EU-Projekt GeoHEAT erhöht die Erfolgschancen der tiefen Geothermie
»Tiefe Geothermie kann als CO2-freie Wärmeversorgung ein entscheidender
Baustein für die Energie- und Wärmewende sein«, erklärt Prof. Erik
Saenger, der am Fraunhofer IEG forscht und ebenfalls an der Hochschule
Bochum tätig ist. »So lässt sich allein in Deutschland ein Viertel des
industriellen Prozesswärmebedarfs über Geothermie decken.« Allerdings
schrecken Risiken, wie das Fündigkeitsrisiko, mögliche induzierte
Seismizität und Umweltrisiken oder mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz
Investoren ab. In diese Lücke stößt das EU-Projekt »GeoHEAT - Georadar-
aided High-resolution Exploration to Advance deep geothermal energy
usage«. Das Projekt ist nun unter Leitung des Fraunhofer IEG gestartet.
GeoHEAT bündelt in einem interdisziplinären Ansatz fortschrittliche
wissenschaftliche Technologien und Modelle und entwickelt sie weiter, um
die geothermische Exploration zu verbessern. Damit wollen die beteiligten
Institute und Unternehmen Voruntersuchung möglicher Reservoirs
vereinfachen und kostengünstiger machen. Gleichzeitig soll das Projekt die
Qualität der Informationen verbessern, die während des Bohrvorganges
anfallen und so den wirtschaftlichen Erfolg aber auch die
gesellschaftliche Akzeptanz steigern.
Mehr Informationen vor und im Bohrprozess
Die Forschenden im Projekt GeoHEAT wollen nichts weniger, als den Workflow
von Geothermie-Explorationen zu verändern: Durch die Entwicklung neuer
innovativer Methoden der passiven Seismik und die Integration der
entstehenden Messdaten mit Vermessungen der Schwerkraft wollen die
Projektbeteiligten künftig tiefere Strukturen abbilden können.
Gleichzeitig wollen sie die gewonnen Daten in ein probabilistisches
geologisches Modell einfließen lassen, welches auch geophysikalische und
konzeptionelle Modelle des Untergrundes integriert. Durch die Verknüpfung
einer Vielzahl an Daten und Modellierungen könnten viele mögliche
Geothermie-Reservoirs gleichzeitig und kostengünstig beurteilt werden,
bevor eine einzige Bohrung stattfindet.
Im Bohrprozess selbst fallen ebenfalls Informationen an, die zusätzliche
Auskunft über den Untergrund geben können. Dazu wollen die Forschenden die
zu Tage geförderten Bohrkerne ebenso auswerten, wie Gesteinsreste, die bei
der Spülung des Bohrlochs ausgeschwemmt werden. Die numerische Analyse von
digitalen geophysikalischen Zwillingen dient ebenso dazu, die
Gesteinseigenschaften auf jedem gebohrten Meter zu bewerten. Auch die
Reaktion des Untergrundes auf die durch die Bohrung induzierten
Schwingungen wollen die Expertinnen und Experten nutzen. Besonderes
Augenmerk gilt aber der geplanten Weiterentwicklung einer neuartigen
Georadar-Sonde: Angepasst an den Druck und die Hitze in großen Bohrtiefen,
soll diese Sonde den Untergrund bis zu 100 Meter von der Bohrwand entfernt
darstellen können. Diese Informationen erlauben schließlich fundierte
Ablenkungsbohrungen, optimale Bohrlochplatzierung und genaue Leistungs-
und Erfolgskontrolle der Bohrung.
4,2 Millionen Euro Fördervolumen
Das Projekt »GeoHEAT - Georadar-aided High-resolution Exploration to
Advance deep geothermal energy usage« ist im Juni 2024 gestartet und läuft
insgesamt 48 Monate. Es wird von der Europäischen Union unter dem Horizon
Europe Framework Programm mit 4,2 Mio. Euro gefördert. Eine zusätzliche
Förderung erfolgt durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und
Innovation der Schweiz. Partner im Projekt sind die
Forschungsinstitutionen Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH),
Technischen Universität Delft, Rheinisch-Westfälischen Technische
Hochschule Aachen (RWTH), Universität Pisa, Universität Genf und
Fraunhofer IEG sowie die Unternehmen Guideline Geo, die Bo-Ra-tec GmbH,
Advanced Logic Technology, Seismix s.r.l. und die Mignan Risk Analytics
GmbH.
Geothermie und Risiken
München, Paris oder die Toskana sind Beispiele für erfolgreiche tiefe
Geothermieprojekte: So betreiben die Münchner Stadtwerke sechs
Geothermieanlagen in der Region München, darunter Deutschlands derzeit
größte Geothermieanlage in Sendling. Dort holen die Stadtwerke heißes
Wasser aus 2.000 bis 3.000 Metern Tiefe. Im Pariser Becken arbeiten
derzeit 37 Geothermieanlagen. Die älteste noch im Betrieb befindliche
Anlage stammt aus dem Jahr 1969, einen großen Teil der Anlagen errichteten
die Franzosen in den 80er Jahren. Typischerweise versorgt eine Anlage etwa
4.00 bis 5.000 Wohneinheiten mit Wärme. In Italien begannen Vorläufer der
Geothermie schon 1904. 37 Geothermie-Kraftwerke betreibt der italienische
Energieversorger Enel inzwischen – und deckt damit knapp ein Drittel des
Stromverbrauchs in der Toskana ab.
Aber unsachgemäß ausgeführte Geothermieprojekte können auch induzierte
Erdbeben auslösen, wie etwa in der Schweiz (Basel, 2006 und St. Gallen,
2013) oder Süd-Korea (Pohang, 2017). Außerdem gibt es Bedenken bzgl. einer
möglichen Verschmutzung des Grundwassers oder anderer Umwelteinflüsse.
Diese denkbaren Risiken beeinflussen die Akzeptanz der Bevölkerung für
Geothermieprojekte. Deshalb berücksichtigt das Projekt GeoHEAT auch die
sozialen Auswirkungen von Geothermie, deren Einfluss auf den Erfolg
genauso groß ist, wie technische Aspekte.