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Neue Erkenntnisse zur Prophylaxe einer Dermatitis in Folge der Strahlentherapie

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Etwa 480.000 Menschen erkranken jedes Jahr in Deutschland neu an Krebs.
Etwa die Hälfte erhält im Verlauf der Behandlung eine Strahlentherapie,
die zu einer sogenannten Radiodermatitis führen kann.

In der Leitlinie [1]
zur supportiven Therapie werden Möglichkeiten für die Prophylaxe und
Therapie aufgeführt. Aktuelle Daten deuten auf weitere
erfolgsversprechende Optionen hin – womöglich ließe sich sogar mit der
Ernährung Einfluss auf das Radiodermatitis-Risiko nehmen.

Als Nebenwirkung einer Strahlentherapie kommt es relativ häufig zu einer
akuten Radiodermatitis, doch in den meisten Fällen ist diese nur sehr
gering ausgeprägt. Es handelt sich dabei um eine Hautreizung, die mit
einer Rötung einhergeht, oft begleitet von Überwärmung, Juckreiz, Brennen
und Schmerz. Im Verlauf kann die betroffene Hautstelle auch schuppen. Dazu
kommt es, wenn die Zellen der Hautoberfläche so schwer geschädigt sind,
dass sie absterben, neue Zellen aber nicht schnell genug nachwachsen: Die
Haut wird so dünn, dass die Hautoberschicht bricht. Kommt es zu einer
Radiodermatitis, sollen laut Leitlinie [1] Maßnahmen zur Kühlung der
betroffenen Hautstelle erfolgen, z. B. feuchte Umschläge mit Kompressen,
die locker aufgelegt werden und mit antiseptischer Lösung getränkt sind
(2-3x/Tag für 20 Minuten). Auch steroidhaltige Cremes können zum Einsatz
kommen.

In sehr wenigen Fällen, z. B. wenn die Haut vor der Behandlung
vorgeschädigt war oder nicht ausgeheilte Wunden bestanden, kann es zu
einer sogenannten Ulzeration kommen. Das bedeutet, dass nicht nur die
oberste Hautschicht geschädigt ist, sondern auch die Basalmembran, unter
der das Bindegewebe liegt. Bei solchen tiefen Wunden muss immer eine
intensive und professionelle Wundversorgung erfolgen.

Welche Patientinnen und Patienten sind besonders gefährdet?

„Natürlich ist es ein wichtiges Ziel der radioonkologischen Betreuung,
dass es erst gar nicht so weit kommt. Wir empfehlen Patientinnen und
Patienten Maßnahmen zur Prophylaxe und zum Hautschutz und haben damit gute
Erfolge“, erklärt Universitätsprofessorin Dr. Stephanie Combs,
Pressesprecherin der DEGRO. Wie die Expertin weiter ausführt, sei das
Risiko für eine Radiodermatitis an den Hautfalten besonders hoch. „Das ist
der Fall, weil dort zum einen eine höhere Strahlendosis auf der
Hautoberfläche ankommt, während sich ansonsten, wenn sich die Haut nicht
faltet, die Strahlendosis erst unterhalb der Haut aufbaut. Außerdem ist
die Haut in Falten mechanisch höher belastet, häufig auch feucht und warm,
was die Hautreaktion begünstigt.“

Deswegen haben beispielsweise Brustkrebspatientinnen mit größeren Brüsten
ein höheres Risiko für eine Radiodermatitis. Am häufigsten tritt diese
Nebenwirkung aber nach Bestrahlung eines Analkarzinoms oder Vulvakarzinoms
auf. Auch Patientinnen und Patienten mit Kopf-Hals Tumoren haben ein etwas
erhöhtes Radiodermatitis-Risiko, da das Bestrahlungsziel direkt unter der
Haut liegt.

Wichtig für die Prophylaxe: Keine UV-Strahlung, keine mechanische Reizung

Doch wie lässt sich einer Radiodermatitis vorbeugen? „Von besonderer
Wichtigkeit ist, dass Patientinnen und Patienten die bestrahlten
Hautareale nicht der Sonne aussetzen“, erklärt die Expertin. „Die Haut ist
durch die Therapie sehr empfindlich und jede weitere Strahlenexposition
stellt eine zusätzliche Reizung dar. Insbesondere in den ersten Wochen
nach der Strahlentherapie sollten sich Patientinnen und Patienten vor
direkter Sonneneinstrahlung schützen.“

Ebenso wichtig sei es, auf alles, was die Haut mechanisch behindern oder
„reizen“ könnte, zu verzichten, wie z.  B. auf zu enger oder kratzender
Kleidung. Auch von zu langen Bädern und Duschen mit heißem Wasser wird
abgeraten. Keinesfalls sollten die Betroffenen die Haut kratzen, auch wenn
sie juckt.

Mit der richtigen Hautpflege vorbeugen – Vorsicht mit „Hausmitteln“

Von besonderer Bedeutung ist die „richtige“ Hautpflege. Die Leitlinie [1]
hebt hervor, dass Menschen, die sich einer Strahlentherapie unterziehen
müssen, bei der Hautpflege auf Pflegeprodukte ohne allergisierende
Substanzen (z. B. Duftstoffe, pflanzliche Inhaltsstoffe) zurückgreifen
sollten. Empfohlen werden zum Waschen pH-neutrale Seifen und für die
Pflege harnstoffhaltige Cremes. Von Puder wird abgeraten, da es die Haut
austrocknet.

Darüber hinaus haben einige Hautsalben einen vor Radiodermatitis
schützenden Effekt: Silbersulfadiazin-Creme 1 % erwies sich in einer
Studie an Brustkrebspatientinnen als wirksam in der Prophylaxe. Auch
Calendula-Creme kann, so die Empfehlung der Leitlinie, zur Prävention
eingesetzt werden, hat aber per se ein höheres Allergierisiko. Eine
aktuell publizierte Studie [3] verglich die Anwendung von Liposomen-Gel
mit Kamille und ohne Kamille. Es zeigte sich zwischen beiden Gels kein
Unterschied, aber die Ergebnisse deuten darauf, dass beide im Hinblick auf
die Dermatitis-Prophylaxe effektiv sein könnten, für eine Empfehlung sei
aber noch keine ausreichende Evidenz vorhanden. Auch Kortison-Salben
werden in der Leitlinie noch nicht zur Prophylaxe empfohlen, aber eine
kanadische Metaanalyse [4] aus dem Vorjahr wies auf einen schützenden
Effekt hin. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass die
Ergebnisse der in die Analyse eingeflossenen randomisierten Studien
heterogen waren und ihre Vergleichbarkeit durch die unterschiedliche Art
und Häufigkeit der Anwendung erschwert wurde.

In jedem Fall sollten Patientinnen und Patienten, wenn eine
Radiodermatitis auftritt, Rat bei den behandelnden
Radioonkologinnen/-onkologen einholen. „Wir müssen davon abraten, selbst
Heilversuche zu starten und mit Hausmitteln zu experimentieren. Im besten
Fall bringen sie gar nichts, im schlimmsten Fall können sie die
Hautreizungen noch verstärken. Beispielsweise zeigte eine Studie, dass
nach Behandlung mit Aloe Vera-Gel häufiger trockene Schuppung und
Schmerzen auftraten [5]“, erklärt Prof. Combs.

Lässt sich durch die Ernährung das Radiodermatitis-Risiko senken?

Ende des letzten Jahres wurde eine italienische Studie [6] publiziert, die
einen ganz anderen Ansatz der Prophylaxe verfolgte: Sie untersuchte,
inwieweit die Ernährung auf das Radiodermatitis-Risiko Einfluss nehmen
kann. 161 Brustkrebspatientinnen, die sich einer Strahlentherapie
unterziehen mussten, wurden detailliert zu ihren Ernährungsgewohnheiten
befragt. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Frauen, die sich
kohlehydratreich ernährten, ein höheres Risiko für strahlenbedingte
Hautirritationen hatten als jene, die mehr Eiweiß, auch tierisches Eiweiß,
zu sich nahmen. „Es handelt sich hier um eine Beobachtungsstudie, die
keinen Kausalzusammenhang nachweisen kann und darüber hinaus eine relativ
kleine Teilnehmerzahl hatte. Aber das Ergebnis ist interessant, zumal
viele Ernährungsexperten bei Krebs ohnehin eine gesunde Mischkost mit viel
Gemüse, Obst und Eiweiß empfehlen, aber von übermäßig vielen Kohlehydraten
abraten [7]. Insofern können Patientinnen und Patienten mit einer solchen
Ernährung nichts falsch machen, auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt nicht
klar ist, ob sie auch vor einer Radiodermatitis schützen kann“, so das
Fazit von DEGRO-Generalsekretär Prof. Dr. Wilfried Budach.

Quellen
[1] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche
Krebshilfe,
AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - Langversion
1.3, 2020,
AWMF Registernummer: 032/054OL,
https://www.leitlinienprogrammonkologie.de/leitlinien/supportive-therapie
(Zugriff am 27.02.2025)
[2] Hemati S, Asnaashari O, Sarvizadeh M et al. Topical silver
sulfadiazine for the prevention of acute dermatitis during irradiation for
breast cancer. Support Care Cancer. 2012 Aug;20(8):1613-8. doi:
10.1007/s00520-011-1250-5. Epub 2011 Oct 19. PMID: 22006502.
[3] Tungkasamit T, Chakrabandhu S, Samakgarn V, Kunawongkrit N,
Jirawatwarakul N, Chumachote A, Chitapanarux I. Reduction in severity of
radiation-induced dermatitis in head and neck cancer patients treated with
topical aloe vera gel: A randomized multicenter double-blind placebo-
controlled trial. Eur J Oncol Nurs. 2022 Aug;59:102164. doi:
10.1016/j.ejon.2022.102164. Epub 2022 Jun 17. PMID: 35767935.
[3] Meneses AG, Ferreira EB, Vieira LAC et al. Comparison of liposomal gel
with and without chamomile to prevent radiation dermatitis in breast
cancer patients: a randomized controlled trial. Strahlenther Onkol. 2025
Feb;201(2):115-125. doi: 10.1007/s00066-024-02293-9. Epub 2024 Sep 12.
PMID: 39283344.
[4] Kuszaj O, Day M, Tse SSW et al. A critical review of randomized
controlled trials on topical corticosteroids for the prevention of
radiation dermatitis in breast cancer. Support Care Cancer. 2025 Feb
4;33(2):147. doi: 10.1007/s00520-025-09178-2. PMID: 39903309.
[5] Heggie S, Bryant GP, Tripcony L, Keller J, Rose P, Glendenning M,
Heath J. A Phase III study on the efficacy of topical aloe vera gel on
irradiated breast tissue. Cancer Nurs. 2002 Dec;25(6):442-51. doi:
10.1097/00002820-200212000-00007. PMID: 12464836.
[6] Sharma S, Bracone F, Di Castelnuovo A et al., On Behalf Of The Eu-
Athena Trial Investigators. Dietary Macronutrient Composition and Risk of
Radiation-Induced Acute Skin Toxicity in Women with Breast Cancer: Results
from the ATHENA Project. Nutrients. 2024 Dec 31;17(1):136. doi:
10.3390/nu17010136. PMID: 39796571; PMCID: PMC11722651.
[7] Universitätsklinikum Freiburg: Ernährung nach Krebs gut gestalten.
https://www.uniklinik-freiburg.de/presse/publikationen/im-fokus/2021
/ernaehrung-nach-krebs-gut-gestalten.html