Schon zweihundert MIAI-Babys Studienprotokoll in Frontiers in Immunology veröffentlicht
Der Datenschatz der MIAI-Geburtskohorte soll Aufschluss darüber geben, wie
sich das Immunsystem von Kindern im ersten Lebensjahr entwickelt und warum
manche Kinder anfälliger für schwere Virusinfektionen sind als andere.
Würzburg. Fabian ist das zweihundertste MIAI-Baby. Mit ihm hat die MIAI-
Studienambulanz des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) einen wichtigen
Meilenstein erreicht, um schon einige der Fragestellungen eines von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes anzugehen.
Mit den in der MIAI-Geburtskohorte gesammelten Daten,
Untersuchungsergebnissen und Bioproben will das Studienteam um Prof. Dr.
Dorothee Viemann verstehen, wie Babys im ersten Lebensjahr lernen, sich
gegen Viren wie Influenza, RSV oder SARS-CoV-2 zu verteidigen. MIAI steht
für Maturation of Immunity Against Influenza - die Entwicklung des
Immunsystems gegen Virusinfektionen der Atemwege. Virale
Atemwegsinfektionen sind nach wie vor weltweit ein großes Problem und
verursachen zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle.
Welche Einflüsse prägen das Immunsystem?
Nach der Geburt reift das Immunsystem und passt sich der neuen Umwelt an.
Wie gut sich unser Immunsystem zur Abwehr solche Virusinfektionen
entwickelt, hängt neben genetischen Faktoren vor allem von
Umwelteinflüssen ab. Welche Umweltfaktoren die Immunreifung fördern und
welche sie stören, ist allerdings bis heute nicht ganz klar. Zudem gilt es
zu verstehen, welche Komponenten und Zellen des Immunsystems bei
Neugeborenen und Kindern wichtig sind, um schwere Atemwegsinfektionen zu
verhindern. Diese Unklarheiten nimmt der Lehrstuhl für Translationale
Pädiatrie der Kinderklinik gemeinsam mit der Frauenklinik in der MIAI-
Studie genauer unter die Lupe.
Das MIAI-Team untersucht zum Beispiel, welche Rolle der sozioökonomische
Hintergrund, die Anzahl von Familienmitgliedern, Kinderkrippenbesuche,
Impfungen, Infektionen und Ernährung bei der frühen Entwicklung von
Immunantworten spielen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob es einen
Zusammenhang zwischen der Bildung des Mikrobioms, also der Gesamtheit der
Mikroorganismen im Körper, und der Entwicklung der Immunität gegen diese
Virusinfektionen nach der Geburt gibt.
Dazu werden die Kinder direkt nach der Geburt in der Würzburger
Frauenklinik sowie nach einem, sechs und zwölf Monaten in der MIAI-
Studienambulanz der benachbarten Kinderklinik untersucht. Dabei werden der
Gesundheitszustand der Kinder erfragt, verschiedene biologische Proben wie
Hautabstriche und Stuhlproben gesammelt, die Babys gemessen und gewogen,
Herz und Lunge abgehört und der Muskeltonus überprüft.
MIAI-Kinder liefern wichtigen Beitrag für die Wissenschaft
Die Pläne und das Design der MIAI-Studie sowie die Charakteristika der
ersten 171 MIAI-Babys hat Dorothee Viemann jetzt mit ihrem Team in der
Fachzeitschrift Frontiers in Immunology veröffentlicht. Besonders
hervorzuheben sei die Akzeptanz des Studiendesigns. „Wir haben eine
relativ geringe Abbruchquote von etwa 8 Prozent“, berichtet
Studienkoordinatorin Dr. Carina Hartmann, die gerade selbst Mutter eines
Sohnes geworden ist. Dazu zählen auch Familien, die aus Würzburg
weggezogen sind. „Ohne die Eltern könnten wir die MIAI-Studie nicht
durchführen. Und die Eltern sind wirklich sehr engagiert, sie kommen gerne
zu uns, jetzt auch schon mit den ersten Geschwisterkindern. Das spricht
für die Studie und das Studienteam. Unser Studienteam hat zu jedem Kind
ein Gesicht und verfolgt seine Entwicklung mit Spannung und Freude.“
Viele Eltern schätzen den zusätzlichen Blick auf ihr Kind neben den
U-Untersuchungen beim niedergelassenen Kinderarzt, die Motive für die
Teilnahme an der Studie sind aber vor allem altruistischer Natur. Auch
Fabians Eltern machen gerne bei MIAI mit, „weil wir mit unseren und
Fabians Daten einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft leisten
können“. Denn die Ergebnisse könnten helfen, die Immunität gegen
Atemwegsviren besser zu verstehen und Empfehlungen zu geben, wie Eltern
die Entwicklung des Immunsystems frühzeitig fördern können, um schwere
Krankheitsverläufe zu vermeiden.
MIAI-Studie geht weiter – Dank des großen Engagements der Eltern und
weiterer Fragestellungen
Viele Erkrankungen werden erst nach der Säuglingszeit sichtbar. Ein
frühkindliches Asthma bronchiale ist dafür ein klassisches Beispiel.
Häufige Bronchitiden im Laufe des ersten Lebensjahrs können ein
Vorläufersymptom für ein Asthma sein, aber nicht bei jedem Kind
manifestiert sich tatsächlich diese chronische Atemwegserkrankung. Um
solche Zusammenhänge zu verstehen und Faktoren zu identifizieren, die die
Entstehung chronisch immunologischer Erkrankungen begünstigen, ist die
Nachverfolgung der MIAI-Kinder über das erste Lebensjahr hinaus nun
unerlässlich.
Wenn es die finanziellen Möglichkeiten erlauben, würden Prof. Dorothee
Viemann und Prof. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik,
gesundheitsrelevante Daten gerne bis über das 16. Lebensjahr hinaus
sammeln. „In der Pubertät wird im Immunsystems nochmals vieles neugeordnet
und reprogrammiert“ erklärt Dorothee Viemann. „Mit diesem Projekt würden
wir den Grundstein für wichtige zukünftige Erkenntnisse legen - eine
solche Kohorte wäre gerade für die kommende Generation an Forscherinnen
und Forschern ein unglaublicher Schatz!“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dorothee Viemann <
Originalpublikation:
Carina R. Hartmann, Robin Khan, Jennifer Schöning, Maximilian Richter,
Maike Willers, Sabine Pirr, Julia Heckmann, Johannes Dirks, Henner
Morbach, Monika Konrad, Elena Fries, Magdalene Winkler, Johanna Büchel,
Silvia Seidenspinner, Jonas Fischer, Claudia Vollmuth, Martin Meinhardt,
Janina Marissen, Mirco Schmolke, Sibylle Haid, Thomas Pietschmann, Simona
Backes, Lars Dölken, Ulrike Löber, Thomas Keil, Peter U. Heuschmann, Achim
Wöckel, Sagar, Thomas Ulas, Sofia K. Forslund-Startceva, Christoph Härtel,
Dorothee Viemann. A clinical protocol for a German birth cohort study of
the Maturation of Immunity Against respiratory viral Infections (MIAI).
Frontiers in Immunology, Volume 15 - 2024,
https://doi.org/10.3389/fimmu.