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Bioreaktor ermöglicht automatisierte Langzeitkultivierung von Stammzellen

Ein Fluidkreislauf transportiert alle Flüssigkeiten zu den Bioreaktoren und zu dem mittig angeordnetem Mikroskop.  © Fraunhofer ISC
Ein Fluidkreislauf transportiert alle Flüssigkeiten zu den Bioreaktoren und zu dem mittig angeordnetem Mikroskop. © Fraunhofer ISC
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Humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSCs) gelten als
vielversprechendes Werkzeug in der Medizin: Künftig sollen sie die
Therapie von vielen Leiden wie etwa neurodegenerativen Erkrankungen
ermöglichen.

Nach wie vor ist jedoch die Herstellung großer Mengen an
hiPSCs eine Herausforderung. Forschende des Fraunhofer-
Translationszentrums für Regenerative Therapien TLZ-RT am Fraunhofer-
Institut für Silicatforschung ISC haben nun einen Bioreaktor entwickelt,
mit dem eine automatisierte Langzeitkultivierung von hiPSCs gelingt.

Humane induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSCs) bieten großes
Potenzial für die Entwicklung von Zelltherapien, Medikamenten und für die
Erforschung von Krankheiten. HiPSCs sind embryonalen Stammzellen sehr
ähnlich, sie werden jedoch im Labor aus adulten Zellen, die zuvor dem
Bindegewebe von Erwachsenen entnommen wurden, gezüchtet und
reprogrammiert. Der Vorteil: Pluripotente Stammzellen können potenziell
jede Zelle oder jedes Gewebe produzieren, das der Körper zur
Selbstreparatur benötigt. Zudem ist es möglich, direkt an den Zellen, die
bei einer bestimmten Erkrankung betroffen sind, patientenspezifisch
potenzielle Wirkstoffe zu testen.

Um den wachsenden Bedarf an hiPSCs zu decken und die standardisierte
Herstellung in größerer Zahl zu ermöglichen, hat ein Forscherteam des
Fraunhofer ISC in Würzburg im Projekt SUSI (kurz für Suspensionsinkubator)
einen dynamischen Inkubator und Suspensions-Bioreaktor entwickelt, der
sich für die Langzeitkultivierung von hiPSCs eignet. Er bietet optimale
Bedingungen wie eine Temperatur von 37 oC und eine mit fünf Prozent CO2
gesättigte Atmosphäre, die für die Zellkultivierung erforderlich sind.
Eine Schlüsselkomponente des Bioreaktors ist der Impeller bzw. Rührer, der
die wichtigen Aufgaben des Mischens, der Belüftung sowie des Wärme- und
Massentransfers im Glasbehälter zum Einstellen homogener Bedingungen
innerhalb der Zellsuspension erfüllt und so eine saubere Zellvermehrung
ermöglicht. »Das Wohl der Zellen steht bei uns im Vordergrund.
Dementsprechend haben wir die Komponenten unseres Bioreaktors designt und
konstruiert«, sagt Thomas Schwarz, Wissenschaftler am Fraunhofer TLZ-RT.
So ist es etwa entscheidend, welche Scherkräfte beim Rühren der Kultur auf
die Zellen wirken. Mithilfe von Software-Simulationen ist es den
Forschenden gelungen, hier die optimalen Parameter für die Konstruktion
des Impellers sowie die geeignetsten Prozessparameter zu berechnen, die
dann im Bioreaktor mithilfe von Sensoren kontinuierlich in Echtzeit
überwacht werden. Das erzielt eine homogene Zellsuspension – auch bei
großen Zellmengen. Dementsprechend ist das Glasgefäß, das den Impeller
umhaust, skalierbar.

Zellkultivierung über die Dauer von drei Monaten

Ein Fluidkreislauf, der durch eine Verschaltung von vier Ventilen
ermöglicht wird, transportiert alle flüssigen Lösungen, die für die
Prozesse erforderlich sind – etwa das Nährmedium – in einer sterilen
Umgebung. So können die hiPSCs vollautomatisch vermehrt und die Einflüsse
menschlicher Interaktionen minimiert werden. Darüber hinaus umfasst der
Inkubator ein mit einem Partner eigens entwickeltes Mikroskop, mit dem
sich der Zustand des Nährmediums und der Zellsuspension automatisiert
überwachen und auf die Bildung von unerwünschten Agglomeraten bzw.
Zellhaufen prüfen lässt. Ergänzend erlaubt der Einsatz von KI die Zählung
der Zellen. Während der Zellkultivierung analysiert ein neuronales Netz
die Zellgeometrien. »Unser modulares, funktional erweiterbares System
zeichnet sich durch seine Flexibilität und seinen hohen
Automatisierungsgrad aus und erlaubt eine kontrollierte Zellbehandlung.
Durch den geschlossenen Kreislauf und den automatisierten Austausch der
fluidischen Komponenten lassen sich Kontaminationen vermeiden«, so der
Forscher. In den Inkubator des Fraunhofer TLZ-RT lassen sich verschiedene
Arten von Bioreaktoren einbauen, die Ausstattung ist individuell anpassbar
– eine Möglichkeit, die herkömmliche Inkubatoren üblicherweise nicht
bieten.

Mit dem Bioreaktor, der als Prototyp vorliegt, ist es den Forschenden
inzwischen gelungen, Zellen über die Dauer von drei Monaten zu
kultivieren, ohne deren Differenzierungspotenzial zu reduzieren. Das
System konnte so angepasst werden, dass verschiedene Zelldifferenzierungen
aus den Kulturen möglich sind – ein Fortschritt für die hiPSC-Technologie.