Unsichtbare Schmerzen sichtbar machen - Umfrage zeigt: Menschen mit Schmerzen fühlen sich stigmatisiert
Über 90 Prozent der Menschen mit einer neurologischen und/oder
Schmerzerkrankung fühlen sich stigmatisiert. Das zeigt eine aktuelle
Umfrage des Arbeitskreises Patientenorganisationen der Deutschen
Schmerzgesellschaft e.V. Rund 1.200 Betroffene nahmen an der Befragung
teil, die von fünf Patientenorganisationen durchgeführt wurde. Die
Ergebnisse wurden auf dem Deutschen Schmerzkongress in Mannheim
vorgestellt. Für Betroffene von chronischen Schmerzen fand auf dem
Kongress zudem ein Patiententag unter dem Motto „Zukunft ohne Stigma“
statt. Den Mitschnitt stellen wir Ihnen bei Interesse gern kostenfrei zur
Verfügung.
Die gesamte Umfrage steht hier zum Download bereit: https://www.uvsd-
schmerzlos.de/app/download/199
90,9 Prozent der Befragten gaben an, Stigmatisierung zu erleben. Diese
beruht vor allem auf mangelndem Verständnis für die Erkrankungen und deren
unsichtbare Symptome. Die häufigsten Krankheitsbilder, die in der
Befragung genannt wurden, sind Fibromyalgie, chronische Schmerzen und
Migräne. „Menschen, die an unsichtbaren Krankheiten leiden, stehen vor
einer doppelten Herausforderung: Die Schmerzen selbst und das ständige
Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen“, sagt Heike Norda, Vorsitzende des
Vereins UVSD SchmerzLOS e.V. „Interessanterweise erfahren diejenigen der
Befragten ein besonders hohes Maß an Stigmatisierung, deren Erkrankung
`unsichtbar´ ist – also primär keine äußerlichen Merkmale aufweist.“ Zwar
sei die Umfrage nicht repräsentativ, gebe jedoch einen wichtigen Hinweis
darauf, dass Stigmatisierung eine besondere Rolle im Leben der Betroffenen
spiele, ihr Leid verstärke und den Zugang zu angemessener Behandlung
erschwere.
Stigmatisierung im medizinischen und privaten Bereich
Ein alarmierendes Ergebnis der Umfrage ist, dass über 80 Prozent der
Betroffenen berichten, dass ihnen von medizinischen Fachkräften nicht
geglaubt wurde. „Die Tatsache, dass Schmerzen unsichtbar sind, führt dazu,
dass Betroffene nicht ernst genommen werden. Das kann zu einer fehlenden
oder falschen Behandlung führen“, erklärt Norda weiter. Sie fordert daher
mehr Sensibilität im Umgang mit Betroffenen seitens der Ärzteschaft und
des medizinischen Personals.
Die Stigmatisierung geht jedoch weit über den medizinischen Bereich
hinaus. 27 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen von ihrem sozialen
Umfeld suggeriert wird, ihre Erkrankung sei selbstverschuldet. Dies wirkt
sich nicht nur auf die psychische Gesundheit aus, sondern verstärkt die
Isolation der Betroffenen. „Stigmatisierung führt dazu, dass Menschen sich
zurückziehen und gesellschaftlich abgekapselt werden. Wir müssen diese
unsichtbaren Barrieren abbauen“, fordert Norda eindringlich.
Zahlen, die alarmieren
Ein Viertel der Befragten bezieht bereits Erwerbsminderungsrente, ein
weiteres Fünftel ist in Teilzeit tätig. Diese Zahlen verdeutlichen die
gravierenden Auswirkungen der Erkrankungen auf das Arbeitsleben und die
gesellschaftliche Teilhabe. Besonders betroffen sind Frauen: Rund 90
Prozent der Teilnehmenden waren weiblich, die Mehrheit zwischen 55 und 64
Jahren.
Mehr Aufklärung nötig
Die Umfrage zeigt deutlich: Menschen mit neurologischen und
Schmerzerkrankungen erleben eine doppelte Last – die Erkrankung selbst und
die Stigmatisierung durch ihr Umfeld. Der Arbeitskreis fordert daher mehr
Sensibilisierung, sowohl in der medizinischen Betreuung als auch in der
Öffentlichkeit. „Indem wir die unsichtbaren Schmerzen sichtbar machen,
können wir die Lebensqualität der Betroffenen verbessern“, betont Norda.
Um Stigmatisierung zu verhindern, müssen laut Norda gezielte
Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden. „Wir brauchen mehr Aufklärung in
der Gesellschaft und unter Fachkräften. Missverständnisse und Mythen über
neurologische Erkrankungen und Schmerzerkrankungen müssen ausgeräumt
werden, damit Menschen mit Schmerzen nicht zusätzlich ausgegrenzt werden“,
schließt Norda.
Der Arbeitskreis Patientenorganisationen der Deutschen Schmerzgesellschaft
e.V. plant, die Ergebnisse der Umfrage zu nutzen, um Strategien zur
Bekämpfung von Stigma zu entwickeln. Der Arbeitskreis vertritt fünf
Patientenorganisationen Migräne Liga e.V., Deutsche Fibromyalgie
Vereinigung e.V., CRPS Netzwerk gemeinsam stark e.V., UVSD SchmerzLOS e.V.
und RLS e.V. Deutsche Restless Legs Vereinigung e.V.