Multitalent Stadtbaum: Gesunde Bäume für mehr Lebensqualität
Sie sorgen für kühle und saubere Luft, steigern die Biodiversität und
unterstützen bei der Erholung: Bäume in Städten tragen auf vielfältige
Weise zum Wohlergehen der dort lebenden Menschen bei. Im
Innovationscluster URBORETUM untersuchen Forschende des Karlsruher
Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern, was nötig ist,
damit Stadtbäume ihre „Dienstleistungen“ auch in Zeiten extremerer
Klimabedingungen erbringen können.
Gesunde Stadtbäume filtern Schadstoffe aus der Atemluft, dienen als
Lebensraum und kühlen ihre Umgebung durch Schatten und Verdunstung. Die
Baumstandorte puffern außerdem Starkregen, vermeiden Oberflächenabfluss
und entlasten so die Kanalisation. Hinzu kommen psychologische Effekte
beim Menschen wie effektiver Stressabbau. „Bäume in der Stadt bieten ein
ganzes Bündel positiver Ökosystemleistungen, die angesichts des
fortschreitenden Klimawandels immer wichtiger werden“, fasst Dr. Somidh
Saha, Forstwissenschaftler am Institut für Technikfolgenabschätzung und
Systemanalyse (ITAS) des KIT, zusammen.
Allerdings ist unklar, ob Stadtbäume diese Leistungen auch in Zukunft noch
im bisherigen Umfang erbringen können. Gerade älteren, aber zunehmend auch
neu gepflanzten Stadtbäumen setzen längere Trockenperioden, Hitze,
Bodenverschmutzung und -verdichtung, invasive Schädlinge oder der
wachsende Flächenbedarf zu. Gleichzeitig sind wichtige Faktoren für das
Wachstum von Stadtbäumen kaum erforscht. „Je besser wir Stadtbäume
verstehen, desto eher können wir sicherstellen, dass sie auch in Zukunft
gesund bleiben und gut wachsen“, sagt Saha.
Sensoren für 240 Bäume in Karlsruhe
Hier setzt das Innovationscluster URBORETUM an: In den kommenden drei
Jahren, ergänzt um eine mögliche zweijährige Umsetzungsphase, wollen die
Forschenden die Prozesse entschlüsseln, die Ökosystemleistungen, Wachstum
und Vitalität von Stadtbäumen beeinflussen. Eine zentrale Frage ist, wie
sich langanhaltende Trockenperioden auf die Gesundheit von städtischen und
stadtnahen Wäldern auswirken. Anhand von Holzproben untersuchen die
beteiligten Fachleute beispielsweise, wie sich Trockenstress und andere
klimatische Extremereignisse in der Vergangenheit auf Wachstum und
Struktur des Holzes ausgewirkt haben. Ergänzt wird das Bild durch eine
breit angelegte Erhebung aktueller Daten.
In Karlsruhe werden 240 Bäume an verschiedenen Standorten wie Parks oder
Straßen mit Sensoren ausgestattet, um über einen längeren Zeitraum
nachvollziehen zu können, wie sich aktuelle Umweltveränderungen auf das
Wachstum von Bäumen auswirken. Für eine breitere Datengrundlage erfolgen
außerdem Messungen an Bäumen mit ähnlichen Wachstumsbedingungen in
Freiburg, Mannheim und Heidelberg. Ergänzt wird diese Feldforschung durch
Computermodelle mit digitalen Zwillingen von Stadtbäumen.
Partner aus Wissenschaft und Praxis
An dem vom ITAS geleiteten Projekt sind zahlreiche Partner aus
Wissenschaft und Praxis beteiligt, die sich ergänzende Aufgaben im Projekt
übernehmen. Während sich das ITAS auf die Frage konzentriert, welche
spezifischen Bedingungen das Wachstum von Bäumen in Städten beeinflussen,
identifiziert das Institut für Geographie und Geoökologie des KIT
Mechanismen des vorzeitigen Baumsterbens. Das Team der Universität
Freiburg erarbeitet Grundlagen, um Stadtverwaltungen dabei zu
unterstützen, künftig geeignete Baumarten auszuwählen und deren
Bewirtschaftung zu optimieren.
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim wiederum
untersucht, wie sich die An- oder Abwesenheit von Bäumen in der Stadt auf
das Wohlbefinden des Menschen auswirkt. Dazu kombinieren die Forschenden
bildgebende Verfahren des Gehirns, eine Smartphone-App, Geolokalisierung
und psychologische Auswertungen. Darüber hinaus sind zwei Unternehmen
beteiligt: Die Rinntech-Metriwerk GmbH & Co. KG entwickelt ein weitgehend
automatisiertes Verfahren, mit dem Kommunen die Gesundheit von Bäumen
bewerten können. Die greehill Deutschland GmbH scannt etwa 45 000 Bäume in
den beteiligten Städten und stellt sie als digitale Zwillinge zur
Verfügung. Als Bindeglied zwischen Theorie und Praxis fungiert schließlich
das Gartenbauamt der Stadt Karlsruhe, das die Forschung vor Ort ermöglicht
und die Projektergebnisse in die städtischen Abläufe integriert.
Ergebnisse sollen Bewirtschaftungspraxis verbessern
„Wir sind optimistisch, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen können, die
derzeitige Bewirtschaftungspraxis von Stadtwäldern trotz steigender
Herausforderungen und begrenzter Ressourcen entscheidend zu verbessern –
insbesondere im Hinblick auf die Auswahl neuer Baumarten, die
Inventarisierung und die regelmäßige Kontrolle des Baumbestands sowie die
Baumpflege“, sagt Projektleiter Saha. Darüber hinaus könne ein besseres
Verständnis der Zusammenhänge zwischen Bäumen und dem Wohlbefinden der
Menschen dazu beitragen, die positiven Wirkungen von Stadtbäumen bekannter
zu machen und besser zu nutzen.
Über URBORETUM
Gefördert wird URBORETUM vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
im Rahmen der Fördermaßnahme REGULUS. Das URBORETUM-Forschungsteam ist
eine von zehn Innovationsgruppen, die in ganz Deutschland an Lösungen für
eine nachhaltige und klimaschützende Wald- und Holzwirtschaft forschen.