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Nationale Bewegungsempfehlungen: Mehr Bewegung, mehr Freude, mehr Miteinander

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Sportwissenschaftler/-innen der FAU überarbeiten nationale Empfehlungen
für Bewegung und Bewegungsförderung



Wie und wie oft sollten wir uns bewegen, um gesund zu bleiben? Und wie
lässt sich Bewegung institutionell fördern? Das sind die zentralen Fragen
der nationalen Bewegungsempfehlungen, die von Expertinnen und Experten der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Auftrag des
Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bis 2026 überarbeitet werden.
Prof. Dr. Klaus Pfeifer, Leiter des Arbeitsbereichs Bewegung und
Gesundheit am Department Sportwissenschaft und Sport der FAU, erklärt im
Interview, welche Ziele das Projekt hat und welche Ergebnisse zu erwarten
sind.

Herr Professor Pfeifer, Sie haben bereits an den 2016 veröffentlichten
Bewegungsempfehlungen des Bundes mitgearbeitet. Wie kam es dazu?

Der Startschuss fiel eigentlich schon 2013, als die EU den
Mitgliedsstaaten nahegelegt hat, nationale Empfehlungen für Gesundheit
durch Bewegung zu formulieren. Das BMG ist daraufhin an uns herangetreten
mit der Bitte, ein entsprechendes Papier zu erarbeiten.

Wie sehen die Empfehlungen aus?

Die Bewegungsempfehlungen richten sich zum einen direkt an die Menschen,
um sie darüber aufzuklären, wie sie durch Bewegung gesund bleiben. Dieser
Teil basiert im Wesentlichen auf den Empfehlungen der WHO – darin steht
beispielsweise, dass wir mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv
sein sollten. Das muss nicht zwingend Sport sein, sondern zum Beispiel
auch Wandern, Radfahren oder Gartenarbeit. Das untersetzen wir für
einzelne gesellschaftliche Gruppen: Kinder und Jugendliche, Erwachsene,
Ältere sowie Menschen mit nichtübertragbaren Erkrankungen.

Der zweite Teil ist auf die Bewegungsförderung in unserer Gesellschaft
gerichtet, also darauf, welche Rahmenbedingungen man für Bewegung schaffen
kann. Hier haben wir untersucht, welche Maßnahmen effektiv sind, Bewegung
zu fördern. Dazu haben wir uns die Lebenswelten angesehen, in denen die
Menschen unterwegs sind: Kitas, Schulen, Betriebe, Kommunen, Altersheime,
Sportvereine. Die Akteure aus diesen Bereichen haben wir bereits 2016 in
die Erarbeitung unserer Empfehlungen zur Bewegungsförderung eingebunden.

Warum werden die Bewegungsempfehlungen jetzt überarbeitet?

Das BMG hat 2023 einen runden Tisch initiiert, an dem Bundes- und
Landesministerien, Kommunen, Sozialversicherungsträger, Sportverbände
sowie Fach- und Berufsverbände beteiligt sind. Sie sind zu dem Schluss
gekommen, dass die nationalen Empfehlungen insbesondere für
Bewegungsförderung bis 2026 überarbeitet werden sollen. Dieses Ergebnis
spiegelt auch die Fortschritte in der Wissenschaft wider. Neue
Erkenntnisse der letzten zehn Jahre machen diese Aktualisierung
erforderlich. Auch die WHO hat 2020 ihre Bewegungsempfehlungen
überarbeitet und dabei gezielt neue Zielgruppen einbezogen, darunter
Schwangere und Frauen nach der Entbindung, Menschen mit Behinderung sowie
Menschen mit chronischen Erkrankungen. In der Bewegungsförderung hat
Deutschland bereits 2016 eine Vorreiterrolle eingenommen und baut diese
nun weiter aus. Die Empfehlungen für Bewegungsförderung sollen
insbesondere auch die Bedarfe und das Wissen verschiedener Stakeholder in
der Bewegungsförderung aufnehmen.

Wie gehen Sie bei dieser Überarbeitung vor?

Zunächst machen wir ein Evidenz-Update: Wir schauen, welche neuen
Erkenntnisse es zum Themenkomplex Bewegung und Gesundheit gibt und welche
Maßnahmen zur Bewegungsförderung besonders erfolgreich sind – nicht nur in
Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Diese umfangreichen Arbeiten
sind die wissenschaftliche Basis für das neue Papier. Zugleich binden wir
weitere gesellschaftliche Akteure in den Prozess ein: Wissenschaftler
anderer Hochschulen und Vertreter aus den Sektoren Verkehr, Bildung,
Gesundheit oder Sport. Auch NGOs und Vereine sind diesmal dabei, etwa der
ADFC oder KLUG. Wir schaffen diese Allianz, um Maßnahmen zur
Bewegungsförderung noch konkreter zu gestalten als bisher.

Können Sie schon mehr zu neuen Maßnahmen verraten?

Wir werden unseren Fokus stärker auf gesellschaftliche Veränderungen
legen: Wenn etwa Ganztagsschulen zum Standard im Bildungsbereich werden,
dann müssen wir schauen, wie man Bewegung dort organisiert. Wenn es hier
an eigenen Möglichkeiten fehlt, sind eventuell Kooperationen mit
Sportvereinen denkbar. Da müssen die Einrichtungen flexibler werden. Ein
weiteres gutes Beispiel: Es reicht nicht, einen Fahrradständer vor dem
Betrieb aufzustellen. Entscheidend ist auch, dass die nötige Infrastruktur
vorhanden ist, damit Menschen sicher und bequem mit dem Rad dorthin
gelangen können. Dafür braucht es eine Vernetzung der Akteure und
Kooperationen zwischen verschiedenen Sektoren, um sichere Wege, gute
Anbindungen und passende Abstellmöglichkeiten zu schaffen.

Insgesamt wollen wir auch die Qualität von Bewegung stärker
berücksichtigen. Es soll nicht nur darum gehen, die Minuten zu zählen,
sondern Bewegung soll Freude machen und im Idealfall auch soziale
Kontakte, persönliche Kompetenzen und individuelle Autonomie fördern.
Weniger Druck, mehr Freude, mehr Miteinander – in diese Richtung soll es
gehen.

Wegen der Klimaveränderungen werden heißere und trockenere Sommer
erwartet. Werden Sie mit den neuen Empfehlungen auch darauf reagieren?

Unbedingt. Besonders für vulnerable Gruppen wie Hochaltrige oder Menschen
mit nichtübertragbaren Erkrankungen kann Hitze zum Problem werden.
Zugleich kann Bewegung auf ganz ideale Weise zum Klimaschutz beitragen –
etwa wenn ich das Auto stehenlasse und stattdessen mit dem Rad zur Arbeit
fahre. In den Empfehlungen sollen diese Verbindungen besonders
hervorgehoben werden. Zudem könnte der Ressourcenverbrauch bestimmter
körperlicher Aktivitäten gezielt berücksichtigt werden, um nachhaltige
Ansätze zu fördern – Stand-Up-Paddling auf dem heimischen Baggersee statt
Surfen auf den Azoren, um es plakativ zu sagen.

Über das Forschungsprojekt

Das Forschungsprojekt „Aktualisierung und Weiterentwicklung der Nationalen
Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung“ startete im Februar
2025. Es wird vom Bundesministerium für Gesundheit mit 500.000 Euro
gefördert. Die Empfehlungen haben eine hohe nationale Bedeutung: Sie
bilden die wissenschaftliche Grundlage für politische Maßnahmen und
Initiativen zur Bewegungsförderung in Deutschland. Bereits die 2016
veröffentlichten Bewegungsempfehlungen wurden an der FAU erarbeitet. Sie
führten zur Etablierung zentraler Strukturen wie dem „Runden Tisch
Bewegung und Gesundheit“ sowie zu wissenschaftlichen Folgeprojekten, die
sich mit der Umsetzung und Verbreitung der Empfehlungen befassen.