Humaninsuline müssen verfügbar bleiben!
Bis Ende 2025 wird sich ein weiterer Hersteller aus der Produktion von
Humaninsulin zurückziehen. Damit ist absehbar, dass es zukünftig keine
Alternative zu Insulinanaloga mehr geben wird.
Eine wichtige medizinische
Option in der Diabetes-Therapie würde entfallen. Gemeinsam mit der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) fordert die
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) die
Politik auf, frühzeitig entgegenzusteuern.
In Deutschland zeichnet sich eine problematische Entwicklung für die
Versorgung mit Insulin ab: Mit Novo Nordisk hat ein weiterer Hersteller
angekündigt, seine bisher verfügbaren Humaninsuline vom Markt zu nehmen.
Damit wird es nur noch ein verbleibendes Präparat geben – wobei auch hier
damit zu rechnen ist, dass die Produktion eingestellt werden wird.
Bisher werden sowohl Humaninsuline als auch Insulinanaloga in der
Behandlung eingesetzt, der Anteil der Humaninsuline liegt bei rund 20
Prozent. Auf der anderen Seite profitieren andere Patientengruppen von
Insulinanaloga. Beides hat seine Berechtigung. „Es gibt in der Diabetes-
Therapie kein ‚One-Size-fits-all‘: Für die einen passt das eine, für die
anderen das andere Medikament besser. Wenn es keine Humaninsuline mehr
gibt, verlieren wir wichtige Therapieoptionen für bestimmte
Patientengruppen. Dadurch verschlechtert sich die Versorgung – bei
gleichzeitig steigenden Kosten, da Insulinanaloga rund zwei Drittel teurer
sind. Die geschätzten Mehrkosten würden sich auf rund 44 Millionen Euro
belaufen“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM, die
Intention des Statements, das von der DEGAM (AG Diabetes, Leitung Dr. Til
Uebel) federführend erarbeitet wurde.
Die DEGAM weist außerdem darauf hin, dass es bis heute keine
wissenschaftliche Evidenz für einen für alle geltenden Vorteil von
Insulinanaloga gegenüber dem Humaninsulin gibt. Es konnte bisher auch
nicht ausgeschlossen werden, dass Insulinanaloga möglicherweise mitogene
Effekte (Effekte auf die genetische Zellteilung) haben könnten.
Gemeinsam mit der AkdÄ fordert die DEGAM die Politik auf, rechtzeitig
Vorkehrungen zu treffen, um Humaninsuline dauerhaft verfügbar zu halten.
„Wir müssen alle Beteiligten frühzeitig dafür sensibilisieren, dass es
sehr problematisch wäre, wenn Humaninsuline ganz vom Markt verschwinden“,
so Martin Scherer weiter. Humaninsuline wurden nicht zuletzt von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Liste notwendiger Medikamente
(essential drugs) aufgenommen.
Auch wenn der politische Handlungsspielraum gegenüber der pharmazeutischen
Industrie in einem solchen Fall eher begrenzt ist, gibt es doch
Möglichkeiten, regulierend einzugreifen oder Incentives zu setzen, wie bei
anderen Arzneimittelengpässen auch. Zum Beispiel könnte die Politik
interessierte Hersteller in anderen Ländern durch Abnahmegarantien
unterstützen.
Abschließend ein kurzer Blick zurück: 1923 hatten die Entwickler der
ersten Insuline ihr Patent an die Universität Toronto für einen (!) Dollar
verkauft, weil sie keinen Profit mit diesem lebensrettenden Medikament
machen wollten. Auch wenn diese Zeiten lange zurückliegen, tut es gut,
sich daran zu erinnern, dass es bei Arzneimitteln nicht nur um
wirtschaftliche, sondern auch um medizinethische Aspekte geht.
Das gemeinsame Statement von DEGAM und AkdÄ finden Sie hier:
https://tinyurl.com/2p74552f