Mit 3D-Druck zur grünen Luft- und Raumfahrt
Die Vorgaben der Europäischen Kommission sind ehrgeizig: Die ReFuelEU
Aviation-Verordnung schreibt eine Drosselung der CO₂-Emissionen der
Luftfahrt bis zum Jahr 2050 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 vor.
Geplant ist außerdem ein umfassendes EU-Weltraumgesetz (EUSL) unter
anderem mit Regeln zur Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten.
Unterstützung erhalten die Aerospace-Unternehmen vom Fraunhofer-Institut
für Lasertechnik ILT aus Aachen und seinen neuen additiven
Fertigungsverfahren, die den ökologischen Fußabdruck erheblich verbessern
und die Produktionskosten senken.
»Wie kann Luftfahrt grüner gestaltet werden?«, fragt Luke Schüller,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ILT, in einem Fachbeitrag und
nennt auch gleich die Antwort: Strenge politische Klimaschutzvorgaben mit
Leichtbau, 3D-Druck und neuen Hochleistungswerkstoffen umsetzen.
Eine Hauptrolle spielt das LPBF-Verfahren (Laser Powder Bed Fusion), bei
dem Metallpulver schichtweise mit dem Laserstrahl verschmolzen wird. Diese
Methode ermöglicht die Herstellung komplexer und hochfester Bauteile, die
nicht nur leichter, sondern auch widerstandsfähiger sind – wichtige
Eigenschaften in der Luftfahrt von morgen.
Teamwork mit Materialherstellern: Spezialpulver für die Wasserstoff-
Zukunft
Das Fraunhofer ILT arbeitet an der Entwicklung im Rahmen der
Forschungsinitiative TIRIKA (Technologien und Innovationen für eine
ressourcenschonende, klimafreundliche Luftfahrt) des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Klimaschutz. Der Schwerpunkt liegt auf der Nutzung von
Wasserstoff als emissionsfreien Energieträger für die Luftfahrt. Die
Fachleute haben zusammen mit Materialherstellern spezielle Pulver
entwickelt, die den hohen Anforderungen der Luftfahrtindustrie für
Wasserstoffantriebe gerecht werden. Die Experten haben LPBF-Prozesse für
handelsübliche Werkstoffe entwickelt und schließlich in Zusammenarbeit mit
den Partnern durch verschiedene Prüfverfahren validiert.
»Durch gezielte Prozessanpassungen im LPBF-Verfahren können wir eine
relative Bauteildichte von über 99,5 Prozent und eine hohe Aufbaurate von
mehr als 100 cm³/h erreichen«, erklärt Schüller. Die Aluminiumlegierungen
sind nicht nur leicht und hochfest, sondern auch widerstandsfähig
gegenüber Wasserstoff, der bei hohen Temperaturen und Drücken zu
Versprödung und Materialermüdung führen kann. Das macht sie zu idealen
Kandidaten für den Einsatz in den zukünftigen emissionsfreien Wasserstoff-
Triebwerken. Hinzu kommt: Die neuen speziellen Pulver ermöglichen dank des
gleichmäßigen Laser-Schmelzverfahrens komplexe Geometrien und
Funktionsstrukturen, die mit herkömmlichen Verfahren wie Gießen oder
Schmieden nicht verwirklichbar sind.
Elektronischer Erkennungsdienst für 0,4 Millimeter-Partikel
Während des Fertigungsprozesses erkennt eine präzise Sensorik Artefakte
bis zu einer Größe von 0,4 Millimetern direkt im Pulverbett sowie im
Schmelzprozess. So können zeitaufwändige nachgelagerte Prüfungen minimiert
und die Produktionseffizienz erheblich gesteigert werden.
Fortschrittliche Verfahren beeinflussen jedoch nicht nur die Qualität und
Effizienz der Produktion, sondern auch deren ökologische Bilanz. Das
Fraunhofer ILT setzt beim Bewerten der Umweltfreundlichkeit von additiven
Fertigungsprozessen auf Life Cycle Assessment (LCA). Hierbei wird der
gesamte Lebenszyklus eines Bauteils betrachtet – von der
Rohmaterialbeschaffung über die Fertigung bis zum Recycling. »Das Life
Cycle Assessment ist für uns ein unverzichtbares Instrument, um die
Umweltwirkungen von Produkten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zu
bewerten und nachhaltige Alternativen zu identifizieren«, sagt Dr. Tim
Lantzsch, Leiter der Abteilung Laser Powder Bed Fusion am Fraunhofer ILT.
Um diesen umfassenden Prozess effektiv zu gestalten, ist es jedoch
entscheidend, bereits in einer frühen Phase der digitalen
Wertschöpfungskette qualitativ hochwertige und aussagekräftige Daten zu
erhalten.
Dreifaches Plus für aufwändiges Verfahren
Drei wichtige Argumente sprechen für diesen anfangs sehr mühevollen Weg:
Erstens ermöglichen Daten eine schnellere und effizientere Gestaltung von
Anlaufprozessen für neue Produkte. Zweitens unterstützen sie die Bewertung
von Qualität, Kosten, Energie- und Ressourcenverbrauch im
Produktionszyklus. Drittens tragen sie zu einer höheren Transparenz in den
Prozessen und so zur Optimierung der gesamten Fertigungskette bei.
Die Ergebnisse der LCA-Analysen zeigen, dass trotz des vergleichsweise
hohen Energieverbrauchs während des LPBF-Prozesses der ökologische
Fußabdruck der additiven Fertigung deutlich kleiner ausfällt als bei
konventionellen Produktionsmethoden. Der 3D-Druck eignet sich daher
besonders zur Reparatur von Bauteilen, weil er Materialverluste minimiert
und Ressourcen schont.
Additive Verfahren stehen auch im Mittelpunkt des im November 2022
gestarteten EU-Projekts ENLIGHTEN (European iNitiative for Low cost,
Innovative & Green High Thrust ENgine Projekt), das die Ariane-Gruppe
steuert und koordiniert. 18 Partner aus acht europäischen Ländern haben
seit dem Projektstart ein Ziel: Die Entwicklung kostengünstiger und
umweltfreundlicher Raketenantriebe, die unter anderem mit Bio-Methan und
grünem Wasserstoff arbeiten. Die neuen Öko-Triebwerke sollen die nächste
Generation europäischer wiederverwendbarer Raketen antreiben und so
Europas Wettbewerbsfähigkeit im globalen Raumfahrtsektor stärken.
Mit LMD schneller und kostengünstiger ins All
Hier kommt das Aachener Institut ins Spiel. Fachleute der Gruppe Additive
Fertigung und Reparatur LMD entwickeln im Rahmen des Projekts einen
Prozess, um Raketenkomponenten mit Laserauftragschweißen (Laser Material
Deposition, LMD) effizienter und präziser herzustellen. »Das Besondere
ist, dass wir durch LMD die Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der
Herstellung neuartiger Raketendüsen drastisch verbessern«, erklärt Min-Uh
Ko, Gruppenleiter Additive Fertigung und Reparatur LMD am Fraunhofer ILT.
»Das untersuchte Design verfügt – abgesehen von seinem großen Bauraum –
über außergewöhnlich filigrane und dünnwandige Kühlkanäle, die mit
konventionellen Fertigungsrouten nur unter großem Aufwand realisiert
werden können.« Das Ziel bis zum Projektende im Oktober 2025: LMD-
Fertigung einer Düse für den Einsatz in der nächsten Raketengeneration im
Ariane-Programm und Aufbau eines maßstabsgetreuen Demonstrators.
Gegen koventionelle Methoden spricht der bisher übliche Prozess: Weil kein
Unternehmen alle unterschiedlichen Prozessschritte in einer lokalen
Produktion anbieten kann, müssen die Bauteile zu mehreren Standorten
transportiert werden. Die dadurch entstehende Prozesskette führt zu einer
zeit- und kostenaufwändigen Produktion, die oft mehrere Monate dauert.
Jochen Kittel, Projektleiter des ENLIGHTEN-Vorhabens am Fraunhofer ILT:
»Mit unserer Prozesstechnologie, die viele einzelne Prozessschritte
einspart, gelingt uns nicht nur eine deutliche Kostenreduktion. Zeitgleich
verkürzen wir die Produktionszeit einer Raketendüse deutlich.«
Den Prozess ganzheitlich im Griff
Die Fachleute gehen das Projekt ganzheitlich an: Bis zum Projektende soll
ein prozesssicheres, geregeltes Herstellverfahren inklusive
Qualitätssicherung für die Serienfertigung entstehen. Ein Inline-System
soll mit Sensorik den gesamten Prozess überwachen, Prozess-Anomalien
erfassen, beheben und für konstant hohe Bauteilqualität sorgen. Min-Uh Ko:
»Wenn wir das Verfahren und den Demonstrator erfolgreich entwickelt haben,
markiert das einen Durchbruch. Mit unseren Ergebnissen können wir die
Industrie dazu befähigen, als Zulieferer für die Luft- und
Raumfahrtindustrie künftig auf ihren eigenen Anlagen via LMD ebenso große,
komplexe und filigrane Strukturen herzustellen.«
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