Zi-Wissenschaftspreis „Regionalisierte Versorgungsforschung 2024“ verliehen
Studie zur Entwicklung von Krebsneuerkrankungen im Kontext
sozioökonomischer Ungleichheiten in Deutschland prämiert //
Ergebnis:
Sozial benachteiligte Regionen profitieren deutlich weniger von allgemein
sinkender Krebsinzidenz // „Prävention weiter vorantreiben, um Krebs
einzudämmen“
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat heute eine
herausragende wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet, die schwerpunktmäßig
regionale Unterschiede in der deutschen Gesundheitsversorgung untersucht
hat. Mit dem Zi-Wissenschaftspreis „Regionalisierte Versorgungsforschung“
wird in diesem Jahr Dr. Lina Jansen vom Epidemiologischen Krebsregister
Baden-Württemberg am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) prämiert.
Ihre Arbeit trägt den Titel „Trends in cancer incidence by socioeconomic
deprivation in Germany in 2007 to 2018: An ecological registry-based
study”. Der mit 7.500 Euro dotierte Preis wird bislang jährlich vom Zi
vergeben. Die nun ausgezeichnete Arbeit wird als deutschsprachiger
Kurzbericht im Zi-Versorgungsatlas veröffentlicht.
Jansen und ein Team weiterer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
haben untersucht, inwieweit sich eine allgemein sinkende Krebsinzidenz –
mit Ausnahme von Lungenkrebs – im Kontext sozioökonomischer Ungleichheit
der Bevölkerung in Deutschland entwickelt. Die Grundlage dafür waren
regionale Krebsregister-Daten. Diese deckten insgesamt 48 Millionen
Menschen aus acht Bundesländern ab. Das Kernergebnis: Der Rückgang von
Krebsneuerkrankungen ist in den am stärksten benachteiligten Regionen
deutlich weniger ausgeprägt als in den wohlhabenderen Gegenden. So sank
etwa die Inzidenz für Krebs insgesamt in den am wenigsten benachteiligten
Landkreisen von 2007 bis 2018 jährlich um 2,4 Prozent bei Männern bzw. 1,5
Prozent bei Frauen, in den am stärksten benachteiligten Kreisen hingegen
lediglich um 1,2 Prozent (Männer) bzw. 0,7 Prozent (Frauen).
Diese Ungleichheit hat sich im Beobachtungszeitraum ausgeweitet: 2007
hatten Männer in den sozioökonomisch schwächsten Regionen eine um 7
Prozent höhere Krebsneuerkrankungsrate als Männer in den am wenigsten
benachteiligten Gebieten. Dieser Unterschied vervielfachte sich über die
Jahre und erreichte einen Wert von 23 Prozent im Jahr 2018. Bei den Frauen
stieg der Unterschied ebenfalls von 7 Prozent im Jahr 2007 auf 20 Prozent
in 2018. Die größten Disparitäten sind bei Lungenkrebs beobachtet worden:
Die Inzidenz war 2018 in den am stärksten deprivierten Kreisen um 82
Prozent (Männer) bzw. 88 Prozent (Frauen) höher als in den am geringsten
deprivierten.
Um dieser Ungleichheit zu begegnen, sei es zunächst wichtig zu wissen,
wodurch die sozioökonomisch schwächsten Regionen charakterisiert sind,
bekräftigte Jansen. Die Studie habe gezeigt, dass sie hinsichtlich des
Zugangs zum Gesundheitssystem, der Entfernung zum nächsten medizinischen
Zentrum, der Ärztedichte oder der Anzahl an Krankenhausbetten nicht
deutlich von den am wenigsten benachteiligen Regionen differieren.
Unterschiede bestünden aber bei den individuellen Faktoren wie
Arbeitslosigkeit, Anteil an Sozialhilfeempfängern oder der
Schulabbrecherquote. Die sozialen Faktoren könnten also eine viel größere
Rolle spielen als die generelle Infrastruktur, so die Preisträgerin
weiter. Auch die unterschiedliche Verbreitung von lebensstilbedingten
Krebsrisikofaktoren trage nach Bewertung des Autorinnen- und
Autorenkollektivs erheblich zur sozialen Ungleichheit bei
Krebserkrankungen bei. So gebe es bei der Häufigkeit von Tabakkonsum, beim
Bewegungsmangel oder einem starken Übergewicht ein signifikantes
sozioökonomisches Gefälle.
„Die Ergebnisse der von uns aktuell ausgezeichneten Studie zeigen erneut
sehr eindringlich, dass gleiche Rahmenbedingungen bei den
Versorgungsstrukturen noch keine ausreichende Voraussetzung für gleiche
Teilhabe am medizinischen Fortschritt schaffen. Damit alle Menschen
unabhängig vom sozialen Status und vom Wohnort gleichermaßen von
effektiven Präventionsmaßnahmen und Krebsfrüherkennungsuntersuchun
profitieren, sind offenbar spezifische Anstrengungen zur Ansprache
benachteiligter Bevölkerungsgruppen notwendig,“, sagte der Zi-
Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Je mehr unerwünschte
strukturelle Unterschiede zwischen den Regionen zunähmen, umso mehr werde
sich Versorgungsforschung auch mit der Aufdeckung der Ursachen für
unterschiedliche Erkrankungsraten beschäftigen müssen, so von Stillfried
abschließend.
Der Zi-Wissenschaftspreis 2026 wird im Herbst 2025 neu ausgeschrieben.
Weitere Informationen finden Sie dann hier:
https://www.zi.de/service/auss