KI soll Akutversorgung bei Schlaganfall verbessern
Rund 1.800 Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall wurden
2024 über das telemedizinische Schlaganfallnetzwerk Ostsachsen versorgt.
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Mittels Telemedizin wird flächendeckende und qualitativ hochwertige
Versorgung von Akutfällen sichergestellt. | KI-gestützter Algorithmus soll
Rettungsdienste künftig bei Zuweisung in Krankenhäuser unterstützen. |
Innovatives Nachsorgeprogramm rundet Schlaganfallversorgung ab und wird
mit Forschungspreis ausgezeichnet.
Schlaganfälle gehören zu den häufigsten Todesursachen und sind Hauptgrund
für Behinderungen im Erwachsenenalter. Rund 270.000 Menschen in
Deutschland erleiden jährlich einen Schlaganfall, in Sachsen sind es etwa
22.000 - trotz umfassender Prävention und Aufklärung. Die zahlreichen
Betroffenen benötigen im Akutfall eine schnelle, leitliniengerechte
Versorgung. Das Telemedizinische Schlaganfallnetzwerk (SOS-TeleNET) stellt
die flächendeckende Versorgung akuter Schlaganfallpatientinnen und
-patienten mittels Telemedizin auch in ländlichen Regionen sicher. Im Jahr
2024 profitierten 1.800 Patientinnen und Patienten von diesem Netzwerk,
indem sie mithilfe telemedizinischer Beratung durch
Schlaganfallexpertinnen und -experten behandelt und bei Bedarf zur
spezialisierten Therapie in das Dresdner Neurovaskuläre Zentrum verlegt
wurden. In einem neuen Forschungsprojekt untersuchen Expertinnen und
Experten aus Medizin und Wissenschaft derzeit, wie der Einsatz von
Künstlicher Intelligenz (KI) die Erstversorgung nach einem Schlaganfall
weiter verbessern kann. „Hier eröffnet KI die Möglichkeit, den Zugang zur
besten medizinischen Versorgung auch für jene Patientinnen und Patienten
zu gewährleisten, die abseits von gut ausgebauter Infrastruktur leben“,
sagt Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Dresden.
Die akute Versorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten in
Ostsachsen wird bereits seit 2007 durch die Etablierung des
telemedizinischen Schlaganfallnetzwerkes optimiert und mithilfe von engen
Kooperationen im zertifizierten Neurovaskulären Netzwerk weiter
spezialisiert. Das Zentrum des SOS-TeleNET an der Klinik und Poliklinik
für Neurologie des Uniklinikums Dresden bietet zwölf Kliniken in
Ostsachsen telemedizinische Unterstützung für Patientinnen und Patienten
nach einem akuten Schlaganfall. Weitere acht neurologische
Kooperationspartner bilden das zertifizierte Neurovaskuläre Netzwerk
Südbrandenburg/Ostsachsen (SOS-NET). 2024 profitierten rund 1.800
Patientinnen und Patienten von SOS-TeleNET, indem sie mithilfe
telemedizinischer Beratung durch Schlaganfallexpertinnen und -experten
behandelt und bei Bedarf für eine spezialisierte Therapie in das Dresdner
Neurovaskuläre Zentrum verlegt wurden. Von insgesamt 434 Patienten, die
für eine spezialisierte Behandlungsmethode ans Uniklinikum verwiesen
wurden, kamen 184 über die etablierten Netzwerkstrukturen.
Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Neurologie, Neurochirurgie
und Neuroradiologie sichert das Netzwerk gemeinsam mit den beiden
westsächsischen Netzwerken (TESSA und TNS-NET) auch über die
Akutversorgung hinaus einen hohen Standard in der regionalen Versorgung
neurovaskulärer Erkrankungen. Die über 15 Jahre entstandene
vertrauensvolle Zusammenarbeit von Kliniken unterschiedlicher
Versorgungsstufen ist das Ergebnis der stetigen Netzwerkarbeit der
Mitarbeitenden in den Zentren. Die gemeinsame Geschäftsstelle der
telemedizinischen Schlaganfallnetzwerke, „Stroke-Link Sachsen“, hat ihren
Sitz am Universitätsklinikum Dresden. Ein wichtiger Teil der
Projektförderung durch den Krankenhauszukunftsfond war die Erneuerung der
Telemedizin-Technik bei allen 32 telemedizinisch vernetzten
Projektpartnern. Damit wurde eine nachhaltige Infrastruktur geschaffen,
die zukünftig die Unterstützung der Expertinnen und Experten auch bei
weiteren Krankheitsbildern gewährleisten kann. „Durch die gemeinsame
Geschäftsstelle werden einheitliche Qualitätsstandards in der
telemedizinischen Schlaganfallversorgung sachsenweit etabliert. Die
Geschäftsstelle übernimmt die administrativen Aufgaben, etwa im
Qualitätsmanagement und der einheitlichen Qualitätssicherung, auch wenn
die drei Netzwerke autark die Patientenversorgung mit ihren regionalen
Partnerkliniken sicherstellen“, so Claudia Wojciechowski, Projektleiterin
von „Stroke-Link Sachsen“. Über dieses Projekt wurden im Jahr 2024
insgesamt 2.496 Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall
telemedizinisch mitbeurteilt. Auf Basis der dokumentierten Telekonsile
wird der erste sachsenweite Qualitätsbericht für das Erfassungsjahr 2024
in der telemedizinischen Schlaganfallversorgung durch die Geschäftsstelle
erstellt.
Forschungsprojekt nutzt Künstliche Intelligenz für schnellere Einweisung
Bei der akuten Schlaganfallversorgung ist ein rechtzeitiger Zugang zu
lebensrettenden Behandlungen entscheidend. Das ist vor allem in der
flächendeckenden Versorgung im ländlichen Raum eine Herausforderung – hier
soll der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) die Ersthilfe nach einem
Schlaganfall weiter verbessern. In einem Forschungsprojekt am Else Kröner
Fresenius Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ) will das Projektteam
einen Algorithmus entwickeln, der die Rettungsdienste bei der Zuweisung
akuter Schlaganfallpatientinnen und -patienten an Krankenhäuser
unterstützt. „Die Erstversorger im Rettungswagen müssen regelhaft über
die korrekte Zuweisung von Patienten und Patientinnen entscheiden;
mitunter ist ein Krankenhaus näher, doch das andere bietet spezialisierte
Schlaganfalltherapien an. In solchen Situationen könnte unser Algorithmus
in Sekundenschnelle eine Entscheidung treffen und die Betroffenen dorthin
leiten, wo sie die bestmögliche Versorgung erhalten“, so PD Dr. med.
Jessica Barlinn, Projektleiterin und Neurologin an der Dresdner
Hochschulmedizin. „Der Algorithmus berücksichtigt dabei verfügbare
Ressourcen wie CT-Bildgebung oder endovaskuläre Therapien, aber auch
Qualitätskriterien und Transportzeit.“
Das Projekt ARAS (Allocation Algorithm for Optimized Regional Acute Stroke
Care - Zuweisungsalgorithmus für optimierte regionale Akutversorgung bei
Schlaganfall) entwickelt diesen Algorithmus mittels simulationsbasierter
Analysen. Er nutzt hierzu die aktuelle Verkehrsinfrastruktur,
Bedarfsszenarien, die auf realen Patientendaten basieren, Transportzeiten
und aktuelle Klinikressourcen. So können Schwachstellen identifiziert und
die Verteilung der Patientinnen und Patienten optimiert werden. Ein
webbasierter Prototyp zeigt den Rettungskräften künftig in Echtzeit an,
welches Krankenhaus die notwendigen Kapazitäten und die optimale
Behandlungszeit bietet. Neben der besseren Patientenversorgung wird auch
die Wirtschaftlichkeit untersucht: Effizientere Transporte und die
Vermeidung unnötiger Verlegungen entlasten die Rettungsdienste und senken
Kosten. „Langfristig bietet der ARAS-Algorithmus großes Potenzial für die
Übertragung auf andere Regionen und Krankheitsbilder wie Herzinfarkt oder
schwere Verletzungen“, so PD Dr. Barlinn.
Forschungspreis für Evaluation der strukturierten Schlaganfallnachsorge
Dass der Schlaganfall nicht nur eine Akuterkrankung ist, sondern die
gesamte Versorgungskette für das klinische Ergebnis der Patientinnen und
Patienten eine zentrale Rolle spielt, unterstreicht die Etablierung eines
strukturierten Nachsorgeprogramms am Uniklinikum Dresden. Im Dezember 2024
wurde eine Evaluation des Case Management Programms „SOS-Care – Hilfe nach
Schlaganfall“ mit dem renommierten Fürst von Donnersmarck-Forschungspreis
ausgezeichnet. SOS-Care ist ein strukturiertes Case Management Programm,
in dem seit 2011 Betroffene nach einem Schlaganfall für ein Jahr begleitet
werden. Ziel ist es, weitere Schlaganfälle sowie eine Pflegebedürftigkeit
langfristig zu vermeiden. Die Edukation zu den Risikofaktoren, die
regelmäßige Medikamenteneinnahme in der Sekundärprophylaxe und die
umfängliche Aufklärung zum Krankheitsbild sind die Säulen der
strukturierten Nachsorge. In der Veröffentlichung „Case management-based
post-stroke care for patients with acute stroke and TIA (SOS-Care): a
prospective cohort-study“ (Barlinn K et al., J Neurol 2024) hat das Team
die Daten aus dem Nachsorgeprogramm wissenschaftlich ausgewertet. Das in
dieser Studie evaluierte Case Management Programm „SOS-Care – Hilfe nach
Schlaganfall“ knüpft in der ambulanten Phase nach dem Klinikaufenthalt von
Schlaganfallbetroffenen an der Stelle an, wo professionelle Unterstützung
abrupt endet. Das Ergebnis zeigt: Eine strukturierte Nachbetreuung stärkt
die Eigenständigkeit der Betroffenen und verhindert erneute Schlaganfälle,
Pflegebedürftigkeit und das Versterben der Patientinnen und Patienten
aufgrund erneuter Ereignisse. Die Veröffentlichung wurde auch innerhalb
des Uniklinikums ausgezeichnet: Mit der Studie gewann das SOS-Care-Team im
vergangenen Jahr den UKD-Publikationspreis, der im Rahmen des
Aktionsjahres Patientensicherheit am Uniklinikum ausgeschrieben wurde.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik für Neurologie
Claudia Wojciechowski, Kaufmännische Leitung SOS-TeleNET
Tel. 0351 / 458 18472
E-Mail: stroke-link@uniklinikum-dresde
Originalpublikation:
Barlinn K, Winzer S, Helbig U, Tesch F, Pallesen LP, Trost H, Pfaff N,
Klewin S, Schoene D, Bodechtel U, Schwarze J, Puetz V, Siepmann T,
Rosengarten B, Reichmann H, Schmitt J, Barlinn J. Case management-based
post-stroke care for patients with acute stroke and TIA (SOS-Care): a
prospective cohort study. J Neurol. 2024 Aug;271(8):5333-5342.