Edo|cation: Forschungsprojekt für die Bewahrung des kulturellen Erbes von Benin
Edo|cation vertieft die archäologische und kulturelle Zusammenarbeit
zwischen Nigeria und Deutschland nach der Rückgabe der sogenannten Benin-
Bronzen im Jahr 2022. Das praxisorientierte Bildungs- und
Forschungsprojekt stärkt die Partnerschaft beider Länder und markiert
einen wegweisenden Schritt der Restitution sowie der Förderung des
interkulturellen Wissenstransfers.
Das Projekt
Das Projekt Edo|cation der Kommission für Archäologie Außereuropäischer
Kulturen (KAAK) am Deutschen Archäologischen Institut (DAI) erforscht in
Kooperation mit dem Museum of West African Art (MOWAA) das kulturelle Erbe
des Königreiches von Benin im heutigen Edo State, Nigeria. Gemeinsam mit
den nigerianischen Kolleg:innen vor Ort etablieren die Forschenden des DAI
ein Trainingsprogramm für digitale Methoden der Archäologie, das unter
anderem die Digitalisierung von Kulturlandschaften mittels Drohnen sowie
die 3D-Dokumentation historischer Gebäude und Artefakte umfasst.
Die Erdwerke von Benin
Im Zentrum des Projekts stehen die weitläufigen Grabenwallanlagen von
Benin, die nicht nur die Stadt umschließen, sondern sich als Netzwerk
linearer Erdwerke bis weit ins Umland erstrecken. In Edo nennt man sie
Iya. Sie zählen zu den größten archäologischen Monumenten der Welt. Die
Ergebnisse von Edo|cation zeigen jedoch, dass seit der ersten Kartierung
weniger als die Hälfte der Iya erhalten sind – die Zerstörung nimmt durch
das rapide urbane Wachstum exponentiell zu. Das Forschungsteam
identifizierte strukturelle Details der antiken Toranlagen und Zugangswege
zur Stadt Benin und kartierte die historischen Siedlungen Oria, Udo und
Ughoton. Bei LiDAR-Flügen in Ughoton, der ehemalgien Hafenstadt des
Königreiches, wurden zudem bislang unbekannte Erdwerke entdeckt.
Community Mapping
Der Dialog mit den angrenzenden Communities, die seit Jahrhunderten
entlang der Iya leben, verdeutlicht den kulturellen Wert dieser bedrohten
Monumente für die lokalen Bevölkerung. Maßnahmen zum Erhalt, darunter
zivilgesellschaftliche Programme zur Verschönerung der Wälle, wurden
bereits angestoßen. Der von Edo|cation initiierte Austausch mit den
betroffenen Communities wird nach Projektende von MOWAA fortgeführt. „In
den letzten drei Jahren haben wir als nigerianisch-deutsches Team
exzellente Arbeit geleistet. Von der Kreativität sowie Redegewandtheit,
von dem Organisationstalent und Wissen der nigerianischen Kollegen habe
ich auch für mich persönlich viel mitgenommen“, bekräftigt Christian
Schepers, der Projektleiter von Edo|cation.
Bewahrung eines Welterbes
Erstmals seit 50 Jahren hat Edo|cation neue, präzise Karten der Iya
erstellt, die Details auf weniger als drei Zentimeter genau dokumentieren.
Diese Kartierungen sind ein entscheidender Beitrag zum Kulturerhalt in
Benin City durch die National Commission for Museums and Monuments (NCMM).
Sie spielen zudem eine zentrale Rolle bei der Anerkennung als UNESCO-
Weltkulturerbe: Nachdem ein erster Antrag in den 1990er Jahren aus
politischen Gründen scheiterte, erarbeiten NCMM und MOWAA einen neuen
Antrag mithilfe der aktuellen Dokumentation der Wallanlagen des
Königreiches von Benin.
Digitalisierung für den Kulturerhalt
Dank der drohnengestützten Aufnahmen und der präzisen 3D-Modellierung kann
nun ein deutlich kleineres Team die archäologischen Monumente wesentlich
schneller und effizienter dokumentieren. Alle zwei Jahre lassen sich
aktuelle Karten erstellen, die den Erhaltungszustand kontinuierlich
erfassen. Die aus der Luft und am Boden erhobenen Daten werden direkt mit
Landesbehörden wie EdoGIS geteilt und fließen in Stadtplanung und in
Bebauungspläne ein. Dadurch entsteht eine neue Schnittstelle zwischen der
Denkmalbehörde (NCMM) und dem Katasteramt. Digitale Technologien schaffen
damit eine Grundlage für die systematische und strategische Planung des
Denkmalschutzes in Benin City.
Joint Learning
Nigerianische und deutsche Archäolog:innen entwickeln gemeinsam digitale
Methoden, die auf die spezifischen Anforderungen der archäologischen
Forschung vor Ort abgestimmt sind. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in
Webinaren und praxisnahen Übungen an künftige Forschende weitergegeben.
Darüber kommt der vom DAI entwickelte Onlinekurs ONLAAH im Rahmen von
Edo|cation zum Einsatz, der den Teilnehmenden in mehreren Kapiteln anhand
konkreter Beispiele verdeutlicht, wie Kulturerhalt in verschieden Ländern
funktionieren kann. „Diese Zusammenarbeit geht weit über den reinen
Technologietransfer hinaus: Sie fördert einen tiefgreifenden Austausch,
bei dem sowohl nigerianische als auch internationale Fachleute aktiv zum
gemeinsamen Wissensfundus beitragen und gleichermaßen davon profitieren.
So wird der nachhaltige Schutz des kulturellen Erbes gesichert. Durch
aufrichtige Partnerschaft lernen wir voneinander,“ erklärt Sofia Fonseca,
Projektleiterin von ONLAAH. Ein neu entwickeltes Kapitel widmet sich
Nigeria, in dem nigerianische Expert:innen ihr Wissen über das nationale
Kulturerbe und Methoden zu dessen Erforschung und Bewahrung weitergeben.
Projektdokumentation „Edo|cation“
Edo|cation wird vom Auswärtigen Amt gefördert. In einer gemeinsamen
Erklärung vom 1. Juli 2022 einigten sich Nigeria und Deutschland auf eine
Intensivierung ihrer Zusammenarbeit im Bereich der Archäologie. Seitdem
hat Edo|cation umfangreiche Expertise in der Anwendung von
Photogrammetrie, Drohnentechnologie, LiDAR und D-GPS-Messungen aufgebaut.
Erstmals seit 50 Jahren wurden die Erdwerke von Benin wieder in den Fokus
archäologischer Forschung gerückt und deren prekärer Erhaltungszustand
umfassend dokumentiert. Digitale Daten ermöglichen die effizientere
Bewahrung des Kulturerbes in und um Benin City. Die Ergebnisse und
Erkenntnisse der deutsch-nigerianischen Kooperation bilden eine Grundlage
für künftige Forschungsprojekte und sind im Projektfilm „Edo|cation“
dokumentiert: https://youtu.be/IS4TCR30hcI
Ausblick – „Futures of Archaeology“
Am 4. November 2024 eröffnet MOWAA ein neues Institut in Benin City.
Anlässlich der Eröffnung organisiert Edo|cation Führungen entlang der Iya
von Benin. Die gemeinsamen Forschungsergebnisse und Trainingsprojekte im
Rahmen von Edo|cation leisten einen wichtigen Beitrag zur künftigen Arbeit
des Instituts. Das DAI gehört zu den Gastgebern des Symposiums „Futures of
Archaeology“, das am 7. und 8. November stattfindet und von MOWAA und
weiteren Partnern veranstaltet wird. „Futures of Archaeology“ widmet sich
aktuellen Forschungsergebnissen und Herausforderungen in der Archäologie
sowie der Erhaltung des kulturellen Erbes Nigerias und der angrenzenden
Regionen. Derzeit arbeitet das Team von Edo|cation an einer
wissenschaftlichen Veröffentlichung zum Erhaltungszustand und
strukturellen Details der Erdwerke der inneren Stadt von Benin. Der
Artikel wird im Dezember eingereicht und soll im Laufe des nächsten Jahres
erscheinen.