Kleine Ströme – große Wirkung

Die Hydrologin Clarissa Glaser erforscht Transportprozesse in Gewässern –
gefördert von der Klaus Tschira Stiftung.
Für diese junge Forscherin ist Wasser auch
wissenschaftlich ein Lebenselixier: Dr. Clarissa Glaser, Hydrologin an der
Universität Bonn, hat sich dem H₂O auf ganz besondere Art auf die Spur
gesetzt. In einem von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekt
möchte sie modellieren, wie das Wasser in Flüssen und Bächen weltweit mit
dem Wasser in der umgebenden Landschaft - beispielsweise in Uferzonen, dem
Bachsediment oder Flussauen - ausgetauscht wird.
Ziel ist es zu prognostizieren, welche spezifischen Landschaftsmerkmale in
Bächen einen besonders starken Austauschprozess begünstigen. Das gerade
gestartete und auf drei Jahre angelegte Projekt „Vorhersage von
Transportprozessen in Bächen“ könnte dazu beitragen, abzuschätzen, wie
sich der Austausch durch die Auswirkungen des
Klimawandels auf den Wasserkreislauf verändert.
Auch wenn das mitunter so scheint, Fließgewässer sind keine oben offenen
und sonst geschlossenen Röhren in der Landschaft, sondern in ständigem
Austausch mit ihrer umgebenden Landschaft. Das Nass geht in den
Untergrund, breitet sich zur Seite aus und kann weiter flussabwärts wieder
zurück in das Fließgewässer fließen. Diese vielfältigen Austauschprozesse
mit der umgebenden Landschaft sind wichtig für die Wasserqualität.
Was ist der Hintergrund des Projekts?
Wir merken es alle, der Klimawandel verschärft sich und das hat wiederum
direkten Einfluss auf den Wasserkreislauf der Erde. Ob Starkregen mit
dramatischen Überflutungen, wie bei der Katastrophe im Ahrtal 2021, oder
Trockenperioden und Dürren. Die Auswirkungen dieser Extremereignisse für
die Lebewesen und die Wasserqualität von Flüssen und Bächen sind bislang
schwer abschätzbar.
„Um sie besser prognostizieren und damit auch managen zu können, und um
das Ökosystem langfristig zu erhalten, ist eine präzise mathematische
Beschreibung der Transport- und Austauschprozesse im System Bach
erforderlich“, weiß die Hydrologin Clarissa Glaser. Mit Hilfe von
mathematischen Modellen möchte sie in ihrer Arbeit Parameter ableiten, die
die Transport- und Austauschprozesse des Bachs auch bei Extremereignissen
beschreiben.
Was soll über die Fließgewässer herausgefunden werden?
Ein natürlicher Bach ist entlang seines Verlaufs äußerst vielfältig. Da
gibt es Steine, Totholz, kleine Inselchen, Vertiefungen, Biegungen und
flache Abschnitte, Licht und Schatten sowie Bewuchs verschiedenster Art.
All das beeinflusst die Transport- und Austauschprozesse, also die
Fließgeschwindigkeit des Wassers, und den Wasserfluss in das Bachsediment.
Beim Wasserfluss in das Bachsediment kann die Wasserqualität durch die
Aktivität verschiedener Mikroorganismen im Sediment nachhaltig verbessert
werden - insbesondere dann, wenn das Wasser weiter flussabwärts wieder in
den Bach zurückfließt. So kann beispielsweise die Nitratbelastung des
Gewässers reduziert werden.
Wie geht das?
„Wir verstehen aus physikalischer Sicht, wie diese Austauschprozesse
funktionieren: Wasser strömt stets in Richtung abnehmenden hydraulischen
Potentials, also von höherem zu niedrigerem Wasserstand. Diese Gradienten
steuern die Austauschprozesse“, sagt die Forscherin, „aber um den
Austausch anhand einfacher Landschaftsmerkmale und letztlich die
Konsequenzen für die Wasserqualität vorherzusagen zu können, ist es
notwendig, die Abhängigkeit dieser Austauschprozesse von den jeweiligen
Merkmalen zu verstehen und sie mathematisch zu quantifizieren. Und genau
das tun wir im Projekt.“
Dazu kommt: Die Forschung ist sich bis heute uneinig über die
grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Landschaftsmerkmalen und den
Modellparametern, die die Austauschprozesse beschreiben. Damit sind die
Austauschprozesse nicht prognostizierbar. „Da hat sich in den letzten
Jahren kein konsistentes Bild in der Forschung abgezeichnet“, bedauert
Glaser.
Das möchte sie mit dem Projekt ändern - und zwar mit der Untersuchung von
Bächen weltweit. Und mehr noch: am Ende soll es möglich sein, auch für
bislang nicht untersuchte Bäche, aufgrund der Landschaftsmerkmale, die man
beispielsweise im Luftbild erkennt, stimmige Vorhersagen zu machen. „Das
wäre die erste globale Studie überhaupt und ein riesiger Schritt nach
vorn.“
Was macht die Förderung spannend?
Dr. Saskia Haupt, die das Projekt betreuende Programm-Managerin bei der
Klaus Tschira Stiftung, freut sich schon jetzt auf die Ergebnisse. Was hat
sie überzeugt? „Das ist ein super interdisziplinäres Projekt mit dem Fokus
auf mathematischer Modellierung und einer breiten Anwendung in der
Klimaforschung. Das gibt ein rundes Bild“, betont die promovierte
Mathematikerin.
„Überdies“, so unterstreicht Saskia Haupt, „fördert das Projekt eine junge
Nachwuchswissenschaftlerin zu einem frühen Zeitpunkt darin, selbst wieder
einer Doktorandin die Chance zur Promotion zu eröffnen. Ein wichtiger
Schritt in der Karriere an der Hochschule.“
Außerdem ist Clarissa Glaser Geförderte beim Klaus Tschira Boost Fund. In
dem Programm werden unabhängige Fördergelder zur Schaffung von Freiräumen
für eigene, riskantere sowie interdisziplinäre Projekte vergeben.
Gleichzeitig werden die Forschenden bei der professionellen und
persönlichen Weiterentwicklung begleitet und beim Aufbau eines
internationalen Netzwerkes unterstützt. „Für uns ein wichtiges Zeichen,
dass unser Netzwerk funktioniert“, sagt Saskia Haupt.
Autorin: Kirsten Baumbusch, kirsten.baumbusch@klaus-tschir