni 2025; am
CICERO wird das neue System aber bereits seit Juli 2024 eingesetzt. Denn:
Die Erlanger HNO-Klinik ist eines von nur drei Zentren weltweit, die vom
australischen Hersteller für den sogenannten Controlled Market Release
ausgewählt wurden. „Im vergangenen Jahr konnten wir bereits über 100
dieser neuen Implantate erfolgreich einsetzen – und sind damit anderen
Kliniken deutlich voraus“, berichtet Prof. Hoppe. „Dass Cochlear Ltd. uns
als Partner für die Markteinführung ausgewählt hat, unterstreicht die hohe
Expertise unseres Hauses – und die internationale Anerkennung von Prof.
Dr. Joachim Hornung, der als stellvertretender Klinikdirektor die
Operationen mit dem neuartigen Implantat durchführt.“
„Ein Cochlea-Implantat ist immer dann sinnvoll, wenn ein herkömmliches
Hörgerät nicht mehr ausreicht – also dann, wenn die Haarzellen in der
Hörschnecke – der Cochlea – keine elektrischen Impulse mehr über den
Hörnerv an das Gehirn weiterleiten können“, erklärt Ulrich Hoppe. „Während
ein Hörgerät Geräusche lediglich verstärkt und damit die noch
funktionierenden Haarzellen stimuliert, überbrückt ein Cochlea-Implantat
die geschädigten Strukturen vollständig: Es wandelt Schall direkt in
elektrische Signale um und reizt damit den Hörnerv – selbst dann, wenn
keine funktionstüchtigen Haarzellen mehr vorhanden sind.“ Eine derart
gravierende Schwerhörigkeit kann sowohl angeboren sein, als auch im Lauf
des Lebens erworben werden – etwa durch dauerhafte starke Lärmbelastung,
durch Infektionen wie bakterielle Meningitis oder Autoimmunerkrankungen.
Auch ein Hörsturz kann zu einem dauerhaften Hörverlust führen. Genau das
hat auch Elke L. erlebt, die am CICERO des Uniklinikums Erlangen in
Behandlung ist und dort im Februar 2025 mit dem neuen CI-System versorgt
wurde.
Plötzlich war die Welt leise
„Im Sommer 2022 habe ich schlagartig von einem Tag auf den anderen auf
meinem rechten Ohr nichts mehr gehört – ein Hörsturz, ohne ersichtliche
Ursache! Anfangs hatte ich noch die Hoffnung, dass sich mein Gehör wieder
erholt. Aber das Hörvermögen auf der rechten Seite kam nicht mehr zurück“,
schildert die heute 51-Jährige. „Die Ärztinnen und Ärzte der HNO-Klinik
des Uniklinikums Erlangen haben mir von Anfang an zu einem Cochlea-
Implantat geraten“, erinnert sie sich weiter. „Ich hatte Angst vor der OP
– daher habe ich das vorerst abgelehnt.“
Minimaler Eingriff, maximale Wirkung
„Bei der Cochlea-Implantation wird hinter dem Ohr ein kleiner Hautschnitt
gesetzt, über den ein Zugang zur Cochlea geschaffen wird. Die feinen
Elektroden werden vorsichtig in die Hörschnecke eingeführt, das Implantat
wird unter der Haut fixiert“, erklärt Prof. Hoppe. Anschließend kann der
Sprachprozessor, der die Umgebungsgeräusche aufnimmt und in elektrische
Impulse umwandelt, mithilfe eines Magneten außen an der Kopfhaut befestigt
werden. „Der Eingriff dauert in der Regel etwa eine Stunde und hat – dank
der Expertise unserer Operateure Prof. Dr. Joachim Hornung und Prof. Dr.
Sarina Müller – eine sehr hohe Erfolgsquote; bei uns wird so sicher
operiert wie fast nirgends.“ Jährlich finden in Erlangen rund 170 Cochlea-
Implantationen statt – die erste erfolgte bereits 1993. Damit zählt die
HNO-Klinik des Uniklinikums Erlangen zu den weltweit führenden Versorgern
auf diesem Gebiet.
Zeit, Geduld und Übung
Doch mit der Operation ist es nicht getan. Denn: Erst nach der
Heilungsphase von etwa drei Wochen wird der Sprachprozessor am Kopf
angebracht – und damit die Geräuschwahrnehmung aktiviert. Anschließend
muss das System noch programmiert und schrittweise an das Gehör der
Patientin oder des Patienten angepasst werden; der Hörnerv gewöhnt sich
nur langsam an die neue Stimulation, bei der Nachsorge bedarf es Zeit,
Geduld und Expertise. Daher steht am CICERO ein Team aus erfahrenen
Audiologinnen und Audiologen, Logopädinnen und Logopäden sowie
Therapeutinnen und Therapeuten zur Verfügung: Im Rahmen der ambulanten
Betreuung übernimmt es die Feinjustierung des Systems und unterstützt die
Patientinnen und Patienten dabei, das „neue Hören“ einzuüben. „Hier ist
alles unter einem Dach – das ist wirklich toll!“, berichtet Elke L.
erfreut, die sich nach ausführlicher Beratung dann Anfang 2025 doch für
ein Implantat entschied
Smarte Nachsorge
„Die individuell abgestimmte, qualitativ hochwertige Nachsorge ist für den
Behandlungserfolg mindestens genauso entscheidend wie der operative
Eingriff“, betont Ulrich Hoppe. „Das neue, weltweit erste smarte CI-
System, das wir seit vergangenem Jahr mit als Erste einsetzen, erleichtert
diesen Prozess entscheidend und bietet zudem weitere Vorteile für unsere
Patientinnen und Patienten.“ So kann das Implantat etwa dank des
integrierten Prozessors und Speicherchips die optimale Lage der Elektroden
am Hörnerv überprüfen und ermöglicht dadurch eine präzise Anpassung. Ein
weiterer entscheidender Vorteil: Sollte der magnetisch befestigte
Sprachprozessor verloren gehen, können die Patientendaten problemlos
wiederhergestellt werden. Eine erneute zeitaufwendige Programmierung ist
nicht mehr notwendig. „Zum Beispiel bei der Erlanger Bergkirchweih geht so
ein Teil schnell mal verloren“, schmunzelt Prof. Hoppe. Zudem ist die
Firmware aktualisierbar, wodurch regelmäßige Soundprozessor-Updates
eingespielt werden können; ein optimierter Energieverbrauch sorgt für eine
längere Akkulaufzeit.
So schön klingt das Leben
Elke L. gehört zu den ersten Patientinnen, die nun vom neuen smarten CI-
System profitieren – und sie ist mit ihrer Entscheidung, sich operieren zu
lassen, rundum zufrieden. „Früher wurde ich gerufen und wusste nicht,
woher die Stimme kam. Jetzt kann ich wieder genau zuordnen, aus welcher
Richtung ein Geräusch kommt“, erzählt sie strahlend. „Das ist eine ganz
neue Lebensqualität!“ Auf die Frage, ob sie anderen Betroffenen zu einem
Cochlea-Implantat raten würde, zögert sie keine Sekunde: „Unbedingt!“