Opernhaus Zürich, Manon Lescaut Dramma lirico in vier Akten von Giacomo Puccini, besucht von Marinella Polli
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Produktionsteam:
Musikalische Leitung Marco Armiliato
Inszenierung Barrie Kosky
Bühnenbild Rufus Didwiszus Kostüme Klaus Bruns Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Fabio Dietsche
Besetzung:
Manon Lescaut Elena Stikhina
Lescaut Konstantin Shushakov
Il cavaliere Des Grieux Saimir Pirgu
Geronte di Ravoir Shavleg Armasi
Edmondo Daniel Norman
L’oste Valeriy Murga
Un musico Siena Licht Miller
Il maestro di ballo Álvaro Diana Sanchez
Ninetta Tomislav Jukic
Un comandante Samson Setu
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Giacomo Puccinis ‚Manon Lescaut’ ist sicher nicht so populär wie ‚La Bohème’, ‚Tosca’ und ‚Madama Butterfly’; deren Uraufführung 1893 in Turin machte jedoch schon Furore. Seit letztem Sonntag zeigt das Opernhaus Zürich eine neue Produktion dieses wunderbaren Puccini Dramma lirico in vier Akten.
Eine auch für Puccini faszinierende Geschichte
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Auf der Suche nach dem Stoff für seine dritte Oper entdeckte Puccini die ‘Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut‘, einen Roman des Franzosen Abbé Prévost, erstmals im Jahr 1731 in Amsterdam veröffentlicht. Das Werk hatte seinerzeit einen grossen Erfolg. Als man ihn fragte, warum noch eine Oper mit dem gleichen Stoff nur wenige Jahre nach der Uraufführung von Jules Massenets ’Manon’, soll der Komponist aus Lucca geantwortet haben: „Eine Frau wie Manon verdient es, mehr als einen Liebhaber zu haben“. Am Libretto wirkten, sagt man, acht Autoren mit, darunter Ruggero Leoncavallo und Puccini selbst.
Eine sublime, mitreissende Musik
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Eine Musik, welche alt und jung zum Weinen bringt. Und durch Puccinis stark bewegende, sublime Klangwelt leitete der italienische Maestro Marco Armiliato letzten Sonntag an der Première eine glänzende Philarmonia Zürich. Dank der Aufmerksamkeit und Präzision aller Musiker konnte das stark involvierte Premierenpublikum den mal üppigen mal delikaten und lyrischen Farbenreichtum, die komplexen Harmonien und die reiche Orchestrierung der Partitur während des ganzen Abends geniessen.
Die grosse Leistung aller Sänger*innen
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Die in Lesnoy geborene russische Sängerin Elena Stikhina interpretiert die komplexe Titelrolle mit ihrem dramatischem Sopran, ihrer auch im höheren Register wunderbaren Klangfarbe und einer grossen Ausdruckskraft. Auch schauspielerisch stellt sie Manons charismatische, facettenreiche Persönlichkeit sehr natürlich und differenziert dar. Ja, charismatisch ist Elena Stikhina immer: als kokette junge Frau, als starke, dynamische und determinierte, oder („Sola, perduta e abbandonata“) als schwache und verzweifelte Manon. Saimir Pirgu gibt seinen Rollendebüt als Des Grieux: am Anfang scheint der albanesisch-italienische Sänger etwas überfordert zu sein, in den zwei letzten Akten gelingt es ihm jedoch mühelos die ganze Kraft, die Intensität, und die wirkungsvolle Expressivität seiner glänzenden Tenorstimme zu zeigen. Konstantin Shushakov gibt Manon’s Bruder Lescaut auch darstellerisch zu wenig differenziert, für den russischen Sänger handelt es sich aber um ein Rollendebüt, das sicher das Potential hat, sich noch zu entwickeln. Der georgische Bass Shavleg Armasi interpretiert tadellos die undankbare Rolle des Geronte di Ravoir, und eine gute Leistung bringen auch die anderen Sänger: Siena Licht Miller als ‚Un musico‘, Daniel Norman als Edmondo, Valeriy Murga als ‚L’oste‘, und die Mitglieder des Internationalen Opernstudios Álvaro Diana Sanchez als ‚Il maestro di ballo‘, Samson Setu als ‚Un comandante‘ und Tomislav Jukic als Ninetta. Glänzend war auch die Leistung des von Ernst Raffelsberger wie immer perfekt vorbereiteten Chors der Oper Zürich.
Barrie Koskys Inszenierung
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Barrie Koskys Inszenierung zeigt wie immer eine perfekte Personenführung; für die Schreibende vielleicht etwas weniger perfekt ist jene der sich unnötigerweise im Einklang mit der Musik bewegenden Chormitglieder. In dieser neuen Zürcher Produktion scheint sich der international gefeierte deutsch-australische Opern-und Theaterregisseur eher auf Rufus Didwiszus‘ Bühnenbild (zeitlose Kostüme, Masken für die Chormitglieder von Klaus Bruns, Light Design von Franck Evin) zu zählen, als auf die Umsetzung eines klaren Regiekonzepts, das sicher auf Papier vorhanden ist. Eine pompöse Kutsche, die als Schlafzimmer, Boudoir oder sogar als Bühne von einem Illusionstheater dient, weitere Kutschen, darunter eine Postkutsche und eine von Pferden gezogene, die sehr realistisch von Statisten dargestellt werden. Dann grosse Käfige und Gitterwagen für den Transport der Mädchen – darunter natürlich Manon und, nach langem Anflehen, auch Des Grieux – nach Amerika, in die Strafkolonie. Am Ende, in der Wüste, sehen wir noch einen von Des Grieux mühsam gezogenen schrottreifen Karren.
(Weitere Vorstellungen auf italienisch, mit deutscher und englischer Übertitelung, bis 22. März)
Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos: T+T Fotografie Toni Suter + Tanja Dorendorf www.opernhaus.ch
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