Mutterschaf oder Bock? KI ermöglicht Geschlechtsbestimmung am Sprungbeinknochen
SNSB Forschende stellen eine KI-gestützte Methode vor, um mit hoher
Genauigkeit das Geschlecht von Schafen zu bestimmen – und zwar nur anhand
linearer Maße an ihren Sprungbeinen. Ihre Ergebnisse präsentierte und
veröffentlichte das Team aus Archäozoologie sowie Informatik kürzlich auf
der 20. IEEE International Conference on eScience in Osaka, Japan.
Die neue Studie könnte Forschenden zukünftig die Geschlechtsbestimmung von
archäologischen Tierfunden erheblich erleichtern: Mithilfe KI-gestützter
Algorithmen lässt sich das Geschlecht von Schafen einfach und schnell
bestimmen – und zwar lediglich anhand von vier verschiedenen Maßen des
Sprungbeins, wissenschaftlich anatomisch Talus (Mehrzahl Tali) genannt.
Der Vorteil der Anwendung insbesondere für archäologische Fundstücke liegt
auf der Hand: Die Sprungbeinknochen bei Schafen oder Rindern sind
verhältnismäßig klein und kompakt und daher in archäologischen Fundstellen
meist gut und vollständig erhalten. Ein interdisziplinäres Forscherteam
der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns und der LMU
München hat für seine Arbeit verschiedene Algorithmen für maschinelles
Lernen getestet.
„Die Trefferquote der KI-Algorithmen ist hoch“, freut sich Nadine Schüler,
Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin an der Staatssammlung für
Paläonanatomie München (SNSB-SPM) sowie der LMU München. „Die meisten
Algorithmen bestimmen zu 70 Prozent das Geschlecht richtig, manche
Varianten schaffen sogar bis zu 90 Prozent.“
Um das Geschlecht von Tieren zu bestimmen, nutzen Zoologinnen und Zoologen
klassischerweise die Morphologie: In der Praxis beurteilen sie dafür je
nach Tierart typische Skelettelemente wie beispielsweise bei Schafen oder
Rindern deren Beckenknochen. Problematisch wird es bei archäologischen
Tierfunden, dort sind von den Knochen meist nur Bruchstücke erhalten. Das
macht es selbst für Experten schwer, sicher zwischen männlichen und
weiblichen Tieren zu unterscheiden. DNA-Analysen wären eine Lösung, sind
aber kostspielig und machen auch eine Beschädigung der oft nur wenigen
überlieferten Tierknochen aus archäologischen Fundstätten notwendig.
„Maschinelles Lernen könnte die Lösung sein, wird in der Archäozoologie
bisher aber nur selten eingesetzt. Mediziner nutzen die Methodik bereits
zur Einordnung menschlicher Knochen. Unsere Studie ist ein erster Schritt,
um maschinelles Lernen auf archäozoologische Daten anzuwenden. Die KI-
gestützte Geschlechtsbestimmung ermöglicht Archäozoologinnen und -zoologen
eine schnelle erste Einschätzung ihrer Funde“, so Nadine Schüler weiter.
Für ihre Studie haben die Forschenden verschiedene KI-Algorithmen mit über
240 Sprunggelenksknochen von Schafen „trainiert“, bei denen das Geschlecht
bekannt war. Das Programm lernte, die Tali männlicher und weiblicher Tiere
zu unterscheiden. Erfolgreich angewendet wurde das „Gelernte“ an 170 noch
unbestimmten Sprunggelenksknochen von Schafen aus einer archäologischen
Ausgrabungsstätte in der Mongolei.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Nadine Schüler
SNSB - Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-ZSM)
Kaulbachstr. 37, 80539 München
Tel.: 089 2180 6258
E-Mail:
Originalpublikation:
N. Schuler, P. Paxinos, J. Yuan, M. von Zastrov, J. Peters, P. Kröger.
“There is Strength in Num-bers: A Comprehensive Study of Machine Learning
Algorithms for Sex Identification on Animal Bone Remains” in 2024 IEEE
20th International Conference on eScience (e-Science), Osaka, Japan, 2024
pp. 1-10. doi: 10.1109/e-Science62913.2024.10
https://doi.ieeecomputersociet