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Studierende und Lehrer*innen im Umgang mit Antisemitismus besser vorbereiten

Erinnerungskultur in der graphischen Literatur  Universität Siegen
Erinnerungskultur in der graphischen Literatur Universität Siegen
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Erinnerungskultur in der graphischen Literatur  Universität Siegen
Erinnerungskultur in der graphischen Literatur Universität Siegen

Um Studierende und Lehrer*innen im Umgang mit Antisemitismus besser
vorzubereiten, startet die Universität Siegen ein neues Projekt zu
pädagogischen Konzepten. Literatur bei der Thematisierung des Holocausts
im Unterricht hat dabei eine wichtige Aufgabe.

Man denkt, dass Schulen in den vergangenen Jahrzehnten einen guten Umgang
gefunden haben, den Holocaust im Unterricht zu thematisieren. In
Geschichte, im Deutschunterricht, in Religion. Aber dem ist oft nicht so.
Lehrerinnen und Lehrer nutzen Konzepte und Literatur, die vertraut sind:
„Das Tagebuch der Anne Frank“ oder „Damals war es Friedrich“. Aber
erreichen sie damit heute die Kinder und Jugendlichen? „Gerade in Zeiten,
in denen Antisemitismus zunimmt und sich das an den Schulen, wie in einer
Art Mikrokosmos, besonders deutlich zeigt, ist es enorm wichtig, über die
Shoah zu sprechen“, sagt Dr. Jens Aspelmeier. „Aber es braucht neue Formen
der Vermittlung, der Medien und der Literatur, um das Interesse der
Schülerinnen und Schüler für das Thema zu gewinnen und deutlich zu machen,
was Jüdisch-sein in Deutschland bedeutet – damals und heute.“

Dr. Jens Aspelmeier ist Direktor des Zentrums für schulpraktische
Lehrerausbildung Siegen und weiß daher sehr gut, dass sich Lehrerinnen und
Lehrer bei dem Thema oft alleingelassen fühlen. „Antisemitismus ist ja
nicht nur Diskussionsstoff für die Oberstufe, sondern findet auf dem
Schulhof statt und das schon in der Grundschule.“ Politische, ethnische
und religiöse Konflikte seien an der Schule „wie unter einem Brennglas“ zu
finden. Der Nahost-Konflikt spült israelbezogenen Antisemitismus hoch.
Bildungsarbeit zur Shoah, die nie einfach war, kämpft mit einer
politischen Gemengelage voller Feindbilder. Mit Appellen und Betroffenheit
kommt man nicht weit.

Pädagogische Konzepte zur Antisemitismusprävention und zum Umgang mit der
Shoah im Unterricht sind daher dringend gefordert. Um Studierende im
Lehramt im Umgang mit diesem Thema besser vorzubereiten, aber auch um
Referendar*innen und Lehrer*innen Anregungen zu geben, startet die
Universität Siegen im Wintersemester 2024/2025 ein dreisemestriges
Verbundprojekt zur Holocaust-Erziehung. Beteiligt sind zwei Fächer der
Philosophischen Fakultät, das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung
(ZfsL) Siegen, regionale Schulen, das Aktive Museum Südwestfalen und
darüber auch die Gedenkstätte Beit Terezin in Emek Hefer (Israel).

Im Mittelpunkt steht die Erinnerungskultur vermittelt durch Literatur und
dabei insbesondere durch grafische Erzählungen wie Graphic Novels, also
Comicromane. „Graphic Novels verbinden Text und Bild miteinander und
entsprechen den Sehbedürfnissen jungen Menschen“, erklärt Prof. Dr. Daniel
Stein von der Universität Siegen. Der Amerikanistik-Professor hält im
Wintersemester das Seminar „The Shoah in Comics“ für Lehramts- und Fach-
Studierende im Master. „Es werden immer weniger Zeitzeug*innen in Schulen
von ihren Erlebnissen berichten können und dennoch müssen wir Studierenden
und Schüler*innen Zugänge zu dem Thema verschaffen, das so unvorstellbar
ist.“ Die graphische Literatur könne das. Der Erfolg von Art Spiegelmanns
Comic „Maus“ zeige das sehr gut, so Stein. „Graphic Novels können eine
Alternative zu der bisherigen Erinnerungsliteratur sein.“ Auch da gehe es
um Aussagen von Überlebenden. „Das kann eine wichtige emotionale Wirkung
auf Schüler*innen entfalten.“

In der Germanistik bietet Dr. Jana Mikota das Seminar „Jüdische Kinder-
und Jugendliteratur im 20. und 21. Jahrhundert“ an. Man könne den
Holocaust in der Grundschule behandeln, meint die Expertin für Kinder- und
Jugendliteratur. „Es gibt da hervorragende Bücher, auch Bilderbücher.“
Trotzdem müsse man sensibel das Alter der Kinder berücksichtigen. „Und
sich gegebenenfalls auf Diskussionen mit Eltern vorbereiten.“

Bei dem Projekt ist den Wissenschaftler*innen wichtig, den Blick auch für
die Erinnerungskultur anderer Gesellschaften und Länder zu öffnen.
„Jüdische Familien in Ungarn, Polen, der Ukraine oder in Russland erzählen
ihre eigenen Geschichten, bringen andere Biografien mit nach Deutschland“,
so Jana Mikota. „Wir schauen auch auf die Literatur von israelischen
Autor*innen, die in der zweiten oder dritten Generation von der Shoah
geprägt sind.“

Durch Workshops und die Erprobung ausgewählter Ansätze in beteiligten
Schulen ist das Verbundprojekt praxisnah. Neben Studierenden und
Lehrkräften spricht man darüber hinaus pädagogische Fachkräfte in allen
Bildungsbereichen an. Als Auftaktveranstaltung konnte mit Unterstützung
des Hauses der Wissenschaft Ende September bereits eine Lesung und ein
Workshop mit Birgit Schaalburg realisiert werden. Die preisgekrönte
Berliner Autorin und Zeichnerin stellte die Graphic Novel „Der Duft der
Kiefern“ im Aktiven Museum Südwestfalen und am Fürst-Johann-Moritz-
Gymnasium Siegen vor. Mit Schüler*innen erstellte sie einen kurzen Comic
zum Thema Rassismus.

Geplant ist außerdem eine öffentliche Ringvorlesung, eine
Begleitausstellung, eine Bilanztagung und eine Exkursion nach
Theresienstadt. Das Projekt mit dem offiziellen Titel „Learning about the
Shoah Through Narrative Art and visual storytelling” –Transnationale
Erinnerung in der graphischen Literatur” wird mit 13.000 Euro aus dem
Zukunftsfonds NRW für Maßnahmen gegen Antisemitismus gefördert.

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