Studie: Warum viele Menschen Medien misstrauen
In manchen Teilen der Bevölkerung, gerade auch in Sachsen, sinkt das
Vertrauen in die Medienlandschaft genauso wie das in die Politik.
Dieser
Eindruck wird nun durch eine wissenschaftliche Studie des Instituts für
Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig gestützt:
Die Forschenden haben im Rahmen einer Studie über einen Zeitraum von fünf
Jahren hinweg 61 qualitative Leitfadeninterviews geführt und ausgewertet.
Die Ergebnisse der Studie wurden nun unter dem Titel „Von Lügenpresse und
abgehobenen Eliten“ veröffentlicht. Fragen an die beiden Co-Autor:innen
Dr. Judith Kretzschmar und Dr. Uwe Krüger:
Das Buch trägt den Titel „Von Lügenpresse und abgehobenen Eliten.
Journalismus- und Demokratievertrauen in Sachsen“ . Was war Ausgangsthese
Ihrer Untersuchung und warum haben Sie sich für das Mittel
Leitfadeninterview entschieden?
Judith Kretzschmar: Einerseits sind wir so offen wie möglich an die
Befragten herangegangen, weil wir wirklich in Ruhe zuhören und die Gründe
für Misstrauen in der Tiefe verstehen wollten. Die Methode des
Einzelinterviews per Leitfaden war da am geeignetsten. Wir hatten aber
eine These: dass die Einstellung gegenüber den etablierten Medien eng
zusammenhängt mit der Einstellung gegenüber Politik und Demokratie.
Wie haben Sie die Interviews ausgewertet?
Uwe Krüger: Alle Interviews – etwa 73 Stunden Material – wurden
verschriftlicht und offen kodiert, das heißt: Wir haben aus den
Transkripten die Gründe herausgeschält, die für Ver- und Misstrauen
gegenüber Medien und Politik entscheidend sind.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Uwe Krüger: Tatsächlich ist es so, dass man entweder sowohl den Medien als
auch der Politik misstraut oder eben beiden vertraut. Medienskepsis ist
also kein isoliertes Phänomen, sondern drückt eher eine Unzufriedenheit
mit den gesellschaftlichen Verhältnissen aus.
Judith Kretzschmar: Und: Der Lügenpresse-Verdacht hängt oft damit
zusammen, dass man einen moralischen Druck durch die mediale oder
politische Debatte verspürt. Man soll bestimmte Veränderungen akzeptieren
oder sein Verhalten ändern – und das wird auf eine konzertierte
Manipulationsabsicht „von oben“ zurückgeführt.
Gibt es Erkenntnisse, die Sie so nicht erwartet hätten?
Judith Kretzschmar: Die DDR ist sehr lebendig als Vergleichsfolie für die
heutigen Verhältnisse: Viele Befragte führten die DDR als negativen
Kontrast zu heute an, noch mehr aber sagen, dass heute eigentlich alles
wie früher ist. Einige sehen zwischen der heutigen liberalen Demokratie
und einer Einparteien-Diktatur mit gleichgeschalteter Staatspresse gar
keinen Unterschied. Die Begründungen dafür sind schon bemerkenswert: Es
werde eine Meinung vorgegeben, man werde erzogen und belehrt, man müsse
wieder zwischen den Zeilen lesen.
Aus den Ergebnissen Ihrer Studie können Journalist:innen etwas lernen.
Sollten sie vielleicht auch etwas daraus lernen?
Uwe Krüger: Wenn Berichterstattung konstruktiver, depolarisierender,
nüchterner, weniger thesengetrieben und weniger wertend würde, dürfte das
das Medienvertrauen unter den Bedingungen gesellschaftlicher Spaltungen
stärken.
Judith Kretzschmar: Wir brauchen auch mehr Medienbildung, mehr politische
Bildung, mehr zwischenmenschliche Begegnung – und mehr Bürgerjournalismus.
Wenn man das journalistische Handwerk selbst einmal in Grundzügen erlernt
und ausprobiert hat, schaut man sicher anders auf Medieninhalte.
Neues Projekt „Bürger machen Journalismus - Stärkung des Medienvertrauens
für eine Demokratie im Wandel“
Im April 2025 startet das Praxis- und Forschungsprojekt „Bürger machen
Journalismus - Stärkung des Medienvertrauens für eine Demokratie im
Wandel“, das für fünf Jahre von der VolkswagenStiftung gefördert wird. Das
Projekt wurde von einem interdisziplinären wissenschaftlichen Team der
Universität Leipzig gemeinsam mit dem Landesverband Sachsen des Deutschen
Journalisten-Verbandes (DJV) ins Leben gerufen und wird im Zentrum
Journalismus und Demokratie (JoDem) am Institut für Kommunikations- und
Medienwissenschaft der Universität Leipzig angesiedelt sein. Bürger machen
Journalismus“ hat sich zum Ziel gesetzt, Distanz zwischen Bürgern und
Journalisten abzubauen, gemeinsame Lernprozesse anzustoßen und neues
Vertrauen in den Journalismus aufzubauen.