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Ein „TÜV“ für die Nerven

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Forschende der Universitätsmedizin Magdeburg entwickeln innovativen Test,
der frühzeitig Nervenschäden und kognitive Störungen bei Diabetes
identifiziert.



Mit spielerischen Testaufgaben auf dem Smartphone kombiniert mit einer
sensorgestützten Einlegesohle lassen sich Nervenschäden und kognitive
Einschränkungen bei Menschen mit Diabetes erkennen. Das berichtet ein
Forschungsteam der Universitätsklinik für Nieren- und
Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg in den Fachjournalen Frontiers in
Endocrinology und Journal of Medical Internet Research. Die zwei Studien
beruhen auf Daten von 329 Probandinnen und Probanden. Die Erkenntnisse
sind besonders relevant, denn Nervenschäden durch Diabetes bleiben häufig
unentdeckt, obwohl sie bei jedem dritten Menschen mit Diabetes vorkommen
und die frühe Erkennung und Behandlung zu verbesserten Prognosen führen
kann. Bundesweit nimmt die Zahl der Zuckerkranken nach wie vor zu. In
Sachsen-Anhalt sind es mit 13 Prozent der Bevölkerung besonders viele.

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte bei Diabetes können auch die sogenannten
peripheren Nerven angreifen. Diese steuern Muskelbewegungen und leiten
unter anderem Schmerzsignale der Haut an das Gehirn. Die Folge sind
Symptome wie Ameisenkribbeln, unangenehmes Ziehen und Brennen, meist
verbunden mit Bein- oder Fingerkrämpfen bis hin zum vollständigen Verlust
von Wahrnehmung an den Füßen. „Aktuelle Untersuchungsmethoden zur
Früherfassung einer diabetischen Nervenschädigung wie der Stimmgabeltest,
bei dem an verschiedenen Stellen des Fußes ein Suchtest durchgeführt wird,
sind nicht nur zeitaufwendig, sondern auch stark vom Untersuchenden
abhängig“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. med. Peter Mertens, Direktor
der Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie
und Endokrinologie Magdeburg. Die neuartige Methode entwickelt durch das
Forschungsteam um den Diabetologen verfolgt einen spielerischen Ansatz:
Sensortragende Einlegesohlen steuern eigens entwickelte Videospiele, die
Daten zur Nervenfunktion und Kognition liefern.

In zwei klinischen Studien mit insgesamt 329 Probanden untersuchte das
Team, ob der spielbasierte Ansatz zuverlässig Nervenschäden und kognitive
Einschränkungen erkennen kann. Die Teilnehmenden steuerten die
12-minütigen Videospiele durch Bewegungen, die von den Sensor-Innensohlen
aufgezeichnet wurden. Die Spiele erforderten unterschiedliche motorische
und sensorische Fähigkeiten, darunter das Drücken virtueller Tasten oder
das Steuern von Spielfiguren durch präzise Gewichtsverlagerungen.

Die Ergebnisse der Spiele wurden anschließend mit etablierten
medizinischen Verfahren verglichen. Die Nervenfunktion bewertete das Team
unter anderem durch Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit – ein
anerkannter Goldstandard. Zudem wurden kognitive Fähigkeiten anhand des
standardisierten MOCA-Fragebogens (Montreal Cognitive Assessment)
überprüft.

Die Studien zeigten, dass die Videospiel-Methode Nervenschäden und
kognitive Beeinträchtigungen mit hoher Genauigkeit vorhersagen kann. Die
Kombination aus spielerischem Ansatz, sensibler Messtechnik und KI-
Auswertung eröffnet neue Möglichkeiten, die Diagnostik zu vereinfachen und
für den klinischen Alltag zugänglich zu machen.

„Ein Nerven-TÜV, der durch maschinelles Lernen immer präziser wird, könnte
Routineuntersuchungen revolutionieren“, erklärt Prof. Mertens. Aktuell
plant das Forschungsteam, die Methode auf weitere Patientengruppen
auszuweiten und den Algorithmus durch größere Datenmengen weiter zu
optimieren. Ziel ist es, die Spiele als Standardinstrument in die
medizinische Praxis zu integrieren. „Voraussetzung ist, dass die
Untersuchung unter standardisierten Bedingungen durchgeführt wird und die
Sensorik geeicht ist, wie bei einem richtigen TÜV“, so Prof. Mertens
abschließend.

Das Projekt wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und
Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt sowie dem Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung im Rahmen des Programms Autonomie im Alter
(Fördernummer: ZS/2016/05/7 8615, ZS/2018/12/95325) gefördert.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Peter R. Mertens, Direktor der Universitätsklinik für Nieren-
und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie, Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg, Tel.: +49-391/6713236, E-Mail:
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Originalpublikation:
Ming A, Lorek E, …, Mertens PR. Unveiling peripheral neuropathy and
cognitive dysfunction in diabetes: an observational and proof-of-concept
study with video games and sensor-equipped insoles. Front Endocrinol
(Lausanne). 2024 Mar, DOI: 10.3389/fendo.2024.1310152.
https://www.frontiersin.org/journals/endocrinology/articles/10.3389/fendo.2024.1310152/full

Ming A, Clemens V, …, Mertens PR. Game-Based Assessment of Peripheral
Neuropathy Combining Sensor-Equipped Insoles, Video Games, and AI: Proof-
of-Concept Study. J Med Internet Res. 2024 Oct, DOI:
10.2196/52323.https://www.jmir.org/2024/1/e52323

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