Wege zur Sanitär- und Nährstoffwende
Handbuch des Forschungsprojekts »zirkulierBAR« präsentiert Ansätze für
eine innovative Kreislaufwirtschaft
Nach drei Jahren interdisziplinärer Zusammenarbeit hat das Fraunhofer IAO
gemeinsam mit den Partnern des Projekts »zirkulierBAR« Lösungsansätze und
Forschungsergebnisse zur Sanitär- und Nährstoffwende in einem Handbuch
veröffentlicht. Im Fokus stehen technische und ökologische Möglichkeiten
zur Kreislaufführung menschlicher Ausscheidungen als Recyclingdünger. Das
Handbuch ist ein Praxisleitfaden für kommunale Mitarbeitende, Planende,
Landwirtschaft und alle Interessierten.
Wie können wir den Boden nachhaltig verbessern, Nährstoffe recyclen und
den Verbrauch von Erdgas und Rohphosphat verringern, und zudem im großen
Stil Trinkwasser sparen und die Belastung der Gewässer reduzieren? In
Recyclingdüngern aus Inhalten von Trockentrenntoiletten steckt viel
Potenzial. Das Forschungsprojekt zirkulierBAR hat gezeigt, dass es
technisch machbar und ökologisch sinnvoll ist, menschliche Ausscheidungen
zu Dünger aufzubereiten und diesen landwirtschaftlich zu nutzen.
Akzeptanz in der Bevölkerung
Mit einem systemischen und interdisziplinären Ansatz konnte zirkulierBAR
in den letzten drei Jahren die Herstellung und Anwendung von
Recyclingdüngern unter verschiedenen Aspekten erforschen. Das Fraunhofer-
Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat im Kontext des
Projekts beleuchtet, welche Voraussetzungen für ein funktionierendes
Innovationsökosystem notwendig sind. Darüber hinaus hat das Forschungsteam
die Akzeptanz in der Bevölkerung sowie die Perspektive potenzieller
Stakeholder erhoben. »Die Ergebnisse unserer Befragung bestätigen eine
bereits hohe Akzeptanz von ressourcenorientierten Sanitärsystemen in der
Gesellschaft. Jetzt braucht es einen rechtssicheren Rahmen, um
Pflanzennährstoffe in einem Kreislauf zu führen. Dadurch können wir Wasser
sparen, Schadstoffe reduzieren und Ressourcen schonen«, sagt Felix
Bickert, Projektleiter des Fraunhofer IAO. Damit aus dem zirkulierBAR-
Reallabor des Landkreises Barnim in Eberswalde Wirklichkeit wird, müsste
u.a. das Düngemittel- und Abfallrecht angepasst werden. Ein Beispiel:
Damit menschliche Ausscheidungen in die Düngemittelverordnung aufgenommen
werden können, müssen sie als Bioabfall gelten – das ist momentan noch
nicht der Fall.
Forschungsergebnisse und praktische Anwendungen
Die im Handbuch publizierten Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung
bilden eine fundierte Grundlage, auf der diese Zukunftstechnologie jetzt
skaliert und breiter eingesetzt werden kann. Das Handbuch zeigt auf, wie
ganz konkrete Transformationsschritte in Richtung regionale
Kreislaufwirtschaft aussehen könnten.
Aus dem Inhalt:
- Wie gelang der Aufbau der Recyclinganlage in Eberswalde? Sie ist die
deutschlandweit erste Anlage, in dem Urin und Fäzes gesammelt,
hygienisiert und mit
wissenschaftlicher Begleitung als Recyclingdünger wiederverwertet werden.
- Untersuchungen im Rahmen der Qualitätssicherung haben gezeigt, dass die
Recyclingdünger gesundheitlich unbedenklich sind und die fachlichen
Anforderungen
an Düngemittel erfüllen.
- Eine Umfrage unter Bio-Anbau-Verbänden zeigt, dass der Einsatz von
Recyclingdüngern in der ökologischen Landwirtschaft positiv bewertet wird.
- In einer repräsentativen Studie wird deutlich, dass eine
gesellschaftliche Akzeptanz da
ist: über 50 Prozent der Befragten zeigten sich offen für Trenntoiletten
und
Recyclingdünger.
- Welche institutionellen Gestaltungsfragen ergeben sich hinsichtlich
einer öffentlichen,
ressourcenorientierten Sanitärversorgung? Erfahrungen aus Kommunen, die
eine
zentrale Rolle in der Sanitärwende einnehmen.
- Welche rechtlichen Veränderungen sind notwendig, um einen adäquaten
Rechtsrahmen für den Einsatz ressourcenorientierter Sanitärsysteme zu
schaffen?
- Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte und am
Leibniz-
Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) koordinierte Projekt
zirkulierBAR wird
mit dem Jahr 2024 zu Ende gehen.
Die Präsentation des Handbuchs
Auf der zirkulierBAR Abschlussveranstaltung am 17. Oktober 2024 in Berlin
wurde das Handbuch zur Sanitär- und Nährstoffwende vorgestellt und an
Vertreterinnen und Vertreter aus dem Netzwerk der beobachtenden Kommunen
und weitere Stakeholder aus dem Innovationsökosystem übergeben.
Stimmen zum Handbuch und zur Sanitärwende
Michael Kellner, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz sagte in einem Video-Grußwort:
Mich treibt die Frage um, wie wir in allen Lebensbereichen
Kreislaufwirtschaft umsetzen können. zirkulierBAR ist hier mit dem
Recycling von Nährstoffen neue Wege gegangen, dafür bedanke ich mich.«
Marco Schlüter, Referent und Koordinator für öffentliche Sanitäranlagen
der Stadt Leipzig und Mitglied im Netzwerk beobachtender Kommunen sagte in
seinem Statement:
Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass die Etablierung
ressourcen-orientierter Sanitärsysteme richtig ist. […] Ich nehme dieses
Handbuch und die gesammelten Erfahrungen der letzten Jahre mit und mache
mich hoffnungsvoll auf den Weg in eine Zukunft, in der wir sparsam mit
kostbarem Trinkwasser umgehen, unsere Umwelt schützen und wertvolle
Nährstoffe regional und effizient recyceln.«
Über die Entstehung des Handbuchs erzählten Anna Calmet und Annika
Grebener von der Kontaktstelle Kommunen des Projekts zirkulierBAR:
Auf 124 Seiten haben wir nahezu alle Erkenntnisse aus unseren 3 Jahren
Forschung zusammengefasst. Das Handbuch ist eine Anleitung, vom stillen
Örtchen aus etwas fürs Klima zu tun. Es soll aus dem "Pfui" ein "Hui"
werden lassen, zum Nachahmen und Weiterforschen anregen.«